Immens gestiegener Gaspreis wird bei vielen Haushalten spätestens 2023 zu erheblichen Nachzahlungen führen. Eine Beispielrechnung.
- Stadtwerke Norderstedt raten zu höheren Abschlagzahlungen
- Jährlicher Grundpreis erhöhte sich um 9,91 Euro auf 130,83 Euro
- Vierstellige Nachzahlungen drohen beim Gas
Es ist eine ungewöhnliche Empfehlung: Die Stadtwerke Norderstedt raten Verbrauchern nachdrücklich, ihre monatlichen Abschlagszahlungen für die Wärme schon jetzt anzupassen. Der Grund sind die immens gestiegenen Gaspreise, die bei vielen Haushalten spätestens 2023 für höhere Gebühren und möglicherweise erhebliche Nachzahlungen bei den Heizkosten sorgen könnten. „Ich glaube, das ist bei vielen noch nicht so präsent. Die Abschlagszahlung sollte möglichst erhöht und angepasst werden. Sonst droht fast allen wahrscheinlich eine böse Überraschung“, sagt Oliver Weiß, Sprecher der Stadtwerke.
Bisher galt folgender Grundsatz: „In der Heizperiode verbrauche ich mehr, als ich bezahle, im Sommer ist es umgekehrt. Idealerweise passt das dann. Nun ist es aber so, dass die Gaspreis-Erhöhungen zum April dafür sorgen, dass der Puffer für den Sommer kleiner und die Lücke zum Herbst größer wird.“
Stadtwerke hatten Gas-Preise zum 1. April angehoben
Wie berichtet, hatte der Versorger zwar im ersten Quartal auf Erhöhungen verzichtet, dann aber zum 1. April die Preise für Bestandskunden auf das Neukunden-Niveau angehoben. Der jährliche Grundpreis erhöhte sich um 9,91 Euro auf 130,83 Euro, der Arbeitspreis um 8,65 Cent pro Kilowattstunde auf 14,40 Cent. Eine Beispielrechnung besagte: Ein Haushalt mit einem jährlichen Gasverbrauch von 17.000 Kilowattstunden hätte eine monatliche Mehrbelastung von 123,37 Euro (jährlich: 1480,41 Euro).
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Das Problem hierbei: Die derzeitigen monatlichen Raten basieren noch auf den Tarifen für 2021. Das ist eine trügerische Sicherheit, die zum Teil durch die sommerlichen Temperaturen noch verstärkt wird – schließlich muss momentan ja nicht geheizt werden.
Nur: Die klassische Balance zwischen Sommer und Heizperiode gibt es nicht mehr. Und deswegen raten die Stadtwerke, jetzt schon an den Jahresanfang 2023 zu denken. Oliver Weiß: „Wir empfehlen den Haushalten, die Abschlagszahlungen zu erhöhen – und leider deutlich. Wenn der Preis sich verzwei- oder verdreifacht hat, würde ich die Abschläge auch verzwei- oder verdreifachen. Das ist nicht angenehm, aber es wird nicht besser, je länger ich warte.“
Finanzielle Schieflagen sollen vermieden werden
Es geht um Eigenverantwortung, um Vorsorge. Die Stadtwerke wollen aus nachvollziehbaren Gründen nicht, dass die Bürgerinnen und Bürger zu lange warten. Denn erstens ist nicht absehbar, dass die Preise und damit die Kosten für den Endverbraucher wieder sinken. Im Gegenteil. Und zweitens ist niemandem geholfen, wenn vierstellige Nachzahlungen nicht geleistet werden oder sich Haushalte verschulden müssen. Je länger man folglich wartet, desto deutlicher müssen die Abschläge erhöht werden, um das Defizit auszugleichen.
„Und wenn wir im Januar, Februar des nächsten Jahres die Jahresabrechnungen der Haushalte haben, die nichts gemacht haben, wird es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hohe Nachzahlungen geben. Da treffen wir jetzt schon Vorsorge, damit Haushalte nicht in eine Situation finanzieller Schieflage geraten oder möglicherweise ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können. Wenn sozial schwache Haushalte 2000 bis 3000 Euro nachzahlen müssen – das können die nicht.“
Verteilt auf sieben Monate, vielleicht aber schon. Es ist schwierig, das pauschal zu sagen. Und wenn die Abschläge dann doch zu hoch angesetzt sind, gibt es wie gehabt eine Rückzahlung. Ein normales Haus hätte vielleicht 10.000 bis 12.000 Kilowattstunden Jahresverbrauch. Ältere, energetisch nicht sanierte Gebäude kommen aber schon auf das Doppelte. Aber das allein sei ja noch kein Rückschluss auf eine finanzielle Situation.
Im September kommt die Energiepreispauschale des Bundes
Um die Auswirkungen der gestiegenen Energiekosten zu lindern, hatte die Bundesregierung im Frühjahr zwei Entlastungspakete auf den Weg gebracht. So gibt es für Menschen, die Wohngeld beziehen, einen einmaligen Heizkostenzuschuss von 270 Euro bzw. 350 Euro für Haushalte mit zwei Personen sowie 70 Euro zusätzlich für jedes weitere Familienmitglied. Azubis und Studenten mit Bafög erhalten 230 Euro.
Was für alle Erwerbstätigen gilt, die einkommensteuerpflichtig sind: Sie erhalten im September eine einmalige Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro, die vom Arbeitgeber über das Gehalt ausbezahlt wird. Selbstständige senken ihre Steuervorauszahlung. Das wären vielleicht zwei bis drei Monate an Abschlägen, schätzen die Stadtwerke.
Reichen wird das also nicht. Die vorzeitige Anpassung der Beträge, wie sie geraten wird, ist auf mehreren Wegen möglich. Am einfachsten ist es online über das Kundenportal. Dort gibt es über den Menüpunkt „Gastarif“ die Möglichkeit, die Zahlungen manuell zu verändern und ab welchem Monat die neue Rate gelten soll. Wer mag, kann auch ins Service-Center kommen. Dafür müssen Kunden- und Zählernummer mitgebracht werden. „Dort kann ich mich auch beraten lassen, wie viel ich erhöhen sollte. Es gibt die Möglichkeit, eine Zwischenrechnung erstellen zu lassen. Mit Sicherheit haben das auch schon welche gemacht. Wir glauben aber, dass es ein geringer Anteil ist“, sagt Oliver Weiß. Notfalls kann die Umstellung auch telefonisch besprochen werden.
Gas: Auch ein Energiesparcheck kann helfen
Weiterhin raten die Stadtwerke dazu, einen kostenlosen Energiesparcheck zu machen. Dazu sollen alle Haushalte auch noch einmal mit den Informationen zu den Abschlagszahlungen angeschrieben werden. „Und wir überlegen, aktiv zu werden und die Abschläge selbst anzupassen.“ Das sei aber noch ein Gedankenspiel, zumal auch sehr aufwendig, weil jeder Haushalt individuell betrachtet werden müsse.
Bei Unternehmen ist die Situation etwas anders, es geht um einen quantitativ höheren Verbrauch, um andere Verträge und um weniger Abnehmer, sodass hier die persönlichen Beratungen geführt werden. Und Mieter, bei denen die Abrechnung über die Nebenkosten läuft, sollten aktiv auf die Verwaltungen oder die Eigentümer zugehen. „Wir sind auch im Austausch mit der Verbraucherzentrale. Für viele Haushalte ist diese eine erste Anlaufstelle, um sich zu informieren.“