Norderstedt. Vier Monate nach dem Einbruch in die Haspa Norderstedt gibt es noch keine Entschädigung für die Besitzer der 600 geplünderten Fächer.
Der spektakuläre Schließfach-Coup bei der Haspa in Norderstedt am Wochenende zwischen dem 6. und 8. August wird aller Voraussicht nach ein gerichtliches Nachspiel haben. Denn bis heute warten die Opfer des Einbruchs in die Bank, bei dem die Täter etwa 600 Schließfächer geplündert hatten, vergeblich auf eine Entschädigung.
Verbraucherschutzanwalt Jürgen Hennemann aus Buchholz, der die Opfer vertritt, erhebt erneut schwere Vorwürfe gegen die Haspa. Er spricht von einer bewussten Verzögerungstaktik und will das Geldinstitut nun auf Schadenersatz vor dem Hamburger Landgericht verklagen.
Schließfächer ausgeräumt: Alarmanlage löste nicht aus
Der Einbruch war spektakulär: Die Täter bohrten sich – vermutlich sogar während der regulären Öffnungszeiten – unbemerkt mit einem Kernbohrer durch die Betondecke in den Schließfachraum, ohne dass die Alarmanlage ausgelöst hatte. Auch vier Monate nach dem Einbruch gibt es weder ein Haftungsanerkenntnis seitens der Haspa, noch wurden Abschlagszahlungen an Geschädigte geleistet. Nach Schätzungen von Experten dürfte sich der materielle Schaden durch den Einbruch im unteren bis mittleren zweistelligen Millionenbereich bewegen.
Verbraucherschutzanwalt Hennemann, der nach eigenen Angaben etwa 20 Geschädigte berät und vertritt, hatte der Haspa bereits mehrfach "eklatante Sicherheitsmängel" vorgeworfen, die es den Tätern erst ermöglicht hätten, unbemerkt in die Filiale einzudringen und ebenso unbemerkt mit ihrer Beute zu verschwinden.
Haspa spricht von modernster Sicherheitstechnik
Die Haspa wies die Kritik stets mit dem Hinweis auf die "modernste Sicherheitstechnik" des Bankhauses zurück, ohne Fragen zur technischen und personellen Ausstattung näher zu erläutern. Zurzeit werden der Tresorraum der Haspa an der Rathausallee umfassend saniert und die Sicherheitssysteme auf den neuesten Stand gebracht.
Da aus Sicht des Fachanwalts für Haftungs- und Versicherungsrecht nach umfangreicher schriftlicher Korrespondenz und unter Fristsetzung von der Haspa keinerlei Bereitschaft für eine zeitnahe, außergerichtliche Einigung mit seinen Mandanten erkennbar sei, werde er die Haspa nun zunächst in den juristisch eindeutigen Fällen vor dem Hamburger Landgericht auf Schadenersatz verklagen. Der Schriftverkehr der Anwaltskanzlei mit der Haspa liegt dem Abendblatt vor.
Anwalt wirft Haspa vor, in Selbstmitleid zu zerfließen
"Auch nach fast vier Monaten vermeidet es die Haspa kategorisch, sich zu dem gegen sie erhobenen Vorwurf des sicherheitstechnischen Totalversagens konkret zu äußern und zerfließt stattdessen in Selbstmitleid über den arbeitstechnischen Mehraufwand, der aus der Dysfunktionalität ihrer Sicherheitsinfrastruktur resultiert", sagte der Anwalt im Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt.
Es sei "deutlich erkennbar, dass die Haspa statt der Einleitung eines Regulierungs- und Zahlungsprozesses auf eine systematische Zermürbung ihrer Kunden setzt", so der Fachanwalt. Auf diese Weise sollten "möglichst viele Geschädigte zu einem vollständigen Forderungsverzicht oder zu der Bereitschaft gedrängt werden, sich unter Wert abfinden zu lassen", so der Jurist.
