Borstel. Das Forschungszentrum Borstel erforscht seit 1947 Tuberkulose – leistet inzwischen aber noch viel mehr. Ein Besuch zum Geburtstag.

Ein und aus, ein und aus. Ein Mensch atmet in seinem Leben unzählige Male Luft ein, um die Versorgung der Lunge sicherzustellen. Doch was passiert in diesem so wichtigen Organ? Und was geschieht, wenn die Lunge nicht funktioniert? Das weiß kaum jemand besser als die Spezialisten des Forschungszentrums Borstel, die am Wochenende den 75. Geburtstag der Einrichtung gefeiert und Tausende Bürger über ihre Arbeit informiert haben.

Zu den beliebtesten Attraktionen gehörte ein begehbares Modell des Organs. Viele Besucher waren überrascht: So sehen also die Bronchien und die Kapillaren aus, diese Funktionen übernehmen Zwerchfell und Luftröhre – oder auch nicht, wenn die Lunge krank ist.

Forschungszentrum Borstel: Viele Anfragen aus Deutschland und Ausland

„Wir können mit Stolz auf diese 75 Jahre blicken“, sagt Prof. Ulrich Schaible, Leiter der Forschungsgruppe in Borstel. In seiner Geschichte hat sich Borstel zu einem international anerkannten Wissenschaftsstandort mit 350 Mitarbeitern entwickelt.

Seit 75 Jahren werden im Forschungszentrum Borstel die Lunge und Krankheiten, die das Organ bedrohen, erforscht.
Seit 75 Jahren werden im Forschungszentrum Borstel die Lunge und Krankheiten, die das Organ bedrohen, erforscht. © imago images/Imagebroker

„Im Bereich Tuberkulose ist Borstel europaweit ein Leuchtturm“, sagt Schaible. Auch national gehört das Forschungszentrum zu den wichtigsten Instituten, die sich mit der Lunge und ihren Krankheit beschäftigen. Wer in Deutschland oder im benachbarten Ausland einen Tuberkulose-Erreger diagnostizieren will, wendet sich an das nationale Referenzzentrum für die Krankheit, das im Forschungszentrum seine Heimat hat.

Borstel: Wissenschaftler beschäftigen sich auch mit Corona und Pollenflug

Die Fachleute untersuchen nicht nur den Erreger und bestimmen seine Resistenz, sondern liefern auch gleich Empfehlungen für die Therapie der Patienten mit. Bis vor einem Jahr wurden im Krankenhaus des Forschungszentrums ebenfalls Patienten behandelt, doch die Stationen wurden aus Kostengründen geschlossen.

Nur die Ambulanz blieb erhalten. Dort werden nicht nur Patienten mit einer Tuberkulose behandelt, sondern auch Menschen mit Asthma, mit der chronischen Lungenschwäche COPD und auch in einzelnen Fällen mit Corona Borstel hatte sich insbesondere auf die Behandlung schwerer Fälle konzentriert.

Viele Einrichtungen im Forschungszentrum sind kaum bekannt, aber sie haben einen internationalen Ruf:

  • Das Forschungszentrum verfügt über eine der größten Sammlungen von Mykobakterien, die für eine Erkrankung mit Tuberkulose verantwortlich sind.
  • Die Forscher analysieren den Pollenflug, der häufig zu Allergien der Atemwege führt, und informiert als eines von zwei deutschen Instituten die Vorhersagedienste mit Daten. „In Zeiten des Klimawandels wird diese Arbeit immer wichtiger“, sagt Schaible.
  • Die Wissenschaftler arbeiten mit anderen an der Entwicklung von Medikamenten und anderen Behandlungsmethoden gegen Corona.

Doch wie kam es dazu, dass sich auf dem Land ein Forschungszentrum von so herausragender Bedeutung entwickeln konnte? Auch dazu lieferte das Institut seinen Besucher am Wochenende viele Antworten.

Forschungszentrum Borstel: Im Gründungsjahr 1947 war Tuberkulose weit verbreitet

Prof. Ulrich Schaible leitet in Borstel die Forschungsgruppe 
Prof. Ulrich Schaible leitet in Borstel die Forschungsgruppe  © Wolfgang Klietz

Gegründet wurde die Forschungseinrichtung 1947, in einer Zeit, als die Tuberkulose eine weit verbreitete Infektionskrankheit war. „Tuberkulose Forschungsinstitut“ nannte sich das Lungenzentrum, das auf dem Gelände des historischen Gutes Borstel gegründet und um eine lokale Tuberkulose-Klinik ergänzt wurde.

Zentrum des weitläufigen Geländes ist das markante historische Herrenhaus aus dem Jahr 1751, das unter Denkmalschutz steht und sich als Wahrzeichen des Forschungszentrums eingeprägt hat.

In den folgenden Jahren beschäftigten sich Borsteler Wissenschaftler auch mit anderen entzündlichen Lungenkrankheiten. Noch immer sind nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation Lungenerkrankungen die zweithäufigste Todesursache.

Wissenschaftler wollen mit dem UKSH zusammenarbeiten

Eine besonders Auszeichnung erhielt das Zentrum im Jahr 2003, als es die Leibniz-Gemeinschaft integriert wurde und seitdem als eines von drei Leibniz-Instituten in Schleswig-Holstein aktiv ist.

Schaible geht davon aus, dass das Forschungszentrum auch weiterhin seine Bedeutung behalten wird. Weitere Kooperationen sind bereits geplant. Schaible und seine Kollegen arbeiten an einem Vertrag über die Zusammenarbeit mit dem Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), das die Versorgung von Tuberkulosekranken übernehmen wird und dabei auf das Fachwissen aus Borstel setzt.

Weitere Informationen zur Geschichte und die Arbeit präsentiert das Forschungszentrum auf seiner Homepage.