Norderstedt. Corona-Lockdown, Ukraine-Krieg, Energiekrise? Warum zwei Firmen in Norderstedt gegen alle Widerstände florieren.

Lieferengpässe, Energiepreis-Explosion, Fachkräftemangel – die Wirtschaft ist zurzeit arg geschwächt durch den langen Corona-Lockdown und den anhaltenden Ukraine-Konflikt. Nicht so bei zwei Norderstedter Unternehmen. Die Firmen IBH Elektrotechnik und die Dinse GmbH trotzen der Wirtschaftskrise

Der eine Betrieb, IBH, Zulieferer für elektrische Schaltanlagen aller Art, wächst trotz der Herausforderungen zurzeit zweistellig und will sich sogar vergrößern, berichteten die Geschäftsführer Henning Sauerland Christopher Holtz den Funktionären von der IHK.

Mittelstand: Wachstum in der Krise – Norderstedts „Hidden Champions“

Der andere Betrieb, der Schweißgerätehersteller Dinse, der seinen Betrieb mit 140 Beschäftigten erst im Januar dieses Jahres von Langenhorn nach Norderstedt verlagerte, habe seine Lieferanten für Messing, Kupfer und elektrische Bauteile nur in Deutschland, sodass es kaum Lieferschwierigkeiten gebe, betonte der geschäftsführende Gesellschafter Torsten Lischke.

Die Erfolgsgeschichten waren der Grund für Hauptgeschäftsführer Lars Schöning von der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Lübeck und seinen Stellvertreter Henner Jahnke, die beiden mittelständischen Betriebe in Norderstedt zu besuchen. Martin Brüdigam, Vertriebsleiter von der Norderstedter Entwicklungsgesellschaft (EGNO) begleitete die beiden.

IBH: Maßgeschneiderte Elektrobauteile für die Industrie

Christopher Holtz und Henning Sauerland von IBH Elektrotechnik in Norderstedt erläutern Lars Schöning und Henner Jahnke von der IHK zu Lübeck ihr erfolgreiches Unternehmenskonzept (v. r.).
Christopher Holtz und Henning Sauerland von IBH Elektrotechnik in Norderstedt erläutern Lars Schöning und Henner Jahnke von der IHK zu Lübeck ihr erfolgreiches Unternehmenskonzept (v. r.). © Burkhard Fuchs

Erste Station IBH: „Wir wachsen konstant und überproportional“, erklärte IBH-Mitgeschäftsführer Holtz, der auch den Vertrieb leitet. „Mittlerweile beschäftigen wir 40 Mitarbeiter, darunter einige Ingenieure im Außendienst.“ Jetzt will sich das Unternehmen, dass seine maßgeschneiderten Elektrobauteile für den Maschinenbau, die Medizintechnik, Luftfahrt und die stark wachsenden Elektrofahrzeug-Hersteller entwickelt und fertigen lässt, seinen Markt auf Österreich und der Schweiz ausweiten. Dafür würden dringend neue Mitarbeitende gesucht, sagte Holtz.

Zudem platze das vorhandene Lager für die Bauteile aus allen Nähten, sagte Geschäftsführer Sauerland. Darum soll auf dem Gelände im Gutenbergring eine Lagerhalle mit 400 Quadratmetern Fläche sehr bald angebaut werden. Nur die Abstimmung mit einem Grundstücksnachbarn und die erforderliche Baugenehmigung dafür stünden noch aus. Martin Brüdigam von der EGNO versprach, dabei zu helfen.

Zufriedene Mitarbeitende seien der „Motor“ des Erfolgs

Motor dieses offenbar krisenfesten Wachstums seien die guten und zufriedenen Mitarbeiter, erklärt Holtz. So habe IBH Elektrotechnik gleich zu Beginn der Corona-Krise vollständig auf Homeoffice gesetzt und die Mitarbeitenden mit Laptops ausgestattet. Das werde bis heute an mindestens zwei Tagen der Woche praktiziert und habe sich ausgezahlt. „Auch wenn die soziale Komponente auf der Strecke geblieben ist und der Austausch an Ideen im Team darunter litt“, erklärte Mitinhaber Sauerland.

Aber mit den Videokonferenzen konnten rasch zahlreiche neue Kunden in Europa und Übersee akquiriert werden. „Das ist eine Win-Win-Situation für beide Seiten“, ergänzte Holtz. Eine Videokonferenz sei schnell erledigt und bedürfe keiner langen Anreise. „Sonst ist ja gleich ein halber Tag weg. Und auch das Palaver hält sich in Grenzen.“ Zur Zufriedenheit der Belegschaft trage auch bei, dass alle Mitarbeiter zu diesen Konferenzen eingeladen werden würden, nicht nur die wenigen, die direkt beteiligt sind. „Da haben alle mitgezogen und wir haben den Output gesteigert.“

IBH: Die Zukunft der Firma sieht rosig aus

Die Folge sei eine zurzeit rosige Zukunft für das Norderstedter Unternehmen, das auch Komponenten für Schnellladestationen von E-Autos vertreibt. Der Jahresumsatz von 26 Millionen Euro wachse weiterhin zweistellig. „Unsere Auftragsbücher sind voll“, sagte Sauerland. „Es sieht weiterhin gut aus.“

IHK-Chef Schöning lobte: „Das zeigt, wie agil der Mittelstand in unserer Region ist.“ Die Rückbesinnung auf eigene Lagerhaltung sei ebenfalls eine gute Strategie, um der weltweite Lieferkettenmisere zu trotzen.

Dinse: Marktführer in der Schweißtechnik

Das habe die Firma Dinse schon seit vielen Jahren verfolgt, sagte Inhaber Lischke den IHK-Funktionären. Das Unternehmen, das Wilhelm Dinse 1954 in Hamburg gegründet hat, sei ein sogenannter „Hidden champion“, ein Marktführer in der Schweißtechnik.

Die 140 Beschäftigten, vor allem Dreher und Fräser in der Produktion, die jetzt am neuen Standort im Niewisch arbeiteten, stellten die traditionellen Systeme zum Handschweißen ebenso her wie hochmoderne Roboter- und Automaten-Schweißsysteme mit Lasertechnik. Weil diese zugleich gekühlt würden, seien die Schweißgeräte made by Dinse weniger anfällig für Ausfälle wie die von anderen Herstellern, erläuterte Lischke.

Fertigung ausschließlich in Deutschland – das zahlt sich nun aus

Die seit Jahren betriebene Konzentration auf den deutschen Markt, was Lieferanten und die Produktion angehe, zahle sich jetzt zum Positiven aus. „Wir haben eine sehr tiefe Fertigungstiefe und produzieren ausschließlich in Deutschland.“ So bleibe die Wertschöpfung hier, so Lischke. „Wir haben zurzeit sehr gut zu tun.“ So gut, das schon wieder angebaut werden müsste. Lieferengpässe gebe es kaum. Die Zusammenlegung der beiden Standorte aus Hamburg jetzt in Norderstedt habe zudem die internen Arbeitsabläufe verkürzt.

Nur bei der Suche nach einem neuen Standort in Norderstedt hätte die EgNo etwas flexibler agieren und mehr auf die Wünsche seiner Firma eingehen können, kritisierte Lischke. Das zunächst angebotene Areal am Nordport sei zu teuer und mit unnötigen Auflagen zum geplanten Bau versehen gewesen. „Wir haben uns dann ein Bestandsgebäude gekauft, das günstiger war und besser zu uns passte“, sagte der Firmenchef und betonte:. „Wir sind noch old-economy und haben eine Eigenkapitalquote von mehr als 50 Prozent.“