Norderstedt. Die Stadt Norderstedt hat zwar den Zuschlag für das Gieschen-Gelände bekommen. Doch nun hat ein weiterer Bieter Beschwerde eingelegt.

Die Zukunft von Norderstedts Müllgrundstück bleibt weiter ungewiss: Zwar hat die Stadt vor etwas über zwei Wochen in einem Zwangsversteigerungsverfahren den Zuschlag für das vermüllte Areal der Familie Gieschen erhalten. Doch ein Mann könnte die Pläne immer noch durchkreuzen: Jagtar Singh, der als überraschender zweiter Bieter im Amtsgericht Norderstedt aufgetaucht war, hat nun Beschwerde gegen die Vergabe eingelegt.

Das bestätigt sein Rechtsanwalt Carl-Wolf Coste aus Hamburg auf Nachfrage des Abendblattes. „Wegen des laufenden Verfahrens will sich Herr Singh aber nicht weiter äußern“, sagt Coste. Nun landet der Fall beim Landgericht Kiel, das erneut prüfen muss, ob der Zuschlag an die Stadt rechtens war.

Was war passiert? Beim Versteigerungstermin Mitte April hat Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder für die Stadt ein Gebot von 2384,18 Euro für das Grundstück abgegeben, auf dem die Familie Gieschen jahrelang ein illegales Abfalllager betrieben und 15.000 Kubikmeter Müll angesammelt hatte. 2017 war der Kontakt zu den Gieschens abgerissen. Sie hinterließen mit ihrem Verschwinden meterhohe Müllberge. Jahrelang stritten Stadt und Land über die Zuständigkeit – und entwickelten schließlich gemeinsam einen Plan: Die Stadt sollte die Fläche in Friedrichsgabe ersteigern und anschließend verkaufen. Mit dem Erlös sollte die schätzungsweise 3,8 Millionen Euro teure Räumung des Geländes teilweise finanziert werden. Die Gesamtkosten trägt das Land – beziehungsweise der Steuerzahler. So die Theorie.

Jagtar Singh gibt Kampf um Müllgrundstück nicht auf

Dann tauchte Jagtar Singh mit 20 Minuten Verspätung in Saal C des Amtsgerichtes Norderstedt auf und überbot mit 2400 Euro die Stadt. Allerdings wies Rechtspfleger Marco Faron das Gebot zurück, da der Geschäftsführer der „Jagtar UG“ sich nicht ausweisen konnte – obwohl er behauptete, sich mit Zwangsversteigerungen auszukennen. Trotz des fehlenden Personalausweises sollte Singh zwei Wochen später die Möglichkeit bekommen, vor Gericht zu begründen, warum sein Gebot doch gültig sein sollte.

Nach dem ersten ominösen Auftritt fragten sich viele, wie ernst der Bieter tatsächlich an dem Gieschen-Grundstück interessiert war und ob er bei dem zweiten Gerichtstermin überhaupt erscheinen würde. Kampflos aufgeben wollte er nicht. Der Geschäftsmann saß pünktlich mit seinem Rechtsanwalt Carl-Wolf Coste im Sitzungssaal. Doch Marco Faron ließ die Argumentationen von Coste nicht gelten, wies das Gebot erneut zurück und erteilte der Stadt Norderstedt den Zuschlag. Aber: Auch diesmal sollte Jagtar Singh zwei Wochen Zeit bekommen, Beschwerde einzulegen. Von dieser Option hat er nun Gebrauch gemacht.

Räumung des Geländes zögert sich weiter hinaus

Solange das Landgericht die Entscheidung von Marco Faron überprüft, rottet der Müll am Umspannwerk in Friedrichsgabe weiter vor sich hin. Wie lange sich das Gericht für die Prüfung Zeit lässt, ist unklar. Bis tatsächlich die Bagger am Grundstück anrücken, würde es aber ohnehin dauern. Das Land muss zunächst mithilfe einer Ausschreibung ein Ingenieurbüro finden, das wiederum die Leistungsbeschreibung für die Ausschreibung der eigentlichen Räumung erstellt. Das Gelände von den Abfallbergen zu befreien, ist eine komplizierte Angelegenheit. Dort lagern unter anderem Bauschutt, asbesthaltige Abfälle und andere gefährliche Stoffe, die nicht ohne Weiteres abgetragen werden können, ohne die Umwelt zu gefährden.

Jagtar Singh (r.) mit seinem Anwalt Carl-Wolf Coste vor dem Amtsgericht Norderstedt: Das Duo gibt noch nicht auf und kämpft weiter um Norderstedts Müllgrundstück.
Jagtar Singh (r.) mit seinem Anwalt Carl-Wolf Coste vor dem Amtsgericht Norderstedt: Das Duo gibt noch nicht auf und kämpft weiter um Norderstedts Müllgrundstück. © Unbekannt | Annabell Behrmann

Jagtar Singh sagte den „Lübecker Nachrichten“ nach dem letzten Verhandlungstermin im Amtsgericht, er hätte bereits mehrere Firmen an der Hand gehabt, die die verschiedenen Abfallarten auf dem Gelände entsorgt und erworben hätten. „Ich hätte das Grundstück zu 100 Prozent geräumt.“ Rund 100.000 Euro hätte ihn das unter dem Strich gekostet, behauptete Singh. Wie realistisch diese Summe ist, ist fraglich – es würde sich dabei um einen Bruchteil der geschätzten Räumungskosten von Stadt und Land handeln.

Stadt weiß noch nichts von der Beschwerde

Der Stadt lagen am Montag noch keine Informationen über die Beschwerde von Jagtar Singh vor. Deswegen konnte sie sich noch nicht zu dem weiteren Verfahren äußern.