Norderstedt. Obwohl hier Tempo 30 gilt, gehen viele Autofahrer nicht vom Gas. Selbst dann nicht, wenn es blitzt. Stadt besorgt.

23.000 Fahrzeuge schieben sich täglich über die Niendorfer Straße, mitten durch Garstedt. Und obwohl im Ortskern vor der Ganztagsgrundschule Tempo 30 gilt – aus Gründen der Verkehrssicherheit und des Lärmschutzes – gehen viele Autofahrerinnen und Autofahrer nicht vom Gas. Selbst dann nicht, wenn es blitzt.

Das Ordnungsamt hat jetzt die Fallzahlen der Verkehrsüberwachung im ersten Halbjahr 2022 veröffentlicht. Und diese Zahlen machen der Stadtverwaltung Sorgen. Die kurz vor der Grundschule Niendorfer Straße installierte Radarsäule hat in den vergangenen sechs Monaten unheimlich häufig ausgelöst – genau 22.284 mal. Ein absolut trauriger Rekordwert.

Verkehr Norderstedt: Trauriger Rekord – 22.284 Raser in sechs Monaten geblitzt

Um das einzuordnen: Im gesamten Jahr 2021, als die Stadt noch mit vier fest stationierten Radarsäulen „blitzte“, hielten diese 28.058 Geschwindigkeitsverstöße im Bild fest – nun sorgt die Säule Niendorfer Straße für Dreiviertel dieser Fallzahlen in nur einem halben Jahr.

Dabei hatten Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder und ihr Ordnungsamt noch unlängst zufrieden festgestellt, dass sich die Zahl der Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr der Stadt zwischen 2017 und 2021 von über 80.000 auf knapp über 31.000 mehr als halbiert hatte. „Das bedeutet, dass die Blitzanlagen Wirkung gezeigt haben“, urteilte Roeder damals.

Radarsäule blitzt jetzt rund um die Uhr

Doch offenbar ist der Rückgang maßgeblich dem Gewöhnungseffekt zuzuschreiben – die Autofahrerinnen und Autofahrer kennen die verbliebenen zwei Radarsäulen in der Stadt, neben der Niendorfer Straße auch jene an der Schleswig-Holstein-Straße. Und auch Roeder konstatierte, dass viele vor und hinter den Säulen wieder aufs Gas drücken würden.

Wie aber ist dann zu erklären, dass die Zahlen an der Niendorfer Straße aktuell derart steigen? Die Antwort ist ganz einfach: „Ursächlich für diesen starken Anstieg ist, dass die stationäre Anlage zuvor nur in den Nachtstunden aufgrund des Lärmschutzes aktiv geschaltet war“, sagt Stadtsprecher Fabian Schindler. Für offenbar viele überraschend wurde die Säule in der Tempo-30-Zone mit Beginn des Jahres auch tagsüber und damit rund um die Uhr eingeschaltet. Und schon hob das Blitzlichtgewitter wieder an.

Stadt fürchtet um die Sicherheit der Schulkinder an der Grundschule

„Da es nachts ein geringeres Verkehrsaufkommen gab und gibt, waren die Fallzahlen somit vor 2022 relativ niedrig“, sagt Schindler. In der Tat verzeichnete das Ordnungsamt an der Niendorfer Straße in den Vergleichshalbjahren sehr niedrige Fallzahlen: 2021 nur 1688 Fälle und 2687 Fälle 2020.

Nun ist es also offensichtlich, dass auf der Niendorfer Straße immer noch zu schnell gefahren wird. „Die sehr hohe Zahl an registrierten Geschwindigkeitsverstößen sieht die Stadt Norderstedt mit Sorge“, sagt Schindler. „Dies auch deshalb, weil die Geschwindigkeitsverstöße im direkten Umfeld der dortigen Schule registriert worden sind. Die Stadt Norderstedt behält die Entwicklung daher im Auge und wird gegebenenfalls erwägen, weitere Maßnahmen zu ergreifen, um die Sicherheit des dortigen Schulwegs zu wahren.“

Blitzer-Anhänger „Susi“ erwischte 6249 Raser

Norderstedts „Blitzer“-Anhänger „Susi“ im Einsatz auf der Oadby-and-Wigston-Straße im November 2021.
Norderstedts „Blitzer“-Anhänger „Susi“ im Einsatz auf der Oadby-and-Wigston-Straße im November 2021. © Christopher Herbst

Die übrige Blitzerstatistik der Stadt Norderstedt liest sich vergleichsweise unauffällig. Die Fallzahlen an der Säule auf der Schleswig-Holstein-Straße, kurz hinter dem Kreisverkehr Ochsenzoll, bleiben konstant. Wurden im ersten Halbjahr 2020 noch 7132 Fahrzeuge geblitzt, waren es 2021 nur noch 5071 und in den letzten sechs Monaten mit 5237 Fällen nur etwas mehr. Dabei war diese Säule kurz nach ihrer Einführung so etwas wie der Rekordhalter im Blitzen: 2017 verzeichnete die Statistik 38.775 Geschwindigkeitsverstöße an dieser Stelle, im Jahr darauf waren es noch 27.103.

Für den Überraschungseffekt in der Kontrolle des fließenden Verkehrs in Norderstedt sorgen ein mobiles Team des Ordnungsamtes, das mit einer Anlage im unscheinbaren Kleinwagen in Norderstedt unterwegs ist, und seit vergangenem Jahr auch „Susi“. Auf diesen Namen taufte die Stadt den neuen „Blitzer-Anhänger“, den man überall am Straßenrand mit seiner vollautomatischen Messeinrichtung abstellen und ohne Personal arbeiten lassen kann.

Verkehr Norderstedt: Stadt rechnet mit Bußgeldern von über 1,5 Millionen Euro

Den Fallzahlen nach, schickt die Stadt das mobile Team deutlich weniger oft auf die Straße. Nur noch 594 Geschwindigkeitsverstöße wurden geblitzt – 2021 waren es noch 1440 und 2020 noch 2451. „Susi“ hingegen legt richtig los: Hatte der Anhänger nach seinem Start im Oktober 2021 bis Jahresende 1930 Autofahrer erwischt, so ertappte er in den letzten sechs Monaten 6249 Raser in der Stadt. 4162 davon auf der Oadby-and-Wigston-Straße, 1174 auf der Poppenbütteler Straße, 697 auf der Ochsenzoller Straße und 216 auf der Tangstedter Landstraße.

Die 22.284 bisher erwischten Verkehrssünder auf der Niendorfer Straße sorgen dafür, dass deutlich mehr Bußgelder in die Stadtkasse fließen als in den vergangenen beiden Corona-Jahren. Die Stadt liegt mit ihrer Prognose für 2022 bei den Bußgeld-Einnahmen mit knapp 1,6 Millionen Euro nur unwesentlich unter dem Haushaltsansatz von 1,7 Millionen Euro – 2020 und 2021 waren es jeweils nur etwas mehr als 900.000 Euro.

Zahlen, die aus der Verkehrsüberwachung in Norderstedt den Bereich im Rathaus mit dem höchsten Kostendeckungsgrad machen: Bei 825.3000 Euro an Kosten für Ordnungsamtsmitarbeitende und die Leasing-Raten der Überwachungstechnik liegt der in diesem Jahr bei fast 190 Prozent.