Norderstedt. Wie Hobbyhistoriker Gerd Meincke und der Lions Club Norderstedt ein 77 Jahre altes Rad für besonders schwere Jungs retteten.

Ein bewegtes Stück Norderstedter Geschichte ist wieder in der Stadt: Hobbyhistoriker Gerd Meincke und Mario D. Fejes vom Lions Club Norderstedt haben das „Gefangenentransportfahrrad“ des Harksheider Tüftlers Franz Becker aus dem Jahr 1945 aus einem privaten Zweiradmuseum in Heide nach Norderstedt überführt.

„Das Rad ist hervorragend erhalten, wir müssen es nur putzen und polieren“, sagt Mario D. Fejes und strahlt mit Gerd Meincke um die Wette. Sechs dieser Räder hatte der Fahrradtüftler und Schlosser Becker offenbar gebaut. Bis in die 1960er-Jahre hatte Becker ein Motorrad- und Fahrradgeschäft mit Werkstatt an der Ulzburger Straße in Nähe des Schmuggelstiegs.

Norderstedt: Kurioses Knast-Rad ist ein Stück Stadtgeschichte

Die kuriosen Räder wurden offenbar von der Polizei benötigt. Die hatte damals keine Autos, um verurteilte Straftäter ins Gefängnis Glasmoor zu transportieren. Die Räder für drei Personen lösten das Problem: Am Lenker saß ein Polizist, hinten saß ein zweiter Polizist und in der Mitte, etwas niedriger, der Gefangene.

Gerd Meincke spürte eines der sechs Gefangenen-Fahrräder in einem privaten Zweirad-Museum in Ostrohe bei Heide in Dithmarschen auf. Das Museum aber wollen die Erben des vor einigen Jahren verstorbenen Besitzers Walter Thede jetzt auflösen. Mehr als 40 Jahre sammelte der ehemalige Landwirt und gelernte Schlosser deutsche Zweiräder.

Lions Club Norderstedt übernahm die Kosten für das Rad

Als Mario D. Fejes im Hamburger Abendblatt von Meinckes Fund las, entschied er sich dabei zu helfen, das historische Rad zurück nach Norderstedt zu holen. Er sicherte Meincke zu, dass der Lions Club Norderstedt den Rückkauf des Fahrrads finanzieren würde.

Meincke organisierte schnellstens einen Anhänger und fuhr mit Fejes ins Zweiradmuseum nach Heide. Mit den Inhabern des Museums waren sich die beiden Norderstedter rasch handelseinig geworden. Für einen Preis von 1500 Euro konnte das Rad nach Norderstedt wechseln. Besonders freut sich der derzeitige Lions-Club-Präsident Klaus Belau. „Er ist ehemaliger Kriminal-Hauptkommissar“, sagt Fejes.

Wir das Rad im Museum des JVA Glasmoor zum Stehen kommen?

Gefangenentransportfahrrad von 1945, gebaut von Franz Becker, Finder Gerd Meincke, Lions Club Mitglied Mario D. Fejes (gelbes Shirt). Copyright Foto: Heike Linde-Lembke
Gefangenentransportfahrrad von 1945, gebaut von Franz Becker, Finder Gerd Meincke, Lions Club Mitglied Mario D. Fejes (gelbes Shirt). Copyright Foto: Heike Linde-Lembke © Heike Linde-Lembke | Heike Linde-Lembke

Doch wo wird das Gefangenentransportrad nun zum Stehen kommen? Das Norderstedter Stadtmuseum indes hielt sich bis jetzt bedeckt. So kam Gerd Meincke auf die Idee, das Rad dem Gefängnis-Museum der Justizvollzugsanstalt Glasmoor zum Jubiläum bei der Feier des 100-jährigen Bestehens der 1922 eingerichteten Anstalt am 28. August zu überreichen. Als Leihgabe.

„Ich stelle mir vor, dass Norderstedter Prominente in zwei geliehenen Polizei-Uniformen oder richtige Norderstedter Polizisten mit einer bekannten Norderstedterin als Gefangene auf dem Fahrrad zur Jubiläumsfeier bei der Vollzugsanstalt vorfahren“, sagt Gerd Meincke. Die alten Polizeiuniformen will ihm Georg Sellhorn, Leiter der Plattdütschen Bühn’ Tangstedt, aus dem Theaterfundus für den spektakulären Auftritt borgen.

Klaus Neuenhüsges, ehrenamtlicher Leiter des Museums, war bei ersten Gesprächen mit Gerd Meincke schon begeistert über den eventuellen Zuwachs, zumal auch eine Plakette am Rahmen des Fahrrads mit der Inschrift „FRABECKHARKSHEIDE ULZBURGERSTR.14 Nr. 0006“ auf den Hersteller Franz Becker hinweist. Neuenhüsges will nun aber zunächst prüfen, ob die Fahrräder wirklich im Glasmoor im Einsatz waren – nur dann macht es im Museum der Haftanstalt Sinn.