Norderstedt. Das Abendblatt hat sich wieder auf Spurensuche begeben und interessante, fast vergessene Geschichten entdeckt.

Wenn dieser Baum erzählen könnte: Die Linde ist 300 Jahre alt und wurde gepflanzt, als dieser Bauernhof gebaut wurde. Er hat die Menschen kommen und gehen sehen, er hat Stürme überstanden, Blitzeinschläge, er wurde gekappt, aber er ist geblieben. Genau wie dieser Hof: Der letzte landwirtschaftliche Betrieb Friedrichsgabes liegt am äußersten nördlichen Zipfel der Stadt Norderstedt, direkt an der Grenze zum Nachbarort Henstedt-Ulzburg: Michael Drube (Jahrgang 1977) betreibt den Hof Meeschensee, der seit fast 300 Jahren im Familienbesitz ist, an der Ulzburger Straße/Ecke Elfenhagen.

Letzter Bauernhof in Freidrichsgabe

187 Hektar bewirtschaftete Gesamtfläche, davon 54 Hektar im Eigentum. Der Landwirt, der seinen Beruf auf dem Hof Schümann in Henstedt-Ulzburg gelernt und anschließend die Landwirtschaftsschule besucht hat, ist der vorerst Letzte in einer langen Reihe von Hofbesitzern, die wahrscheinlich im Jahre 1725 ihren Anfang genommen hat. Anhand der noch vorhandenen Unterlagen lässt sich die Geschichte des Hofes bis zu jenem Jahr zurückverfolgen.

Es gibt nicht mehr viele landwirtschaftliche Betriebe im Kreis Segeberg, die eine so lange Familientradition aufweisen. In einigen ländlichen Regionen gibt es noch Höfe, die über Jahrhunderte im Familienbesitz sind. Darüber hat der Kreisbauernverband zwar keine detaillierten Aufzeichnungen, in den jeweiligen Regionen sind die Familiengeschichten aber bekannt.

Im Raum Norderstedt jedenfalls gilt dieser Bauernhof als der älteste. Bis 1990 hießen die Eigentümer des Hofes immer Thies. Von 1725 an wurde der landwirtschaftliche Betrieb, zu dem einst auch eine Schankwirtschaft gehörte, immer an die nachfolgende Generation übergeben. Das karge Land, auf dem überwiegend Heide wuchs, wurde nach und nach urbar gemacht. Als Erbin trat 1990 schließlich Nichte Doris Drube (geborene Hellmer, Jahrgang 1946) aus Henstedt auf den Plan.

Doris Drube übernahm den Hof im Jahr 1990

Doris Drube (rechts) hat den Hof 1990 übernommen. Heute wird er von Michael Drube geführt, der von Angèlique Boxhammer unterstützt wird.
Doris Drube (rechts) hat den Hof 1990 übernommen. Heute wird er von Michael Drube geführt, der von Angèlique Boxhammer unterstützt wird. © Frank Knittermeier | Frank Knittermeier

Sie ist zwar keine gelernte Landwirtin, kannte den Betrieb aber schon seit ihrer Kindheit. „Ich habe auf dem Hof immer meine Ferien verbracht“, erzählt die Mutter des jetzigen Eigentümers Michael Drube. Zusammen mit ihrem Mann Alfred war sie Landwirtin nach Feierabend, wobei sie sich auf ihren Bruder Hans-Hermann Hellmer (Jahrgang 1944), der auch die Landwirtschaftsschule besucht hatte, verlassen konnte. Der arbeitete bereits seit etwa 1960 auf dem Hof und führte ihn als Angestellter, bis Michael seine landwirtschaftliche Ausbildung beendet hatte. Noch heute lebt Hans-Hermann Hellmer hier und ist als Rentner immer noch eine gerngesehene Hilfe des Betriebs.

1998 begann Michael Drube auf dem Familienhof zu arbeiten, zehn Jahre später, im Jahre 2008, wurde der landwirtschaftliche Betrieb auf ihn überschrieben. Seitdem führt er die vor drei Jahrhunderten eingeführte Tradition fort: Jede Generation hat bestimmte Teile des Hofes erneuert, abgerissen, wieder aufgebaut, modernisiert und vergrößert. Aber an der Grundausrichtung des landwirtschaftlichen Unternehmens hat er nichts verändert: Der Hof Drube ist ein Gemischtbetrieb geblieben.

