Norderstedt. Warum die Linke nun „Energiearmut fürchtet“ und Norderstedt „sehenden Auges“ in die Katastrophe laufen sieht.
Angesichts extrem steigender Energiepreise hatte die Fraktion Die Linke einen „Härtefallfonds-Energie“ für Norderstedt gefordert. Doch im Hauptausschuss der Norderstedter Stadtvertretung ist der Fonds nun politisch gescheitert. CDU, Wir in Norderstedt (WiN) und die AfD verweigerten der Idee der Linken die Zustimmung. Ihre sieben Nein-Stimmen standen gegen die sieben Ja-Stimmen von SPD, Grünen, Freie Wähler und Die Linke – ein Patt und damit nach Kommunalrecht abgelehnt.
Am Morgen nach der Entscheidung teilt Linke-Fraktionschef Miro Berbig heftig in Richtung der Christdemokraten und der WiN aus. „Die CDU lässt Norderstedt im Stich“, sagt Berbig. „Man kann natürlich gegen etwas sein, aber ohne auch nur einen Ansatz zur Lösung des Problems beizutragen und sich, wie es die WiN üblicherweise tut, schlicht der Verantwortung zu entziehen, das ist schon schwach!“
Energiepreise Norderstedt: „Bürger im Stich gelassen!“ – Härtefallfonds gescheitert
Berbig hatte in seinem Antrag einen zunächst auf 500.000 Euro bezifferten Fonds gefordert. Er sollte Menschen und Unternehmen bezuschussen, die künftig möglicherweise mit der Bezahlung ihrer Energie.-Rechnungen überfordert sind und verhindern, dass die Stadtwerke Strom-, Gas- und Wassersperren durchsetzen müssen.
Die Stadtverwaltung sollte beauftragt werden, die Gesamtzahl der jeweiligen Sperren zu ermitteln, Kriterien für Härtefälle und den antragsberechtigten Personenkreis zu definieren und eine mögliche „Doppelförderung“ durch Landes- oder Bundesmittel auszuschließen – ein Leistungspaket, dass in der Sitzung von Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder mit Verweis auf die Personalsituation kritisch gesehen wurde.
„Energiearmut“: Politik dürfe sich nicht „wegducken“
Berbig forderte außerdem einen Runden Tisch bis spätestens Oktober 2022, an dem sich Politik, Stadtverwaltung, Stadtwerke und zivilrechtliche Organisationen über Themen wie „Energiearmut“, Wohnungsnot und Armutsbekämpfung abzustimmen. Außerdem sollten die Stadtwerke gebeten werden, eine Stabsstelle gegen „Energiearmut“ einzurichten, die kulante Zahlmodelle bei Energieschulden gewährt.
„Politik heißt, gestalten und Verantwortung zu übernehmen, sich wegducken und die Augen verschließen kann nicht die Lösung sein“, sagt Berbig. „Wir haben in Norderstedt die Möglichkeiten und sollten sie nutzen und nicht auf Lösungen aus Kiel oder Berlin warten. Nun laufen wir Dank der CDU auch in Norderstedt sehenden Auges in die Katastrophe.“
CDU Norderstedt: „Zu viele Ungereimtheiten im Antrag“
Der CDU-Fraktionschef Peter Holle sieht sich der Kritik zu Unrecht ausgesetzt. „Wir sind ja nicht grundsätzlich gegen die Idee. Und wir sind dafür, rechtlich prüfen zu lassen, welche Hilfsangebote möglich sind. Doch der konkrete Antrag enthielt so viele Ungereimtheiten, dass wir ihm nicht zustimmen konnten.“ Unklar sei, wie lange der Fonds laufen soll und wie viel Geld in ihn mittel- oder langfristig fließen soll.
„Wie sieht es mit Kunden der Stadtwerke aus, die sonstwo leben? Die müssten explizit ausgenommen sein. Denn wir wollen ja nur Norderstedter unterstützen, für die ganze Welt können wir nicht bezahlen“, sagt Holle.
CDU Norderstedt: Grundsätzlich sind die Christdemokraten für Hilfe
Er empfindet den Antrag außerdem als ein in dieser Situation falsches Signal auf dem Energiemarkt. „Wer finanziell schwach auf der Brust ist, könnte dadurch animiert werden, gerade jetzt einen Vertrag bei den Norderstedter Stadtwerken abzuschließen – denn im Ernstfall ist er dann ja sicher.“ Auch für Holle ist das Thema nun nicht vom Tisch. Es müsse diskutiert und nachjustiert werden.
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Reimer Rathje, Fraktionschef von Wir in Norderstedt, sieht bei dem Thema andere in der Pflicht. „Für uns ist das ganz klar ein Thema für Land und Bund. Wenn wir als Kommunen solche Programme auflegen, denken die, dass alles läuft und legen dann nicht mehr nach.“
Energiepreise Norderstedt: WiN sieht Land und Bund in der Pflicht
Norderstedt hingegen müsse in den kommenden Jahren „eine Milliarde in die Sanierung und den Bau von Schulen und anderen öffentlichen Gebäuden stecken“. Für Härtefallfonds bleibe da kaum Spielraum. „Sozialhilfebezieher sind ja sowieso über ihre Leistungen abgesichert. Und bei anderen Härtefällen wissen wir ja noch gar nicht, über wie viele Menschen wir reden und welche Summen nötig sein werden“, sagt Rathje.
Die WiN habe sich von Linken und Grünen unter Druck gesetzt gefühlt. „Von wegen, es müsse sofort eine Entscheidung her, noch vor September.“ Dabei, so Rathje, komme die Endabrechnung für die Energiekosten erst im kommenden Jahr. Auch für ihn sei das Thema grundsätzlich nicht vom Tisch. „Erst mal schauen, welche Situation sich ergibt. Und dann entscheiden wir, was nötig ist.“