Hamburg. Der 54-Jährige soll seine ältere Schwester mit 80 Messerstichen brutal getötet haben. Seit Freitag muss er sich vor Gericht verantworten.

Die Stimmung ist bedrückt, als Richterin Birgit Woitas den Prozess im Hamburger Landgericht eröffnet. Der angeklagte Wolfgang P. hat die lockigen Haare zu einem Zopf zusammengebunden, er trägt eine Brille, bedeckt sein Gesicht mit einem Mund-Nasenschutz. Auf der anderen Seite des Saals sitzt Celina P., seine Nichte – die Tochter seiner Schwester, die er im Februar in Bergedorf erstochen haben soll. Gemeinsam mit ihrem Bruder Pascal nimmt Celina P. als Nebenklägerin am Prozess teil. Totschlag lautet der Vorwurf, die Motive der Tat sind bisher unklar.

Am 17. Februar 2022 soll der 54-jährige Wolfgang P. seiner Schwester Astrid P. morgens zwischen 9.15 und 10.30 Uhr mindestens 80-Mal ein Küchenmesser schnell und kraftvoll in die linke Brustregion gerammt haben. Die beiden hatten sich in ihrem Elternhaus am Grasredder 37 am Rand des Bergedorfer Villengebiets getroffen, um das Haus zu entrümpeln. Anfang des Jahres war es verkauft worden, nachdem dort über zwölf Jahre lang niemand gewohnt hatte, so Kai Wantzen, Pressesprecher des Oberlandesgerichts Hamburg.

Prozess Hamburg: Mann soll Schwester erstochen haben – Vater findet Tote

Astrid P. erlitt bei dem Angriff 26 Stichverletzungen, die bis zu zwölf Zentimeter tief waren. Sie versuchte laut Anklage, die Stiche mit den Armen abzuwehren, wobei der Täter ihr auch an Händen und Armen zahlreiche Schnitte zufügte. Zwei der tödlichen Stiche trafen das Herz der Frau – sie verblutete. Wolfgang P. wird vorgeworfen, mit Tötungs­absicht gehandelt zu haben. „Bezüglich der Tat zeigte Wolfgang P. sich umfänglich geständig“, so Woitas. Zu den Hintergründen äußerte er sich bisher nicht.

Die erste Sitzung des Prozesses am Freitag wurde bereits nach 15 Minuten geschlossen – gleich nach Verlesung der Anklage. Kai Wantzen offenbart jedoch weitere Details: Unmittelbar nach der Tat soll Wolfgang P. sich von seinem ehemaligen Elternhaus entfernt haben. Zur Mittagszeit warf der gebürtige Hamburger sich dann in Reinbek vor ein fahrendes Auto – womöglich mit Suizidabsicht. Er erlitt keine schweren Verletzungen, wurde mit einem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht. Noch am selben Tag setzten Polizeibeamte den Verdächtigen fest – der Haftbefehl wurde einen Tag später erlassen.

Den leblosen Körper von Astrid P. fand ihr eigener Vater am Tag der Tat auf dem Wohnzimmerboden des Einfamilienhauses. Der Mann wird am übernächsten Prozesstag, 7. September, um 13 Uhr aussagen.

Mann soll Schwester erstochen haben – Anklage auf Totschlag

Die Geschwister hatten das Haus 2009 von ihrer Mutter geerbt, nachdem diese verstorben war. Wolfgang P. hatte sich bereits 2021 längere Zeit dort aufgehalten, um vor dem anstehenden Verkauf aufzuräumen. Zwei Tage vor der Tat soll auch Astrid P. zum Grasredder 37 gekommen sein, um ihrem jüngeren Bruder bei der Entrümpelung zu helfen.

„Ob und welche Streitigkeiten es zwischen den beiden gab, ist unklar“, sagt Kai Wantzen. Keiner der in Bergedorf befragten Zeugen gab an, von einem Konflikt gewusst zu haben. Derzeit bestehe der Verdacht auf eine Affekttat – daher lautet die Anklage bisher auf „Totschlag“ und nicht etwa „Mord“.

Für den Prozess sind aktuell weitere sechs Termine mit einer Dauer von bis zu viereinhalb Stunden angesetzt. Weiter geht es zunächst am 31. August um 12 Uhr. In den Sitzungen sollen Sachverständige sowie Familienmitglieder und Polizeibeamte aussagen.