Norderstedt. Die Stadtwerke und der Strandhaus-Pächter streiten vor Gericht – warum das für Brautpaare in Norderstedt zum Albtraum wird.
Pia Behrendt und Jerome Stoltze stehen vor dem Strandhaus am See und halten Händchen. Das Pärchen geht gerne im Norderstedter Stadtpark spazieren, liebt die Nähe zum Wasser. Es konnte sich keinen besseren Ort vorstellen als diesen, um am 22. April seine Hochzeit zu feiern. „Seit meiner Kindheit träume ich von diesem Tag“, sagt die 25 Jahre alte Pia Behrendt. Wenn sie jetzt das Strandhaus ansieht, liegt in ihrem Blick Traurigkeit. Wehmut. „Morgen hole ich mein Brautkleid ab“, erzählt sie. „Auf diesen Moment habe ich mich seit Monaten gefreut. Und nun frage ich mich: Brauche ich es überhaupt noch?“ Wegen eines Rechtsstreits zwischen den Strandhaus-Pächtern und den Stadtwerken Norderstedt, denen die Veranstaltungslocation gehört, droht die Traumhochzeit des Paares zu platzen.
Alle privaten Veranstaltungen wie Hochzeiten, Geburtstage oder Firmenfeiern sind den Betreibern des Strandhauses künftig untersagt. Mit dem Verbot ist die wohl bisher höchste Eskalationsstufe des Streits erreicht – von nun an sind nicht mehr nur die beiden streitenden Parteien beteiligt, sondern sämtliche Menschen, die ihre Feiern im Strandhaus geplant und bereits Verträge unterzeichnet haben, werden in die Auseinandersetzung mitreingezogen.
Strandhaus-Streit geht seit mehreren Jahren
Zum Hintergrund: Bereits im September 2020 haben die Stadtwerke den Mietvertrag mit dem Pächter wegen eines Streits um das gastronomische Angebot im Stadtpark gekündigt. Die Kündigung landete vor Gericht. Während der rechtlichen Klärung haben Stadtwerke und Pächter im März des vergangenen Jahres einen Vergleich vor dem Landgericht Kiel geschlossen, der festhält, dass bestimmte, bereits vereinbarte Veranstaltungen durchgeführt werden dürfen. Diese Feiern wurden in einer Liste dokumentiert. Sie enthält insgesamt 75 Veranstaltungen für 2021, 2022 und 2024. Mit dieser Vereinbarung sollte verhindert werden, dass unschuldige Dritte mit in den Streit hineingezogen werden.
Die Hochzeit von Pia Behrendt und Jerome Stoltze ist auf dieser Liste nicht zu finden – obwohl das Paar bereits im November 2020 gebucht hat. Der Grund ist unklar. Christoph Clauß, kaufmännischer Leiter des Strandhauses, hat alle Betroffenen vor einer Woche angerufen und über die Lage informiert. „Wir dachten, das ist ein schlechter Scherz“, sagt Jerome Stoltze. „Ich habe geglaubt, ein paar Wochen vor der Hochzeit wird das Aufregendste sein, den Eröffnungstanz zu optimieren. Aber kurz vorher keine Location mehr zu haben, ist das Schlimmste, was passieren konnte.“
Paar hat mehrere Tausend Euro angezahlt
Das Paar hat bereits mehrere Tausend Euro für den DJ, Fotografen, Floristen und Trauredner angezahlt. Mehr als die Hälfte der Gäste kommt nicht aus der Umgebung, sondern reist aus Spanien, England und Österreich an. „Sie haben alle schon Flüge und Hotels gebucht.“ Das Ausmaß des Rechtsstreits ist Behrendt und Stoltze erst richtig bewusst geworden, als sie Medienberichte nachgelesen haben. „Wir hoffen, dass sich der Streit klärt. Wir sehen uns als Hauptgeschädigte und können absolut nichts für diese Situation“, sagt der 29-jährige Stoltze. „Ich finde das Verhalten herzlos“, fügt seine Verlobte hinzu. Das Paar möchte sich weder auf die Seite der Stadtwerke noch der Strandhaus-Betreiber stellen. „Alles, was wir wollen, ist, dass unsere Hochzeit stattfindet.“
Sie haben an alle Beteiligten E-Mails geschrieben und sich sogar an Norderstedts Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder gewandt. „Uns wurde die Sachlage erklärt. Aber helfen konnte uns niemand.“ Eine alternative Location zu finden, ist innerhalb von drei Wochen kaum möglich. „Außerdem möchten wir keine Notlösung.“
Fraglich, wie es weitergeht
Ob sich der Streit bald klären wird, ist fraglich. Die Stadtwerke werfen den Betreibern des Strandhauses vor, weitere Veranstaltungen angenommen zu haben, die nicht in der Liste aufgeführt waren. Spätestens nach einer Verhandlung vor dem Landgericht Kiel im Februar 2022 hätte dem Strandhaus klar sein müssen, dass private Veranstaltungen möglich, aber genehmigungspflichtig seien, sagen die Stadtwerke. „Nun weist das Strandhaus jegliche Verantwortung von sich und fordert öffentlich, die Veranstaltungen zu erlauben und damit nachträglich ihre wiederholten und umfangreichen Verstöße zu billigen“, sagte Stadtwerkesprecher Oliver Weiß bereits Anfang der Woche.
Von einem Geschäftspartner, der dies für 20 bis 30 Jahre sein möchte, erwarten die Stadtwerke zum Wohle der Gäste „mehr Verlässlichkeit“ und „weniger Eigennutz“. Christoph Clauß hingegen behauptet, dass das Strandhaus sich in den vergangenen zehn Jahren keine einzige Veranstaltung hätte genehmigen lassen müssen. „Uns werden Veranstaltungen und das Tagesgeschäft verboten. Eigentlich sollen wir neun Monate im Jahr schließen. Wir sind die teuerste Pommesbude der Welt“, sagt Clauß.
Das Strandhaus will vor dem Landgericht Kiel nun eine einstweilige Verfügung erwirken, damit private Feiern doch stattfinden dürfen. Der Verhandlungstermin ist für den 14. April angesetzt. „Das gibt uns neue Hoffnung“, sagen Pia Behrendt und Jerome Stoltze. Allerdings: Schon kommende Woche, also vor der Verhandlung, müssen sie die Restbeträge an die gebuchten Dienstleister zahlen. Zu diesem Zeitpunkt wissen sie noch nicht, wie das Landgericht entscheiden wird. Sie werden alles auf eine Karte setzen. „Unsere Hochzeit vorher abzusagen, ist für uns keine Option.“