Itzstedt/Nahe. Die Nachbargemeinden im Kreis Segeberg wollen zur Landtagswahl über eine gemeinsame Zukunft abstimmen lassen. Was sich dann ändert.
Wenn der neue schleswig-holsteinische Landtag am 8. Mai 2022 gewählt wird, stimmen aller Voraussicht nach zeitgleich die Wahlberechtigten in Itzstedt und Nahe über eine gemeinsame Zukunft ihrer Gemeinden ab. Die Politik beider Orte hatte im September und Oktober 2020 jeweils dafür votiert, dass es zu einem Bürgerentscheid über eine Fusion der Dörfer kommen soll. Die Diskussion hierüber ist einige Jahre alt, nun soll die Debatte beendet werden – so oder so.
„Eigentlich wollten wir den Bürgerentscheid bei der Bundestagswahl durchführen“, sagt Itzstedts Bürgermeister Helmut Thran (SPD). Dazu sei es nicht gekommen – nicht zuletzt, weil die Pandemie viele Abläufe deutlich verzögert hat. „Jetzt geht die Tendenz zur Landtagswahl 2022.“
Fusion: Bürgerinnen und Bürger haben die Wahl
Die grundsätzliche Fragestellung ist simpel, sie hat sich in den letzten zwölf Monaten nicht verändert. „Sind Sie für die Gemeindefusion zwischen Nahe und Itzstedt?“, hatten die Gemeindevertretungen vor einem Jahr formuliert. Als Vorbild dient ein Zusammenschluss der Gemeinde Oeversee (Kreis Schleswig-Flensburg) mit dem Dorf Sankelmark im Jahr 2008 – Thran stammt aus dieser Region. Im gleichen Kreis fusionierten zudem Süderstapel und Norderstapel zur Gemeinde Stapel. Nahe und Itzstedt kommen zusammen auf knapp 5000 Einwohner, sie sind ein ländlicher Zentralort und erhalten jährlich eine sechsstellige Summe des Landes für gemeinsame Projekte. Für 2022 sind 430.152 Euro zugesagt.
Durch eine Fusion würde ein Unterzentrum entstehen – mit doppelten finanziellen Mitteln aus Kiel. Ein Bürgerentscheid ist erfolgreich, wenn die Mehrheit der abgegebenen Stimmen mindestens 20 Prozent aller Wahlberechtigten entspricht. Eine Vermutung, wie die Befindlichkeiten der Menschen in dieser zentralen Frage sind, ist schwer festzustellen. Hinweise könnten öffentliche Inforunden geben.
Fusion: Gemeinden arbeiten in vielen Bereich zusammen
„Bürgerinformationsveranstaltungen sind nicht vorgeschrieben, wären aber angemessen“, so Helmut Thran. „Wir müssten Vereine und Verbände informieren, zu den Jahreshauptversammlungen gehen.“ Knifflig könnte es bei der Freiwilligen Feuerwehr werden, wobei die Ortswehren natürlich bestehen bleiben würden. Als Beispiele, wo die Zusammenarbeit von Bürgerinnen und Bürgern beider Orte bereits gelebt wird, zählt Thran den Sportverein TSV Nahe, die DLRG Itzstedt und die Landfrauen auf.
Holger Fischer (Wählergruppe Dorfgemeinschaft Nahe), der Bürgermeister von Nahe, verweist darauf, dass es nicht nur um das Zusammenrücken von Sport oder Kultur ginge. „Es bedarf Aufklärungsarbeit, gerade für die Unternehmen im Ort, bei Themen wie Steueranmeldungen. Das muss allen gerecht werden.“ Er wünscht sich hierbei noch eine kommunalrechtliche Beratung. Es dürfte auch darum gehen, inwiefern Kosten, die durch eine Fusion für Firmen entstehen könnten, von der öffentlichen Hand übernommen werden. „Und auch, welche Straßennamen umbenannt werden müssten.“ Manche gibt es nämlich sowohl in Itzstedt als auch in Nahe. Damit kämen auf manche Bürger neue Adressen zu.
Fusion: Zeitplan soll noch vor Weihnachten stehen
Der Gemeinschaftsausschuss der Nachbargemeinden trifft sich am Mittwoch, 24. November, um 19.30 Uhr im Juhls Gasthof, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Thran regt ein gesondertes Gremium an, „aus jeder Gemeinde fünf Leute“. Vor Weihnachten soll der Zeitplan bis zum Bürgerentscheid feststehen. Sollte die Bevölkerung – wahlberechtigt sind alle ab 16 Jahren – die Fusion beschließen, wäre bis zur Kommunalwahl im Frühjahr 2023 Zeit, um den formalen Prozess zu vollenden. Denn auch die Parteien und Wählergemeinschaften müssten sich dann neu aufstellen. Denn aus bisher zwei Gemeindevertretungen à 17 Mitglieder entstünde dann eine – mit nur noch 19.
Mitglied im Amt Itzstedt würde auch ein neuer Ort bleiben. Vermutlich wird der Sitz der Verwaltung aber von Itzstedt nach Nahe verlagert. Das hatte der Amtsausschuss mit großer Mehrheit im Juni beschlossen und sich für das Grundstück „Birkenhof“ entschieden. Nun sind die jeweiligen Gemeindevertretungen aufgerufen, ihr Einvernehmen zu erklären – oder eben nicht. So wie Itzstedt.
Fusion: Mehrere 100.000 Euro Einsparungen möglich?
Helmut Thran hatte sich dafür ausgesprochen, den Amtssitz auf dem Gelände des ehemaligen Tennisvereins neuzubauen, also in direkter Nachbarschaft. „Es entfällt der Grunderwerb, es können Teile der vorhandenen Anlage wie der Parkplatz weiter genutzt werden, es entfallen oder reduzieren sich die Erschließungskosten, und der Wert des Waldgrundstückes des Amtes steigt um ein Vielfaches“, führte er aus.
Er schätzt die Einsparmöglichkeit auf 300.000 bis 400.000 Euro, vielleicht sogar „deutlich höher“. Bürgermeister Thran sagt: „Das Argument der besseren Präsenz an der B 432 in Nahe dürfte dann nicht mehr den Ausschlag geben.“
Fusion: Sitz der Verwaltung würde nach Nahe wandern
Ob es zu einer von ihm geforderten Kostenüberstellung kommt, ist aber unwahrscheinlich. Die Amtsverwaltung sieht in der Verlagerung einen Lückenschluss, der die Gemeinden vom Siedlungscharakter „vereine“. Über die B432 sei die Erreichbarkeit auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln gewährleistet. Das Amtsgebäude ist 51 Jahre alt, wurde mehrfach erweitert. Allerdings fehlt längst die Kapazität, um alle Mitarbeitenden adäquat unterzubringen. Bei einer Sanierung werden – und da sind sich alle einig – die Kosten möglicherweise unkalkulierbar.
Deswegen wurde ein Neubau beschlossen. Eine Verlegung muss in letzter Instanz vom schleswig-holsteinischen Innenministerium genehmigt werden – die Bedenken aus Itzstedt würden zur Kenntnis genommen. Wie teuer der Neubau wird, steht nicht fest. Amtsvorsteher Bernhard Dwenger ist ermächtigt, mit der Gemeinde Nahe Kaufverhandlungen zu führen für eine Fläche von 0,5 bis 0,7 Hektar und einem Quadratmeterpreis von 30 Euro.