Norderstedt. Berüchtigter Remmo-Clan soll für spektakulären Einbruch verantwortlich sein. Drei Verdächtige im Fokus. Hinweise bei Aktenzeichen XY.
Die Spezialeinsatzkommandos (SEK) schlugen am frühen Morgen zu: Die Berliner Polizei hat am Freitag mehrere Wohnungen durchsucht und nach Beweismitteln gesucht, die in Zusammenhang mit dem spektakulären Einbruch in die Norderstedter Haspa-Filiale stehen.
Polizei und Staatsanwaltschaft bestätigten die Aktion, die bis zum Mittag andauerte. An den Durchsuchungen beteiligten sich Beamte der Ermittlungsgruppe, die an der Aufklärung der Tat arbeiten. Es kam zu kurzfristigen Festnahmen, die Tatverdächtigen wurden aber nach kurzer Zeit wieder auf freien Fuß gesetzt.
Millionencoup im Norden: Razzien in Spandau und Neukölln
Umfangreiche, gemeinsame Ermittlungen der Kriminalinspektion Pinneberg in enger Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft Kiel hätten in den vergangenen Monaten einen Anfangsverdacht des bandenmäßigen Diebstahls gegen drei Berliner im Alter von 24 bis 44 Jahren begründet, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft mit.
Insgesamt durchsuchten die Einsatzkräfte Wohnungen in Spandau, Neukölln und Tempelhof, ein Juweliergeschäft in Charlottenburg sowie eine Spielhalle in Königs Wusterhausen (Brandenburg). Im Rahmen der Durchsuchungen stellten die Ermittler mögliche Beweismittel sicher, auch diverse Drogen wurden entdeckt.
Haspa-Einbruch in Norderstedt: Remmo-Clan im Visier der Ermittler
Nach Informationen des Abendblatts handelt es sich bei den durchsuchten Wohnungen um Objekte, die dem Remmo-Clan zugeordnet werden. Mitglieder der arabischstämmigen Großfamilie werden für Einbrüche in Sparkassen nach dem Muster des Norderstedter Falls verantwortlich gemacht. Aus diesem Kreis stammten auch die Diebe der Goldmünze aus dem Berliner Bode-Museum und die Verdächtigen vom Diamanten-Diebstahl aus dem Grünen Gewölbe in Dresden.
„Neben einer Berliner Einsatzhundertschaft waren Beamte des Landeskriminalamtes Berlin, Spezialeinheiten sowie mehrere Ermittler aus Schleswig-Holstein vor Ort und an den polizeilichen Maßnahmen intensiv beteiligt“, sagte Polizeisprecherin Sandra Firsching. Es bestehe der Anfangsverdacht des bandenmäßigen Diebstahls gegen drei Berliner im Alter von 24 bis 44 Jahren.
Haftbefehle gegen die Männer lagen nicht vor. Sie wurden kurzzeitig festgenommen und danach wieder entlassen. „Wir wollten Beweismittel sicherstellen“, sagte Oberstaatsanwalt Michael Bimler. Die Polizei hatte kurz nach der Tat eine Ermittlungsgruppe gegründet. Sie besteht in erster Linie aus Mitgliedern einer Spezialdienststelle für Komplexermittlungen, die auch für die Bekämpfung organisierter Kriminalität zuständig sind.
„Im Rahmen der Durchsuchungen stellten die Ermittler mögliche Beweismittel sicher, deren Auswertung einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen wird“, sagte die Polizeisprecherin. Außerdem fanden die Ermittler eine größere Menge Drogen. Die Ermittlungen dazu wird die Polizei in Berlin übernehmen.
