Bad Bramstedt. Arved Fuchs bricht mit seiner Crew in Richtung Nordfriesland auf, um dort die Folgen des Klimawandels zu erforschen.

Einen erfahrenen Expeditionsleiter wie Arved Fuchs (67) kann auch ein Virus nicht aufhalten. „Doch ich bin schon froh, dass ich dieses Jahr keine große Polar-Expedition organisieren musste. Das wäre durch Corona sicher zu schwierig geworden“, sagt Fuchs. Allen Widrigkeiten aufgrund der Corona-Pandemie zum Trotz, startet der Bad Bramstedter Polarforscher, Buchautor und Abenteurer nun aber mit seiner Crew am Sonnabend, 18. Juli, zu einer weiteren Etappe seiner großen Expeditionsreihe Ocean Change.

An Bord des Haikutters „Dagmar Aaen“ geht es für Fuchs und seine acht Begleiter dieses Mal nicht ins ferne Feuerland oder zu den schwindenden Eisbergen im Nordpolarmeer. In diesem Jahr sind die heimischen Gewässer das Ziel. Fuchs und Co. steuern die „Dagmar Aaen“ an die nordfriesische Küste mit ihren Inseln und Halligen und Häfen. Denn um die Auswirkungen der globalen Erderwärmung auf die Weltmeere zu beobachten und zu dokumentieren, muss man nicht bis zum Nordpol reisen – ein genauer Blick auf die Küste vor der eigenen Haustür genügt.

Corona sabotierte die Expeditionsvorbereitung

Am Donnerstag bereiteten Fuchs und seine Crew im Flensburger Museumshafen den Haikutter mit letzten Handgriffen auf den Start der Expedition vor. Den großen Jahresscheck hat die „Dagmar Aaen“ nach langer Ungewissheit durch die Beschränkungen während der Pandemie gerade noch rechtzeitig überstanden. Anfang Mai gelang es Fuchs, den Haikutter aus dem Museumshafen in Flensburg in eine Werft ins dänische Egernsund zu überführen. „Das war schon eine ziemliche Herausforderung, die Genehmigung dafür zu bekommen. Und als ich sie hatte, wurde ich an der dänischen Grenze trotzdem einmal nicht reingelassen“, sagt Fuchs.

Fuchs segelte für seine Expeditions-Reihe schon nach Feuerland (2015/16) und ins Nordpolarmeer nach Grönland (2018/19, Foto). 
Fuchs segelte für seine Expeditions-Reihe schon nach Feuerland (2015/16) und ins Nordpolarmeer nach Grönland (2018/19, Foto).  © Arved Fuchs Expeditionen | Arved Fuchs Expeditionen

Doch schließlich ging alles gut und die „Dagmar Aaen“ kam in Egernsund aus dem Wasser. Der Propeller, die Wellen- und Ruderanlage sowie die Seeventile wurden überprüft. Darüber hinaus standen etliche Arbeiten in der Takelage an, ebenfalls Lackier- und Malerarbeiten. Nun ist der 89 Jahre alte Kutter bereit für eine weitere Expedition.

Erste Station auf der Insel Samsø

Vom Museumshafen Flensburg aus geht es entlang der dänischen Küste über Kattegat und Skagerrak schließlich nach Süden. „Unsere erste Station machen wir auf der Insel Samsø, die mit ihrem autarken Energiekonzept Vorbild ist“, sagt Fuchs. Die Insel Samsø mit ihren 4000 Einwohnern hat die Energiewende nämlich bereits gepackt und ist mit ihrem Konzept zu einer Art Pilgerstätte für Energieexperten weltweit geworden. Samsø ist nicht nur klimaneutral, sondern sogar emissions-negativ.

Elf landgestützte Windräder decken den gesamten Stromverbrauch. Die Fernwärme, an deren Netz die größeren Siedlungen angeschlossen sind, wird zum größten Teil durch das Verbrennen des Strohs von den eigenen Feldern erzeugt. Der Gebrauch fossiler Brennstoffe, der vor allem im Straßenverkehr und bei den Fährverbindungen zum Festland noch anfällt, wird durch die Arbeit der elf Offshore-Windräder kompensiert, die Ökostrom ins landesweite Netz einspeisen und damit eine entsprechende Reduktion der Herstellung von Kohlestrom erlauben.

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An der Nordseeküste ist der Klimawandel längst angekommen

„Wir werden noch einige weitere dänische Häfen anlaufen, ehe wir rund Skagen segeln und Nordfriesland ansteuern“, sagt Fuchs. „An der Nordseeküste ist der Klimawandel längst angekommen.“ Was man schon daran erkenne, dass Deiche, die früher lediglich vor Sturmfluten schützen sollten, heute aufgestockt und Klimadeich getauft werden – eine der Situation angepasste Wortschöpfung. „Der Anstieg des Meeresspiegels ist an unseren Küsten angekommen“, sagt Fuchs. Bis zum Ende dieses Jahrhunderts rechnen Wissenschaftler mit einem Anstieg um etwa einen Meter im Vergleich zum vorangegangenen Jahrhundert. Was bedeutet das für die Halligen und Inseln? Was für die Menschen und die Wirtschaft? „Es gibt Zyniker, die sagen: Dann verschwinden die Halligen eben. Doch so einfach kann man es sich nicht machen. Die Inseln sind wichtig für den Küstenschutz. Wenn sie verschwinden, frisst sich das Meer ungehindert weiter ins Land hinein.“

Vor Beginn der UN-Dekade der Ozeanforschung und Ozeanbeobachtung 2021 bis 2030 will Fuchs mit seiner Expedition die Situation an diesem Küstenabschnitt beleuchten. „In vielen Gesprächen mit Fachleuten, Wissenschaftlern, Touristen, Bürgermeistern und Menschen aus der Region wollen wir uns über das Thema kundig machen“, sagt Fuchs.

Auch Sylt steht auf der Expeditionsliste

Mit der „Dagmar Aaen“ will Fuchs direkt ins Wattenmeer vorstoßen. Was beim Tiefgang des schweren Haikutters grenzwertig sei, wie er es einschätzt. „Wir haben uns die Lage genau angeschaut und wissen, wo die Gefahren sind. Wir werden viel ankern und mit Beibooten an Land übersetzen.“

Weniger herausfordernd wird das Ansteuern der Insel Sylt sein. Dort werden Fuchs und seine Crew am 3. August im Erlebniszentrum Naturgewalten in List erwartet. „Gemeinsam mit dem dem Leiter des Zentrums, Matthias Strasser und Vertretern des Wegener-Institutes werde ich dort über die Folgen des Klimawandels sprechen.“

Ein weiteres Thema der Expedition vor der eigenen Haustür ist der Plastikmüll in den Weltmeeren. „Wir werden an allen Stationen im Wattenmeer Plastikmüll sammeln, um das Ausmaß der Belastung zu dokumentieren“, sagt Fuchs. Außerdem soll es in den Gesprächen mit Experten um die Gefahren durch Mikroplastik gehen.

Die Öffentlichkeit kann Arved Fuchs und seine Crew auf dieser Reise virtuell begleiten. Sowohl in den sozialen Medien als auch mit einigen Podcasts und Videos werden die Stationen dokumentiert. Mehr Infos unter arved-fuchs.de.