Blunk. Wie meistert der Kreis Segeberg künftige Herausforderungen? Ex-Innenminister Hans-Joachim Grote hat ein paar Ideen.

Wie sieht der Kreis Segeberg in zehn, 20, 30 Jahren aus? Was bringt die Zukunft für Norderstedt, Kaltenkirchen und Henstedt-Ulzburg, was für kleinere Gemeinden? Und vor allem: Was muss die Region schon jetzt tun, um wichtige Herausforderungen meistern zu können? Das waren die Themen, am Donnerstagabend im Landhaus Schulze-Hamann in Blunk, beim 10. Segeberger Wirtschaftstag.

Eingeladen hatte die Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft des Kreises Segeberg (WKS), gekommen waren 120 Gäste aus Politik und Wirtschaft, aus Verwaltungen, Verbänden und weiteren Institutionen. Die WKS feiert in diesem Jahr den zehnten Geburtstag, das wäre ein guter Grund gewesen, ein bisschen zurück zu blicken. Aber genau das wollte man bei der WKS eben nicht, stattdessen stand alles im Zeichen der kommenden Jahrzehnte.

Prognose: 100.000 Hamburger wollen in den nächsten Jahren aufs Land ziehen

Was also bringt sie, diese Zukunft? Hans-Joachim Grote, Aufsichtsratsvorsitzender der WKS, skizzierte zu Beginn ein paar der großen Trends. „Für die kommenden zehn Jahre werden Bevölkerungswanderungen aus Hamburg in das Umland erwartet.“ Prognosen gingen von 100.000 Menschen aus, ein großer Teil werde nach Schleswig-Holstein und eben in den Kreis Segeberg ziehen.

Weitere Herausforderungen seien der demografische Wandel und die Digitalisierung. Und dann seien da noch die großen Infrastrukturprojekte, die Auswirkungen auf den Kreis hätten: etwa der Bau des Fehmarnbelttunnels und die Weiterführung der Autobahn 20.

Professor: Vertrauen in die Zukunft schwindet – auch bei jungen Menschen

Einen echten Experten für das Thema Zukunft hatte die WKS mit Professor Ulrich Reinhard eingeladen, der eine Professur für Empirische Zukunftsforschung am Fachbereich Wirtschaft der Fachhochschule Westküste in Heide innehat. Er erweiterte den Fokus zunächst wieder, sprach von globalen und deutschlandweiten Trends, nahm Umfragen und Statistiken zu Hilfe.

Eine seiner Kernthesen: Das Vertrauen der Gesellschaft schwinde kontinuierlich, zumindest in Deutschland. Reinhard: „Auch die junge Generation glorifiziert mehrheitlich die Vergangenheit.“ Angst sei in der Gesellschaft „omnipräsent“, was einer der Gründe dafür sei, dass Deutsche noch immer relativ wenig Kinder bekämen.

Jugend „weit entfernt von einer Null-Bock-Generation“

Dabei wünsche sich die junge Generation genau das: Familie, Kinder, Ehe auch. Und überhaupt sei die Jugend keineswegs schlecht, weit entfernt von einer „Null-Bock-Generation“. Sie wolle nicht nur das Leben genießen, sondern etwas leisten, am besten etwas, das „Sinn“ habe – so zeigten es Statistiken. „Die junge Generation ist eine, auf die wir uns verlassen können“, so Reinhard.

Das biete Grund zum Optimismus – überhaupt solle man mit Mut in die Zukunft blicken. Denn die Haltung, dass früher „alles besser“ gewesen sei, sei ohnehin ein riesiger Irrtum, was der Zukunftsforscher dann auch mit Zahlen belegte, etwa zu weltweitem Hunger, Kriegen, Arbeitslosigkeit.

Kreis Segeberg: Städte und Gemeinden sollen enger zusammenarbeiten

Doch zurück zum Kreis Segeberg. Was folgt für ihn nun aus alldem? Wie bereitet er sich am besten auf die Zukunft vor? Schon in seiner Eröffnungsrede hatte Hans-Joachim Grote keinen Zweifel daran gelassen, dass er mehr Zusammenarbeit zwischen den Städten und Gemeinden in der Region für erforderlich hält. „Wir haben 95 Kommunen im Kreis. Die zentrale Frage ist, welche Aufgaben werden wir in Zukunft einzeln lösen können?“, so Norderstedts ehemaliger Bürgermeister.

Er stellte auch gleich klar, dass es nicht darum gehe, „über eine Gebietsreform auch nur nachzudenken.“ Die Kleinteiligkeit habe durchaus Vorteile, etwa Bürgernähe. Aber in Bereichen wie Fachkräftegewinnung, Medizin, Mobilität oder Einkaufsmöglichkeiten müsse es mehr „interkommunale Kooperation“ geben. Das gelte auch für den Bereich der digitalen Infrastruktur. „Wir haben sieben Digitalanbieter im Kreis, nötig wäre aber ein einheitliches, flächendeckendes WLAN“, so Grote.

Auch auf dem Land muss es Mietwohnungen geben

An der anschließenden Podiumsdiskussion nahmen auch Jörg Bülow (Geschäftsführendes Vorstandsmitglied Schleswig-Holsteinischer Gemeindetag) und Marc Ziertmann (Geschäftsführendes Vorstandsmitglied Städteverband Schleswig-Holstein) teil.

Es ging noch einmal viel um die zu erwartende Zuwanderung aus Hamburg, die eine große Chance für den Kreis darstelle - da waren sich alle einig. Aber es müssten eben Schulen und Kitas gebaut werden, da komme wieder die Kooperation ins Spiel. Und Großstädter wollten eben auch mal zur Miete wohnen, solche Möglichkeiten müsse es auch geben.

Landrat: „Wir verwalten uns zu Tode“

Und dann die Jugend, von Professor Reinhard als durchaus verlässlich geschildert. Sie zu begeistern für das Ehrenamt und die Kommunalpolitik, das sei eine ganz wesentliche Zukunftsaufgabe. Denn die Kommunalpolitik, auch das war Konsens, werde in Zukunft noch wichtiger. Deshalb müssten Städte und Gemeinden auch größere Spielräume haben, sollten vor Ort mehr entscheiden dürfen. Und, ganz allgemein, sei weniger Bürokratie ein Gebot der Zukunft. „Wir verwalten uns zu Tode“, brachte es Landrat Jan-Peter Schröder auf den Punkt.

Die WKS, das wurde deutlich, möchte in Zukunft aktiv auf Städte und Gemeinden zugehen und sie für bestimmte Projekte an einen Tisch bringen. Mit dem Wirtschaftstag sei schon ein Anstoß für mehr Kooperation erfolgt, bei den Gesprächen nach der Podiumsdiskussion habe es „sehr positive Signale“ in der Richtung gegeben, sagte Hans-Joachim Grote. „Wir müssen die Ressentiments, die es zwischen einzelnen Orten gibt, über Bord werfen. Das war unisono der Tenor.“