Da kam offenbar alles zusammen, was die Hemmschwelle reziprok zur wachsenden Risikobereitschaft schrumpfen lässt:

Wochenende, Partylaune, Alkohol, Leichtsinn, drei junge Männer und ein Fahrzeug mit mächtig vielen Pferdestärken unter der Haube und Polizeiwagen mit Blaulicht an den Hinterrädern. In Anbetracht dieser Zutatenliste ahnt man Schlimmes.

In einer Großstadt wäre das Resultat mindestens erheblicher Sachschaden gewesen, möglicherweise hätte es Tote und Verletzte gegeben. Zum Glück raste das Fluchtfahrzeug nicht durch die belebte City, sondern über die Äcker bei Dägeling. Auch das Verb „raste“ ist relativ einzuordnen. Die Jungkerle fuhren keinen aufgemotzten Sportwagen, sondern einen Trecker. Wahrscheinlich punktet man bei den lebenspraktischen Holsteiner Deerns mit einer soliden Landmaschine viel eher als mit einem nutzlosen Ferrari.

Dumm aufgefallen waren die drei, weil ihrem heißen Hobel eine Rückbeleuchtung fehlte. Laut Polizeibericht kam es zur Verfolgungsfahrt, auf welcher der Traktor teilabgehoben auf zwei Außenreifen um die Kurven preschte, während es der Kabine die Mitfahrer derart gegen die Seitenscheiben presste, dass sie barsten – also die Scheiben, hoffe ich doch, weil der Klügere ja nachgibt.

Die Sache endete mit der Verhaftung des Amokfahrers und einem lädierten Trecker. Und bei mir mit einigen offenen Fragen. Was tanken Bauern eigentlich? Sie selbst: Korn, schon klar. Aber was kriegt der Trecker in den Tank, um auf zwei Rädern um die Ecken zu schießen? Und was ist eigentlich mit den Polizeiautos los? Normalerweise kann man Trecker zu Fuß überholen. Wurde jetzt bei sämtlichen Einsatzfahrzeugen die Motorleistung zwangsweise auf 20 km/h gedrosselt, weil das Benzin so teuer ist?

So rücksichtsvoll ist man den Steuerzahlern gegenüber sonst doch nicht. Ich denke mir, wahrscheinlich war der Trecker ganz gewöhnlich „schnell“, also ziemlich langsam. Die Jungspunde auch ohne große Fliehkrafteinwirkung blau genug, um haltlos gegen die Scheiben zu torkeln. Und die Polizisten, die sich die ganze Samstagnacht zwischen dunklen Äckern in Erwartung etwaiger Verkehrssünder langweilten, wollten endlich mal ein wenig Action wie in „Alarm für Cobra 11“. Weshalb sie die Flüchtenden kilometerweit mit Blaulicht und Martinshorn und Lautsprecherdurchsagen („Achtung, hier spricht die Polizei! Fahren Sie sofort rechts ran! Ach nee, da ist ja der Knick – fahren Sie weiter…“) mit Tempo 20 vor sich her peitschten.

Ich liebe das Landleben. Hier ist die Welt noch heil.