Norderstedt. Da es nach dem Krieg kaum Autos gab, baute ein Norderstedter Gefangenentransport-Räder – eines davon wurde nun aufgespürt.
Sechs Stück soll Franz Becker gebaut haben. Der Fahrrad-Tüftler aus Harksheide hatte bis in die 1960er-Jahre ein Motorrad- und Fahrradgeschäft mit Werkstatt an der Ulzburger Straße in Nähe des Schmuggelstiegs.
Franz Becker baute auch sechs sogenannte Gefangenentransport-Fahrräder. Sie waren für die Polizei bestimmt, die nach dem Zweiten Weltkrieg keine Autos hatte, um Spitzbuben sicher hinter Schloss und Riegel zu bringen. Sagt jedenfalls Gerd Meincke.
Norderstedt: Per Rad in den Knast – seltsames Fahrrad steht zum Verkauf
Nun hat Norderstedts Hobby-Historiker eines dieser sechs Gefangenen-Fahrräder wieder aufgespürt. In einem privaten Zweirad-Museum in Ostrohe bei Heide in Dithmarschen.
Das Museum aber wollen die Erben des vor einigen Jahren verstorbenen Besitzers Walter Thede aus gesundheitlichen Gründen jetzt auflösen. Mehr als 40 Jahre sammelte der ehemalige Landwirt und gelernte Schlosser deutsche Zweiräder. 1979, als er die Landwirtschaft aufgab, richtete er einen Stall seines Hofs als Museum ein.
- Segeberger Geheimnisse: Norderstedt und der Urknall
- Der Bunker, in dem die Karl-May-Schauspieler Schutz finden
- Hof Meeschensee ist der älteste Bauernhof in Norderstedt
Gefangenentransport-Fahrrad in großer Sammlung aufgespürt
Mehr als 220 Motorräder von BMW, DKW, Goggo, NSU, Triumph bis zur Zündapp der Jahrgänge 1910 bis 1983 und etwa 40 Fahrräder aus den Jahren 1870 bis 1993 stehen dicht gedrängt im Museum, dort, wo einmal Kühe gemolken wurden. Bei den Fahrrädern war Walter Thede wählerisch.
Nur Raritäten durften in seine Sammlung, darunter eben auch das Gefangenentransport-Fahrrad von Franz Becker aus Norderstedt, Baujahr 1945. Vorn und hinten saßen Polizisten, in der Mitte, entgegen der Fahrtrichtung, der Gefangene – so wurden die Ganoven nach dem Krieg per Fahrrad hinter Schloss und Riegel transportiert. Die anderen fünf dieser Becker-Konstruktionen gelten als verschollen.
Hobby-Historiker bietet Besitzern des Fahrrads 1500 Euro
„Ich möchte das Gefangenen-Fahrrad gern wieder nach Norderstedt holen und habe den jetzigen Besitzern, Tochter und Sohn von Walter Thede, spontan 1500 Euro dafür geboten“, sagt Gerd Meincke. Jetzt sucht er Sponsoren für das historische Stück.
Für das Gefangenentransport-Fahrrad gebe es zwei neue Standorte, einmal das Stadt- und Feuerwehrmuseum Norderstedt, zum zweiten das Museum der Justizvollzugsanstalt Glasmoor, das unter Hamburger Verwaltung und, obwohl mitten in Norderstedt gelegen, auf Grund und Boden der Hansestadt steht.
Norderstedt: Gefängnis Glasmoor wurde vor 100 Jahren eröffnet
Gerd Meincke würde am liebsten pünktlich zur Feier des 100. Geburtstags des 1922 eingerichteten Gefängnisses Glasmoor, das zu „Santa Fu“ gehört, mit dem Gefangenen-Fahrrad vor dem historischen Gebäude vorfahren und es dann dem Museum überreichen.
Wen er bei diesem spektakulären Auftritt als „Gefangene“ transportieren will, lässt Meincke noch offen. Eigentlich aber gehört das Fahrrad ins Stadtmuseum, schließlich war der Tüftler Franz Becker ein alter Harksheider Händler.
Sponsor für Gefangenentransport-Fahrrad gesucht
„Das Gefangenentransport-Fahrrad ist eine tolle Sache, und ich hätte das gern im Museum, aber leider habe ich kein eigenes Budget“, sagt Klaus Neuenhüsges, Leiter des 300 Quadratmeter großen Gefängnismuseums und Herr über zahlreiche Exponate.
Das älteste Stück stammt aus dem Jahr 1270. Er könne sich aber gut vorstellen, dass Gerd Meincke einen Sponsor für den Ankauf findet und er somit das legendäre Fahrrad als Leihgabe im Glashütter Gefängnismuseum ausstellen könnte.
Gerd Meincke ist unter 040/526 18 75 zu erreichen. Spenden für das Gefangenentransport-Fahrrad gehen auf das Konto Gerd Meincke, IBAN DE16 2019 0109 0082 7972 10.