80 Kühe und 720 Hühner leben auf Hof Meeschensee

Die alte Steingetreidemühle wurde noch bis in die 90er-Jahre eingesetzt.
Die alte Steingetreidemühle wurde noch bis in die 90er-Jahre eingesetzt. © Frank Knittermeier | Frank Knittermeier

In den früheren Generationen gab es hier Schweine, Kühe, Bullenmast, Hühner, Enten, Gänse. Heute hält Michael Drube etwa 80 Kühe, die jedes Jahr auf der Weide stehen und mit hier produziertem Futter versorgt werden. 1997 wurde der moderne Laufstall gebaut, der 2003 erweitert wurde, um auch Platz für das Jungvieh zu schaffen. Dazu kommen 720 Hühner in zwei mobilen Ställen. Etwa 650 Eier fallen jeden Tag an, die alle per Automat verkauft werden.

In den nächsten Wochen wird ein neues Verkaufshäuschen aus Holz mit den Ausmaßen eines kleinen Ferienhauses, von Vater Alfred Drube eigenhändig gebaut, in Betrieb genommen.

Auf 50 Hektar Ackerland baut Michael Drube Futterrüben, Sommer- und Wintergerste, Hafer, Roggen und Weizen an. 137 Hektar sind Dauergrünland, wovon 70 Hektar der Gewinnung von Pferdeheu vorbehalten sind. „Das ist ein interessantes Nischenprodukt“, sagt Michael Drube, der mit dem Heu viele Reitställe in der Umgebung versorgt.

Eine Agrarstudentin bringt sich mit guten Ideen ein

Überhaupt ist Michael Drube, wie auch seine vielen Vorgänger, daran interessiert, ständig zu modernisieren. Unterstützung findet er dabei in einigen TeilzeitmitarbeiterInnen, zu denen auch der frühere Landwirt und Ortsbauernvorsteher Jürgen Harms von der Quickborner gehört, dessen Ländereien Drube gepachtet hat.

Und da ist auch Angèlique Boxhammer (23), die sich als Agrarstudentin mit zeitgemäßen Ideen in die Arbeit einbringt. Das nächste Projekt ist zum Beispiel die Anschaffung eines Melkroboters, der im Herbst installiert werden soll, um die Kühe automatisch zu melken. Personal ist dafür praktisch nicht mehr notwendig. „Dadurch können wir von der Zeit her noch flexibler sein“, berichtet Michael Drube, dessen Hof seit 1999 offiziell in einem Wasserschutzgebiet liegt. Die damit verbundenen Auflagen schränken ihn heute aber nur unwesentlich ein.

Heute ist der Hof Meeschensee ein moderner Betrieb

Diese Linde auf dem Bauernhof Meeschensee ist 300 Jahre alt.
Diese Linde auf dem Bauernhof Meeschensee ist 300 Jahre alt. © Frank Knittermeier | Frank Knittermeier

Aber auch größere bauliche Veränderungen sollen im kommenden Jahr realisiert werden. Der Norderstedter Landwirt lebt und liebt seinen Beruf: Michael Drube geht ihm mit Leidenschaft nach und kann sich nicht vorstellen, jemals eine andere Tätigkeit auszuüben. Einfallsreichtum und Aufgeschlossenheit für neue Ideen haben aus dem 300 Jahre alten Hof einen modernen und zeitgemäßen landwirtschaftlichen Betrieb gemacht, der gut aufgestellt in die nächsten Jahrzehnte geht.

Die Linde ist das einzige Relikt das die Jahrhunderte überdauert hat, aber es gibt noch mehr Erinnerungsstücke auf dem Hof. Nicht ganz so alt – aber immerhin alt genug, um in nostalgische Träume abzugleiten. Im alten Stallgebäude steht zum Beispiel eine Steingetreidemühle, die noch bis in die 1990er-Jahre für die Schrotgewinnung für Kühe eingesetzt wurde.

Zweimal im Jahr musste die Mühle nachjustiert werden, damit sie ordentlich arbeiten konnte. „Das bedeutete jedes Mal viel Arbeit“, sagt Michael Drube. „Die ganze Mühle musste abgebaut werden, um die Steine hochzuziehen.“ Das muss jetzt nicht mehr sein, für ihn ist das alte Gerät aber ein Stück Erinnerung an längst vergangene Zeiten.