Norderstedt. Derzeit großer Ansturm auf Beratung: Menschen in Norderstedt sorgen sich etwa wegen steigender Strompreise um ihre Zukunft.

Was ist, wenn meine Heizung kaputt geht? Dürfen die Versorger ihre Preise für Strom einfach so verdreifachen? Wie soll ich leben, wenn das Geld nicht mehr reicht? Die Verbraucherberatung erlebt einen Ansturm wie selten zuvor. „Im Vergleich zur üblichen Anzahl der Anfragen, hat sich das Aufkommen jetzt verdoppelt“, sagt Heike Vogel, die die Einrichtung in Norderstedt leitet. Die hohe Inflation und die explodierenden Energiekosten treiben die Norderstedter in die Beratungsstelle.

„Da gibt es jede Menge fachliche Fragen. Wir spüren aber in den Gesprächen auch existenzielle Ängste, Lebensmittel nicht mehr bezahlen zu können oder, dass das Gas abgeschaltet wird“, sagt die Verbraucherberaterin, die gemeinsam mit ihrem Team und den Fachleuten der Verbraucherzentrale, Juristen und Energieberatern, versucht, aufzuklären, Tipps zu geben und Ängste zu nehmen. Und das gleich bei mehreren Themen. Die starke Nachfrage habe dazu geführt, dass es für einen Termin bei einem der Energieberater Wartezeiten bis in den Juli hinein gibt.

Strom Norderstedt: Hohe Kosten auch für Mieter

„Da sind zum einen die Eigentümer, die verunsichert sind, weil die Bundesregierung Auflagen für die energetische Sanierung plant“, sagt Heike Vogel. Der Plan von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sieht unter anderem vor, dass ab 2024 jede neu eingebaute oder ausgetauschte Heizung mindestens zu 65 Prozent erneuerbare Energien nutzen muss – das funktioniere mit Wärmepumpen, Solarthermie oder Holzpellets. Das komme bei manchem so an, dass er auf jeden Fall seine Heizung erneuern muss, sagt Vogel.

Die Bundesregierung will die Vermieter an den Heizkosten beteiligen.
Die Bundesregierung will die Vermieter an den Heizkosten beteiligen. © epd | Heike Lyding

Doch die schon bestehende Pflicht, die Heizung nach 30 Jahren zu ersetzen, gelte nicht für Eigentümer von Ein- und Zweifamilienhäusern, die schon lange in ihrer Immobilie wohnen. „Doch die Details der gesetzlichen Vorgaben sind nicht immer bekannt“, sagt Heike Vogel.

So sei ein besorgtes älteres Ehepaar in die Beratung gekommen und habe gesagt, dass es mit der Heizung alt werden wolle. Geld für eine Heizung hätten sie nicht. Thema sei auch der Beschluss der Bundesregierung, die Vermieter künftig an den Energiekosten zu beteiligen.

Energiepreise: Angst vor der nächsten Nebenkostenabrechnung

Auch mit rechtlichen Fragen sei das Team konfrontiert: Dürfen die Versorger die Preis für Gas und Strom kurzfristig anheben, ohne die Verbraucher vorher zu informieren? Ist jede Erhöhung gerechtfertigt? Hinzu käme Probleme beim Wechsel des Energieanbieters beispielsweise, ob und wie lange eine Preisgarantie gilt. „Und dann melden sich bei uns natürlich Mieter, die befürchten, dass sie die nächste Nebenkostenabrechnung in finanzielle Schwierigkeiten bringen wird“, sagt die Norderstedter Verbraucherberaterin.

Und: Viele Mieter hätten nicht im Blick, was da an hohen Kosten auf sie zukommen wird. Ihr Rat: Jetzt schon Kontakt zum Vermieter aufnehmen und eventuell höhere Abschläge vereinbaren. Die Verbraucherzentrale erarbeite dazu gerade ein Musterschreiben.

Tipps und Informationen zum Thema Energie und Energiesparen finden die Bürger online unter www.verbraucherzentrale.sh/wissen/energie. Sparen lasse sich auch beim Einkaufen. „Nicht hungrig losgehen und sich eine Liste machen. Das vermeidet, dass Produkte gekauft werden, die nicht nötig sind“, sagt Heike Vogel. Grundnahrungsmittel , die selbst zubereitet werden, seien oft günstiger als verarbeitete Erzeugnisse. „In jedem Fall herrscht jede Menge Aufklärungsbedarf“, resümiert Heike Vogel.

Schuldnerberater sprechen von der Ruhe vor dem Sturm

Bei den Schuldnerberatungsstellen sind stark gestiegenen Kosten für Wärme, Elektrizität und Lebensmittel kein großes Thema – noch nicht. Horst Wördehoff, Leiter der Awo-Schuldnerberatung in Norderstedt spricht von der Ruhe vor dem Sturm: „Spätestens, wenn die Mieter ihre nächste Betriebskostenabrechnung in den Händen halten, wird da eine Welle von Anfragen und Problemen auf uns zu rollen.“ Da werde es für viele richtig eng.

Die Preise für Lebensmittel sind auch in Norderstedt deutlich gestiegen.
Die Preise für Lebensmittel sind auch in Norderstedt deutlich gestiegen. © dpa | Moritz Frankenberg

Gerade Menschen in Hartz IV bekommen zwar Geld vom Staat, müssen aber ihren Strom selbst zahlen. Auch Geringverdiener treffe die Kostenexplosion hart. „In der Beratung haben wir überwiegend Armutsschuldner, Männer und Frauen, die keine Rücklagen bilden können“, sagt Wördehoff. Da müsse man dann prüfen, ob und wie sich Ausgaben reduzieren lassen. Die Folge könne auch eine Privatinsolvenz sein.

Finanzielle Engpässe durch hohe Stromkosten in Norderstedt

Anzhelika Friedrichs und ihre Team von der Schuldnerberatung des Diakonischen Werks in Norderstedt sind momentan noch dabei, die Folgen der Coronapandemie abzuarbeiten. Rat suchten vor allem Selbstständige und Freiberufler wie der Friseurmeister, der sein Geschäft aufgeben musste.

In jedem Fall sollten alle, denen finanzielle Engpässe beispielswiese durch hohe Stromkosten drohen, frühzeitig bei der Schuldnerberatung melden, „lieber früher als später“, wie Anzhelica Friedrichs sagt. So lasse sich möglicherweise eine Verschuldung verhindern oder reduzieren.