Haspa-Einbruch: Remmo-Clan könnte verantwortlich sein
Die Berliner Gewerkschaft der Polizei (GdP) erklärte: „Aufgrund der letzten Jahre kann es niemanden überraschen, dass bei derart spektakulären Straftaten auch immer wieder Spuren nach Berlin und zu bereits bekannten Protagonisten führen. Die Sprösslinge besagter Familie haben mehrfach bewiesen, dass sie zu kriminellen Handlungen fähig sind und sich auch von Verurteilungen nicht wirklich abschrecken lassen. Letztlich muss der eingeschlagene Weg, Gesetzesübertretungen konsequent zu verfolgen und Vermögen zu beschlagnahmen, weitergehen.“
Der Einbruch in die Sparkasse in Norderstedt nördlich von Hamburg im August war aufwendig geplant. Die Täter hatten im Mai unter einem falschen Namen eine Wohnung über dem Tresorraum der Sparkasse gemietet. Kaution und Miete wurden bar bezahlt. Von dort bohrten sie sich durch den Boden in den Raum mit den Schließfächern. Sie brachen mehr als 600 Fächer auf und stahlen Beute im Wert von mehreren Millionen Euro. Die gemietete Wohnung zündeten sie an, um Spuren zu vernichten.
Haspa-Einbruch: Erstmals Fotos vom Tatort und Bohrer gezeigt
Bevor die Ermittler in Berlin zuschlugen, hatte bereits Polizeisprecher Lars Brockmann in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY ... ungelöst“ darüber berichtet, dass die Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Haspa-Einbruch in Richtung Berlin gingen. Bei dem Fahndungsaufruf in der Sendung zeigte die Polizei erstmals auch Fotos von Tatort. Sie zeigen die ausgebrannte Wohnung und einen Zugang zum Tresorraum. Außerdem präsentierte Moderator Rudi Cerne ein Modell des Kernbohrers, den die Täter mehr als eine Woche lang unbemerkt benutzt haben dürften, um nach unten in die Haspa zu gelangen.
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Einen Bohrer dieses Typs hatte die Hamburger Polizei im Oktober 2020 nach einem missglückten Einbruch in eine Filiale der Haspa an der Holstenstraße sichergestellt. Dort versuchten die Täter ebenfalls, in den Tresorraum einzudringen. Sie wurden von einer Reinigungskraft gestört und flüchteten ohne Beute. Vor wenigen Tagen nahmen Fahnder in Berlin-Neukölln einen 40-Jährigen unter dringendem Tatverdacht fest. Auch er wird dem Remmo-Clan zugeordnet.
Den Norderstedter Fall bearbeitet eine eigens dafür gegründete Ermittlungsgruppe der Polizei, die eng mit ihren Kollegen in Hamburg und Berlin kooperiert. Über die personelle Stärke der Gruppe macht die Polizei keine Angaben. Sie wird geleitet von einer Spezialeinheit für komplexe Ermittlungen, die sich überwiegend mit organisierter Kriminalität befasst.
Nicht zu sehen waren in dem „Aktenzeichen XY“-Beitrag Fotos aus einer Überwachungskamera des Rewe-Supermarkts in Norderstedt-Mitte, die einen jungen Mann mit kurzer Hose beim Einkaufen zeigen. Dieses Bild hatte die Polizei vor wenigen Tagen im Zusammenhang mit dem Haspa-Einbruch veröffentlicht und nach der Identität des Mannes gefragt. Inzwischen steht fest, dass er mit der Tat nichts zu tun hat. Der Norderstedter hatte sich selbst bei den Ermittlern gemeldet.
Einbruch in Haspa-Filiale: Mehr Sicherheitpersonal im Einsatz
Nach der Ausstrahlung der ZDF-Sendung war eine zweistellige Zahl von Hinweisen eingegangen. Inwieweit die Angaben der Anrufer für die Ermittler von Bedeutung waren, will die Polizei allerdings nicht sagen.
Seit dem Coup in Norderstedt setzt die Haspa verstärkt Sicherheitspersonal in einigen Filialen ein. Nachts und an Wochenenden sind sie in Räumen mit Geldautomaten präsent, von denen auch ein Zugang in Schließfachräume möglich ist.
Für Hinweise, die zu den Tätern führen, sind hohe Belohnungen ausgesetzt. Die Haspa hat 50.000 Euro ausgelobt, die Staatsanwaltschaft Kiel 5000 Euro. Hinweise an die Polizei in Pinneberg unter Telefon 04101 202-0.