Borstel. Lungenfachklinik am Forschungszentrum Borstel macht dicht. Pflegepersonal ist freigestellt, darf aber nicht anderswo arbeiten.
Ende des Jahres macht die Lungenfachklinik am Forschungszentrum Borstel (FZB) dicht. Die meisten Ärztinnen und Ärzte sind bereits fort, das Pflegpersonal ist mit Aufräumarbeiten beschäftigt. Der letzte Patient hat die Klinik am 25. November verlassen. Da in Schleswig-Holstein und Hamburg keine Klinik gefunden werden konnte, die zur Übernahme des Patienten bereit war, musste der letzte Tuberkulose-Kranke aus Borstel kurzfristig ins 330 Kilometer entfernte Berlin verlegt werden. Dort befindet er sich in der Klinik für Pneumologie des Emil von Behring Krankenhauses.
"Wir hätten es sehr gerne gesehen, wenn dieser Patient weiterhin in Schleswig-Holstein behandelt worden wäre, damit wir eine Mitbetreuung bei einer hochexperimentellen Therapie, die er erhält, weiterhin hätten gewährleistet können", sagte Professor Christoph Lange, der medizinische Direktor des Forschungszentrums. Der Tuberkulosekranke ist Mitte 30 und wird seit drei Jahren in Borstel behandelt. Am UKSH in Kiel wir der Bau einer Tuberkulosestation erwogen, damit Patienten wie dieser auch zukünftig in einer Leibniz Lungenklinik behandelt werden können.
Durch Wegfall der Infektionsstation ist ein Vakuum entstanden
Am Donnerstag ist der medizinische Direktor des FZB persönlich nach Berlin gereist, um den Patienten mit notwendigen medizinischen Geräten, Medikamenten und einigen persönlichen Dingen zu versorgen. Im Emil-von-Behring- Krankenhaus überbrückt der Tuberkulosepatient die Zeit, bis in Kiel die Voraussetzungen für eine medizinische Versorgung für ihn gegeben sind. "Ich hätte ihn gern in Kiel weiterbehandelt", sagt der Professor. "Ein großes Dankeschön an die Kollegen in Berlin, die übernommen haben.
Wir brauchen dringend eine Entscheidung für den Bau einer spezialisierten Infektionsstation für die Behandlung solcher Tuberkulosepatienten in Schleswig-Holstein, auch um die sehr erfolgreiche Zusammenarbeit mit der klinischen Forschung am Forschungszentrum Borstel fortsetzen zu können. Durch den Wegfall der Infektionsstation in Borstel ist ein Vakuum in der Versorgung der von Patienten mit komplizierten Tuberkuloseerkrankungen in Deutschland entstanden. Hier gibt es dringenden Handlungsbedarf."
Die Medizinische Lungenfachklinik mit 81 Betten gehört zum Forschungszentrum Borstel, dem Lungenforschungszentrum der Leibniz-Gemeinschaft. Dessen Kuratorium, in dem Vertreter des Landes und des Bundes die Mehrheit haben, hatte im Sommer beschlossen, die Klinik Ende des Jahres aus wirtschaftlichen Gründen zu schließen. Aufgrund ihrer Größe und der gesundheitspolitischen und -ökonomischen Rahmenbedingungen sei der weitere Betrieb nicht ohne erhebliche wirtschaftliche Verluste zu gewährleisten, hieß es.
2800 Patienten pro Jahr wurden in Borstel stationär behandelt
Die Lungenfachklinik war das einzige Krankenhaus zur Entwöhnung von Beatmungsmaschinen in Schleswig-Holstein und eines von zwei Zentren für Infektiologie für seltene Lungenerkrankungen im Land. Etwa 2800 Patienten pro Jahr wurden in Borstel stationär, rund 4500 ambulant behandelt. "Es ist kaum vermittelbar, dass man mitten in der vierten Welle eine Lungenfachklinik mit bis zu zwölf Intensivbetten und eine von zwei zertifizierten Weaning-Stationen im Land schließt", sagt Lange.
Die Intensivbetten in Borstel sind nicht belegt, das Pflegepersonal ist gekündigt. Die Kündigungsfristen bei den vielen langjährig Beschäftigten im Hause dauern bis Ende März 2022. Bis dahin sind diese Mitarbeiter:innen freigestellt. Das bedeutet: Sie dürfen nicht woanders arbeiten, wenn sie nicht auf die Entschädigungen aus dem Sozialplan verzichten möchten – in Zeiten, in denen an allen Ecken und Enden Pflegepersonal fehlt, ist das nur schwer nachvollziehbar.
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Die enge Verzahnung der Lungenfachklinik mit dem Forschungszentrum war in den vergangenen Jahren essenziell für wissenschaftliche Spitzenleistungen am Forschungszentrum Borstel, betont der medizinische Direktor. "Die klinische Tuberkulose-Forschung gehört zu den wissenschaftlichen Leuchttürmen in Schleswig-Holstein. Ohne Fragen am Krankenbett zu generieren, diese mit Kolleginnen und Kollegen aus den Forschergruppen zu besprechen, Lösungen zu entwickeln und diese wiederum zum ersten Mal beim Menschen anzuwenden, kann diese Forschung nicht fortgeführt werden."
Künftig soll die mit der Krankenversorgung verbundene translationale Forschung unter Trägerschaft des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) in wissenschaftlicher Zusammenarbeit mit der medizinischen Fakultät der Kieler Christian-Albrechts-Universität sichergestellt werden. Dazu baut das Land eine Leibniz Lungenklinik am UKSH in Kiel und erwägt auch den Bau einer Infektionsstation.