Geschädigte brechen außergerichtlichen Dialog mit Haspa ab
"Auf diesem Wege dürfte es weiterhin mit nicht anwaltlich vertretenen Geschädigten zu wiederholten, verhörartigen Gesprächen kommen, die substanz- und ergebnislos verlaufen werden“, sagt Hennemann. "Aus diesem Grunde haben bereits erste, von uns vertretene Geschädigte den außergerichtlichen Dialog mit der Haspa abgebrochen, gegen die nun alsbald erste Schadenersatzklagen beim Landgericht Hamburg eingereicht werden."
Warum hat die Haspa bisher keine Abschlagzahlungen geleistet? Warum gibt es kein Haftungsanerkenntnis? Und: Wann können Geschädigte mit Abschlagszahlungen rechnen? "In Phase 1 haben wir persönlich mit allen Schließfachinhabern gesprochen und parallel die Bestandsaufnahme und Zuordnung der Schließfachinhalte vorgenommen", teilt Haspa-Unternehmenssprecherin Stefanie von Carlsburg mit. "Dazu müssen in manueller Arbeit mehrere Tausend Dokumente und Wertgegenstände zugeordnet werden. Auch wenn wir dafür ein extra Team aufgestellt haben, dauert das leider seine Zeit."
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In der jetzigen zweiten Phase würden "Folge-Gespräche" beginnen, in denen nun mit den ersten Regulierungen gestartet werde, verspricht Stefanie von Carlsburg. "200 Kunden – also ein Drittel der betroffenen Schließfachinhaber – wollen wir bis Ende des Jahres reguliert haben. Das sind Fälle, die aufgrund der Aktenlage und in Absprache mit der Versicherung als Erstes geregelt werden können", sagt die Haspa-Sprecherin.
Wer nichts nachweisen kann, geht vermutlich leer aus
Parallel arbeite die Haspa "mit Hochdruck" weiter, um auch an den restlichen 400 Fällen "zeitnah für unsere Kunden und Kundinnen eine Lösung zu finden", so die Sprecherin. Allen Betroffenen würden die Gebühren für ihr Schließfach für das Jahr 2021 und auch für das kommende Jahr erlassen.
Ob und in welchem Umfang geschädigte Haspa-Kundinnen und Kunden mit einer Entschädigung rechnen können, bleibt allerdings weiterhin ungewiss. "Aufgrund des sehr dynamischen Regulierungsprozesses und dem Umstand, dass jeder Sachverhalt durch einen bestellten Gutachter bewertet wird, ist eine konkrete Aussage zur Höhe der geplanten Regulierungen nicht möglich", sagt Stefanie von Carlsburg.
Auf Abschlagszahlungen dürften Kunden lange warten
Für Haftungsanerkenntnisse gebe es aus ihrer Sicht "mit Blick auf die mit den Kunden getroffenen vertraglichen Vereinbarungen und mit Blick auf die getroffenen Sicherheitsvorkehrungen in der Filiale keinen Grund", betont die Unternehmenssprecherin. "Wir befinden uns mitten in einem äußerst komplexen Regulierungsprozess, bei dem wir bis Ende des Jahres ein Drittel der Betroffenen reguliert haben werden. Zudem behandeln wir alle Kundinnen und Kunden gleich – unabhängig davon, ob sie sich anwaltlich vertreten lassen oder nicht. Deshalb erkennen wir derzeit keinen Grund, warum eine gerichtliche oder außergerichtliche Einigung notwendig sein sollte."
Auf Abschlagszahlungen dürften Kunden demnach lange warten. "Abschlagszahlungen sind zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorgesehen. Die von uns geplanten Regulierungsgespräche zielen auf eine fallabschließende Regulierung auf Basis der von dem öffentlich bestellten Gutachter bewerteten Sachverhalte ab.“ Ob Haspa-Kunden, die nicht klar und eindeutig nachweisen können, welche Werte sich in ihren Schließfächern befunden haben, eine Chance auf eine angemessene Entschädigung haben, erscheint damit mehr als fraglich.
Unterdessen geht die Suche nach den Tätern weiter. Die Polizei will sich zum aktuellen Stand der laufenden Ermittlungen nicht äußern, um einen Fahndungserfolg nicht zu gefährden.