Norderstedt. Prozess in Kiel: Wie Kriminelle einen professionellen Handel mit Kokain, Marihuana, Amphetamin und Ecstasy aufzogen.
Es ist der spektakulärste Fall illegalen Drogenhandels in Norderstedt seit Jahrzehnten: Eine laut Staatsanwaltschaft gut organisierte Bande von Drogendealern hatte 2021 einen offenbar gut eingespielten Drogen-Lieferservice in Norderstedt und Umgebung und im Hamburger Norden aufgebaut. Mit dem sogenannten „Koks-Taxi“ belieferten die Dealer angeblich einen treuen Kundenstamm im vierstelligen Bereich. Doch der Drogenring flog auf.
Am Montag standen nun fünf Mitglieder der Bande vor der 5. Strafkammer des Landgerichtes in Kiel. Der 26-Jährige S. und der 40-jährige H. kamen direkt aus der Untersuchungshaft in den Gerichtssaal. Dazu stießen auf der Anklagebank der 55-jährige B., der 27-jährige B. und der 41-jährige W.
Landgericht Kiel: „Koks-Taxi“ – Norderstedter Drogenbande lieferte frei Haus
Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen den bandenmäßigen Handel von nicht geringen Mengen illegaler Betäubungsmittel vor. Wenn die auf sieben Verhandlungstermine bis Ende September angesetzte Hauptverhandlung die Schuld des Quintetts nachweist, dann drohen den Männern mehrjährige Haftstrafe von nicht unter fünf Jahren.
Zum Auftakt des Prozesses am Montag wurde lediglich die Anklageschrift verlesen. Dabei erfuhr die Öffentlichkeit, wie der illegale Lieferservice organisiert wurde.
Drogen wurden in Päckchen zu 50 Euro verkauft
Statt Pizza, Pasta oder Hühnchen-Süßsauer soll das „Koks-Taxi“ Kokain, Marihuana, Amphetamine und Ecstasy unter die Konsumenten gebracht haben. Laut Anklage soll die Bande die Drogen in kleine Einheiten verpackt haben, die jeweils für 50 Euro verkauft wurden. Dafür bekam man entweder 0,5 Gramm Kokain, fünf Gramm Marihuana, acht Gramm Amphetamine oder acht Ecstasy-Tabletten. Die Kundschaft hatte offenbar die Nummer des „Koks-Taxis“ – und bei Anruf wurden die Drogen frei Haus geliefert.
Allerdings handelt es sich bei den Tätern nicht um Taxifahrer, wie der Name „Koks-Taxi“ vermuten lässt. Vielmehr nutzten die Männer zum Ausliefern Privatautos oder Mietwagen. Damit fuhren sie laut Anklage hauptsächlich die Kundschaft in Norderstedt und der näheren Umgebung an. Aber auch Abnehmer in Kaltenkirchen, Bad Bramstedt oder dem Hamburger Norden nutzten die Dienste des Norderstedter „Koks Taxis“.
Handel florierte inmitten der Corona-Pandemie
20 Einzeltaten wirft die Staatsanwaltschaft den fünf angeklagten Männern vor. Begangen worden sein sollen sie in einem Zeitraum zwischen Mai und Dezember 2021.
Und offenbar florierte das Geschäft – inmitten der Corona-Pandemie. Laut Anklage sollen die Männer etwa 90.000 Euro monatlich durch die Taten umgesetzt haben. Was bedeuten würde, dass sie Monat für Monat etwa 1800 der kleinen Drogen-Päckchen zu je 50 Euro verkauft haben müssten.
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Während die Bande in Norderstedt und im Norden auslieferte, waren ihnen die Ermittler von der Kriminalpolizei Norderstedt schon auf den Fersen. Über Monate liefen die verdeckt geführten Ermittlungen, ehe die Fahnder schließlich am 8. Dezember acht Durchsuchungsbeschlüsse vollstreckten, unter anderem in Norderstedt.
Vierstellige Anzahl an Konsumenten bestellte
In den Wohnungen und Häusern der Angeklagten bestätigten sich die Verdachtsmomente. Die Beamten hoben das Lager des „Koks-Taxis“ aus: Mehrere Hundert Gramm Kokain wurden gefunden, dazu mehrere Kilogramm Cannabis und Amphetamin sowie Ecstasy-Pillen. Die sichergestellten Drogen hatten einen Verkehrswert von 75.000 Euro.
Mehr als 100 Polizeibeamte – unter anderem auch Spezialkräfte des Landes Schleswig-Holstein – waren an dem Einsatz beteiligt. Bei den Durchsuchungen fanden sie neben den Drogen auch Hieb- und Stichwaffen sowie eine scharfe Schusswaffe.
Norderstedt: Sechs Verhandlungstermine folgen
Die hohe Anzahl an Konsumenten, die vom Norderstedter „Koks-Taxi“ bedient wurde zeigt, wie groß das Potenzial für die Händler offenbar ist. Die Drogen-Kriminalität verzeichnet entsprechend in Schleswig-Holstein einen steigenden Trend. Laut der aktuellen Kriminalstatistik des Landes haben die Fälle von Rauschgiftkriminalität im vergangenen Jahr deutlich zugenommen.
Die Statistik führt 11.693 Fälle auf, was ein Plus um 4,4 Prozent im Vergleich zu 2020 bedeutet. Besonders die Fälle von illegaler Herstellung sowie Abgabe und Besitz in großer Menge ist mit 7885 Fällen im Zehn-Jahres-Vergleich auf einem Höchststand. Und: Die Zahl der Drogentoten hat in der Pandemie einen Höchststand erreicht. Im Jahr 2020 waren es 63 Menschen, so viel wie noch nie zuvor, 2021 waren es 58.