Kreis Segeberg/Kiel. Oberverwaltungsgericht gibt Gemeinde Hasenkrug Recht. Warum 140 Gemeinden nun auf ähnliche Urteile hoffen dürfen.
Diese „Leitentscheidung“ des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts (OVG) zur Finanzierung Freiwilliger Feuerwehren hat höchste kommunalpolitische Brisanz: Am Dienstag gab das OVG der 360-Einwohner-Gemeinde Hasenkrug im Kreis Segeberg Recht, die bei der Anschaffung eines neuen Löschfahrzeugs gegen Vergaberegeln verstoßen hatte. Trotzdem darf das Dorf den 48.000 Euro-Zuschuss des Kreises behalten, urteilte der 5. Senat (AZ 5 LB 9/20).
Nach diesem Urteil dürften allein im Kreis Segeberg 30 weitere Gemeinden nach jahrelangen Streitigkeiten mit der Kreisverwaltung hoffen, ihre teilweise unrechtmäßig erworbenen Zuschüsse zur Finanzierung von Feuerwehrfahrzeugen doch noch behalten zu dürfen. Denn wie aus der gestern veröffentlichten OVG-Pressemitteilung hervorgeht, scheiterte im Fall Hasenkrug auch die Kreisverwaltung an der komplizierten verwaltungsrechtlichen Materie.
Löschfahrzeuge: Kreis Segeberg verliert im Zuschuss-Streit
Laut Urteil hat es der Kreis Segeberg bei der Rückforderung der Zuschüsse nämlich versäumt, die Verhältnismäßigkeit seiner Rückforderung zu prüfen. So habe der Kreis irrigerweise angenommen, den gesamten Förderbetrag wieder einziehen zu können. Tatsächlich hätte die Finanzverwaltung aber „die Schwere der Vergaberechtsverstöße bewerten und diese gegen die geringe Finanzkraft der kleinen Gemeinde“ abwägen müssen, so der Vorwurf.
Kreis hielt gesetzliche Frist für Widerruf des 48 000 Euro-Zuschusses nicht ein
Mit einem zweiten Fehler der Kreisverwaltung habe sich das Gericht danach nicht mehr befassen müssen, so die OVG-Pressemitteilung: Der Kreis Segeberg habe „die gesetzliche Jahresfrist für den Widerruf nicht eingehalten“, hieß es. Eine schriftliche Begründung des Urteils steht noch aus.
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Wie steht es nun um die Signalwirkung der obergerichtlichen „Leitentscheidung“ aus Schleswig, die zunächst nur eine der kleinsten Gemeinden im Kreis Segeberg betrifft? Auf Nachfrage teilte OVG-Sprecherin Christine Nordmann mit, derzeit seien noch drei weitere Berufungsklagen aus dem Kreis zu verhandeln.
Urteil: 140 Gemeinden in Schleswig-Holstein streiten um Feuerwehrzuschüsse
Auch die Gemeinden Großenaspe, Sievershütten und das Amt Kisdorf wehrten sich gegen die Rückzahlungsforderungen. Die obergerichtliche Bearbeitung der Klagen dauert offenbar seine Zeit. Im Fall Hasenkrug hatte das Verwaltungsgericht in erster Instanz noch dem Kreis Recht gegeben. Das gerade vom OVG gekippte Urteil wurde bereits im April 2017 verkündet – vor fast fünfeinhalb Jahren.
Über die Streitigkeiten im Kreis Segeberg hinaus sind in Schleswig-Holstein laut OVG noch weitere 110 Verwaltungsverfahren zwischen Kreisen und Gemeinden um die Finanzierung von Feuerwehr-Technik anhängig. Die Gesamtsumme, um die im Land gestritten wird, dürfte in die Millionen gehen.