Kiel/Norderstedt. Konsumenten von Kokain, Amphetaminen und Cannabis bestellten über WhatsApp. Wie viel die Bande im Monat einnahm.

Fünf mutmaßliche Mitglieder einer Drogenbande, die im Kreis Segeberg nach dem Vorbild eines Pizza-Service einen florierenden Lieferdienst für Kokain, Amphetamine und Cannabis betrieb, legten am Freitag vor dem Kieler Landgericht Geständnisse ab.

Bemühungen um eine Verständigung zwischen den Prozessbeteiligtenwaren ohne Ergebnis geblieben. Hintergrund ist die gute Beweislage: Auf einen Deal um Strafmilderungen als Gegenleistung für Geständnisse scheint die Staatsanwaltschaft kaum angewiesen, nachdem „die rechte Hand des Chefs“ sich und die Mitangeklagten bereits in acht Vernehmungen schwer belastet hat.

Landgericht Kiel: Die „rechte Hand des Chefs“ macht reinen Tisch

Als Kronzeuge darf der Vertrauensmann (40) des Bandenchefs (26) auf eine mildere Strafe hoffen: Der ehemalige Zeitsoldat und Rettungssanitäter, der mit der Schwester des Chefs liiert war, gab der Polizei nach seiner Festnahme tiefe Einblicke in die Bandenstruktur. Demnach kümmerte sich allein der Chef um den Nachschub, der über einen Hamburger Vermittler bestellt wurde.

Auf einem Supermarkt-Parkplatz habe ihm ein Dealer mit türkischem Akzent im schwarzen BMW den Stoff übergeben, berichtete der in U-Haft sitzende Hauptangeklagte. Das Kokain habe man vor dem Weiterverkauf um 20 Prozent gestreckt.

„Koks-Taxi“: Für „Drogen frei Haus“ kassierte die Bande bis zu 90.000 Euro im Monat

Laut Vorwurf nahm die Bande im Tatzeitraum Mai bis Dezember 2021 bis zu 90.000 Euro im Monat für Betäubungsmittel ein. Bis zu 1000 Konsumenten sollen den Lieferservice gekannt haben. Wer Drogen bestellen wollte, meldete sich einfach per WhatsApp bei einem „Schreiber“ der Taxizentrale.

Der Bandenchef und Drahtzieher aus Kaltenkirchen mit Nebenwohnsitz in Quickborn soll noch acht weitere Fahrer und Helfer beschäftigt haben, die sich in gesonderten Verfahren verantworten müssen. Die Besteller der Drogen brauchten dem Lieferdienst nur eine Uhrzeit und die Adresse zu nennen.

„Koks-Taxi“: Als Drogenbunker diente eine Garage in Norderstedt

Dann parkte das „Koks-Taxi“ mit einer Auswahl verschiedener Betäubungsmitteln vor der Tür des Kunden. „Das waren ganz normale Leute“, betonte ein Fahrer. Art und Menge des Stoffs wurden demnach mit dem Lieferanten ausgehandelt. Gebunkert wurden die Drogen in einer Garage am Holunderweg in Norderstedt – zwischen Arriba-Erlebnisbad und Hamburger Stadtgrenze.

Die Bandenmitglieder in der „Taxizentrale“ und die Fahrer arbeiteten im Schichtdienst. Der Vertraute des Chefs will für seine unterschiedlichen Tätigkeiten 2000 bis 3000 Euro im Monat verdient haben. Nach eigenen Angaben kam er vorher nie mit dem Gesetz in Konflikt.

Landgericht Kiel: Bandenchef begrüßt sein Baby im Gerichtssaal – der 26-Jährige wurde in U-Haft Vater

Nicht vorbestraft ist auch ein Fahrer (55) aus Henstedt-Ulzburg, dem acht Lieferungen vorgeworfen werden. Der Vater zweier Kinder verschuldete sich nach dem Verlust seines Jobs und dem Tod seiner Mutter. Die 4000 Euro Beerdigungskosten zahle er immer noch in Raten ab, sagte er. Seinen Kindern (13, 16) habe er „ein möglichst sorgenfreies Leben“ ermöglichen wollen.

Der Bandenchef wurde erst kürzlich in U-Haft zum Vater. Seine Verlobte sitzt regelmäßig im Verhandlungssaal. Draußen auf dem Gerichtsflur kümmert sich die Schwiegermutter um das Baby. Da fließen schon mal Tränen.

In den Prozesspausen darf sich das Paar unter Aufsicht kurz sprechen, der Vater seinen kleinen Sohn begrüßen. Das Kind müsse vorerst ohne ihn aufwachsen, stellt sein Verteidiger fest. Sein Ziel ist eine Haftstrafe unter fünf Jahren.