Norderstedt/Kiel. Verfahren gegen Angehörige der verschwundenen Familie eröffnet. Doch werden sie vor Gericht erscheinen?
Im Fall des sogenannten Müllgrundstücks in Norderstedt gibt es neue Entwicklungen. Mit der Sache wird sich jetzt das Norderstedter Amtsgericht befassen. Gegen einen G. Gieschen und eine weitere Angeklagte, die mit Geburtsnamen Gieschen hieß, hat das Amtsgericht jetzt auf Antrag der Staatsanwaltschaft Kiel das Hauptverfahren eröffnet.
Laut Lea Otten, Sprecherin des Landgerichts Kiel, geht es um „unerlaubten Umgang mit gefährlichen Abfällen“. Nach derzeitiger Planung ist der Prozessauftakt in Norderstedt (Aktenzeichen: 75Ls588Js44732/19) am Mittwoch, 6. Juli, 9.30 Uhr. Weitere Termine sind noch nicht bekannt.
Müllberg Norderstedt: 15.000 Kubikmeter Abfall auf Gründstück
Das Gerichtsverfahren ist der nächste Teil in einer Fortsetzungsgeschichte, die die Stadt Norderstedt schon lange beschäftigt. Es geht um eine Fläche im Stadtteil Friedrichsgabe, neben dem Gelände des Autoverwerters Kiesow. Die Familie Gieschen hatte dort jahrelang ein illegales Abfalllager betrieben. Rund 15.000 Kubikmeter Müll haben sich dort angesammelt. Im Jahr 2017 war der Kontakt zu der Familie Gieschen abgerissen. Sie hinterließen mit ihrem Verschwinden meterhohe Müllberge. Das Haus der Familie in Nahe steht leer.
Jahrelang stritten Stadt und Land über die Zuständigkeit und entwickelten schließlich einen gemeinsamen Plan. Die Stadt sollte die Fläche ersteigern und anschließend verkaufen. Mit dem Erlös, so der Plan, soll die Räumung des Geländes zumindest teilweise finanziert werden. Den Rest der Kosten trägt das Land.
Müllgrundstück: Norderstedt erhielt im Mai den Zuschlag
Tatsächlich kam es Anfang Mai zu einer Zwangsversteigerung, bei der die Stadt auch den Zuschlag erhalten hat – für 2384,18 Euro. Wegen einer ominösen Verwicklung hängt diese Sache aber derzeit in der Luft. Denn beim Versteigerungstermin tauchte überraschend ein zweiter Bieter im Amtsgericht Norderstedt auf, nämlich ein Hamburger Geschäftsmann namens Jagtar Singh. Er überbot mit 2400 Euro die Stadt. Allerdings wies Rechtspfleger Marco Faron das Gebot zurück, weil der Geschäftsführer der „Jagtar UG“ sich nicht ausweisen konnte.
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Er sollte zwei Wochen später die Gelegenheit bekommen, sich doch noch auszuweisen und auch vor Gericht zu begründen, warum sein Gebot gültig sein sollte. Singh kam mit seinem Rechtsanwalt Carl-Wolf Coste zu dem Termin im Norderstedter Amtsgericht, allerdings ließ der Rechtspfleger die Argumentationen von Coste nicht gelten. Die Stadt Norderstedt erhielt wiederum den Zuschlag. Jagtar Singh legte erneut Beschwerde ein, beim Landgericht Kiel. Diese wird dort derzeit noch geprüft.
Norderstedt: Beschwerde von Jagtar Singh wird noch geprüft
„Die Sache ist beim Landgericht eingegangen, sie trägt das Aktenzeichen 4 T 31/22. Eine Entscheidung zu der Beschwerde ist noch nicht ergangen“, sagt Gerichtssprecherin Lea Otten. Damit rechnet sie erst in einigen Wochen.
Bis tatsächlich die Bagger auf dem „Müllgrundstück“ anrollen, dürfte es also noch dauern, zumal die Räumung dann auch noch ausgeschrieben werden muss. Abzuwarten bleibt auch, ob die Beschuldigten, tatsächlich bei dem Prozesstermin erscheinen werden. Die Stadt Norderstedt und auch das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) hatten jahrelang erfolglos versucht, zur Familie Gieschen einen Kontakt herzustellen.
Müllberg Norderstedt: Rechtsanwalt der Familie Gieschen meldet sich
2021 hat sich allerdings ein Rechtsanwalt, der den Grundstücksbesitzer – ein Mitglied der Familie Gieschen – vertritt, bei der Staatsanwaltschaft Kiel und auch beim LLUR gemeldet. Die Behörde gab dem Betreiber des illegalen Müll-Lagers daraufhin erneut die Chance, eine Teilsanierung in die Wege zu leiten. Aber nichts passierte.
Nach einer Schätzung belaufen sich die Kosten für die Räumung des Grundstücks auf 3,8 Millionen Euro. Wegen es unerlaubten Umgangs mit Abfällen drohen dem Verursacher im schlimmsten Fall eine Freiheitsstrafe von drei bis fünf Jahren.