Bad Bramstedt/Tasiilaq. Exklusivinterview mit dem Bramstedter Arved Fuchs über Hitzewellen, das Eis der Arktis und seine persönliche Zukunft.

Auch auf Grönland scheint in diesen Tagen die Sonne. Der Himmel leuchtet blau, das Meer ist ruhig. „Schönster Grönland-Sommer“, sagt Arved Fuchs, der mit seinem Expeditionsschiff „Dagmar Aaen“ an der Ostküste der Insel unterwegs ist. Die Temperaturen liegen bei 14 bis 15 Grad, nachts fallen sie manchmal auf einstellige Wert. „Das ist normal“, sagt Fuchs. Nicht normal sieht hingegen das Meer aus. Das Treibeis ist verschwunden. Über dieses Phänomen und andere Beobachtungen während seiner Expedition Ocean Change hat das Abendblatt mit Arved Fuchs gesprochen.

Der Bramstedter hat jahrzehntelang die arktischen und antarktischen Gebiete der Erde bereist und wie kaum ein Zweiter beobachtet, wie der Klimawandel die Welt in diesen Regionen verändert. Dass in diesem Jahr kaum noch Treibeis zu sehen ist, gehört zu diesen beunruhigenden Entwicklungen. „Das war in früheren Jahren komplett anders“, sagt Fuchs. Er kann sich noch gut daran erinnern, wie er vor wenigen Jahren größte Mühe hatte, mit seinem Schiff manche Häfen wie Tasiilaq anzulaufen und Fjorde zu befahren, weil das Eis im Weg war.

Die Versorgung mit Süßwasser ist gefährdet

Das Treibeis ist in der Region weitgehend verschwunden, dafür kommen die Eisberge.
Das Treibeis ist in der Region weitgehend verschwunden, dafür kommen die Eisberge. © Arved Fuchs Expeditionen | Arved Fuchs Expeditionen

Heute sind die Wege frei, auch wenn viele Eisberge auf dem Meer schwimmen. Auch das ist ein neues Phänomen und keineswegs immer so gewesen: Wegen der Erwärmung der polaren Region brechen immer mehr Eisberge von den Gletschern ab.

„Das hat schwerwiegende Folgen für die Menschen hier“, sagt Arved Fuchs. Wenn die Gletscher schrumpfen, ist die Versorgung mit Süßwasser gefährdet. Außerdem könnten Wasserkraftwerke und damit die Stromversorgung mancher Siedlungen ausfallen. „Das derzeit normale Wetter hier ist kein Indikator dafür, dass hier nichts passiert“, sagt Arved Fuchs.

Indikatoren für den Klimawandel hat er schon vor fast 20 Jahren festgestellt. „Um das Jahr 2000 herum hat sich das bereits sehr deutlich abgezeichnet“, berichtet der Bramstedter. Damals konnte er im scheinbar ewigen Eis Passagen befahren, die vorher unpassierbar gewesen waren.

Unter dem Eindruck dieser Entwicklung haben sich die Expeditionen des Bramstedters verändert. Abenteuer und die Entdeckung der letzten weißen Flecken auf der Landkarte stehen nicht mehr oben auf der Agenda. Fuchs bietet heute sein Schiff als Forschungsplattform für die polaren Regionen an.

Landschaft wird sich in den kommenden 20 Jahren verändern

Auch bei dieser Reise sind Wissenschaftler an Bord gegangen. Vor wenigen Tagen haben sie bei Tasiilaq per Drohne die Fließgeschwindigkeit eines Gletschers berechnet. Andere erforschen von Bord aus Mikroplastik, das sich bis in die entlegensten Buchten Grönlands ausgebreitet hat. Demnächst wird eine Forscherin einen sogenannten Manta-Trawl einsetzen, der seitlich vom Schiff durchs Wasser geschleppt wird, um den Anteil des Mikroplastiks im Meer zu messen.

Fuchs wagt keine Prognose, wann das letzte Eis im hohen Norden verschwunden sein wird, doch er ist sicher, dass die Landschaft sich in den kommenden 20 Jahren dramatisch verändern wird. Ist diese Entwicklung noch aufzuhalten?

„Wir können die Uhr nicht zurückdrehen“, sagt Arved Fuchs. „Wir können nur versuchen, die Situation buchstäblich einzufrieren.“ Da die wissenschaftlichen Daten des Klimawandels zweifelsfrei auf dem Tisch liegen, müsse die Politik jetzt Ziele formulieren und umsetzen. Dabei wird es nach Fuchs’ Einschätzung nicht um Kleinigkeiten gehen. „Es müssen energische Taten folgen“, sagt er. Das Klima zu schützen, liege im Interesse aller Menschen.

Forscher tritt für eine Kerosinsteuer ein

Die Bucht von Tasiilaq war vor wenigen Jahren im Sommer mit dichtem Treibeis bedeckt.
Die Bucht von Tasiilaq war vor wenigen Jahren im Sommer mit dichtem Treibeis bedeckt. © Arved Fuchs Expeditionen | Arved Fuchs Expeditionen

Längst gehe es nicht mehr nur um das schrumpfende Eis, sondern auch um Extremwetter. Dazu gehören schwere Stürme und Niederschläge sowie extreme Hitzewellen, wie sie Deutschland jetzt erlebt.

Über die Forderung nach einer CO2-Abgabe sagt Fuchs: „Das muss man diskutieren und man muss darüber nachdenken.“ Ihm leuchtet nicht ein, warum jeder Bürger ganz selbstverständlich für die Entsorgung seines Mülls Gebühren zahle, nicht aber für das Gas CO2, bei dem es sich ebenfalls um ein Abfallprodukt handele. Er tritt auch für eine Kerosinsteuer ein. „Einiges wird sich verteuern“, sagt Fuchs.

Er kündigte an, auch künftig auf Expeditionen zu gehen. Mit 66 Jahren denke er natürlich über seine Zukunft nach, doch für ihn steht fest: „Solange ich das kann, mache ich weiter. Ich habe noch einige Ideen.“

Weitere Infos: Schrottplatz

Die Besatzung der „Dagmar Aaen“ hat vor wenigen Tagen an der grönländischen Küste einen gigantischen Schrottplatz erkundet. Am Ikateq-Sund liegt der ehemalige US-Luftwaffenstützpunkt Bluie East 2, der 1942 gegründet und 1947 verlassen wurde. Die Soldaten ließen 10.000 Fässer, Lastwagen, Kräne, Dampfkessel und Hangars zurück. „Eine Sauerei“, schreibt der Norderstedter Matthias Steiner im Online-Logbuch. Der NDR-Redakteur ist seit Jahren mit Arved Fuchs befreundet und begleitet ihn auf vielen Expeditionen. Zwei Tage habe die Besatzung gebraucht, um das das gesamte Gelände zu dokumentieren. In einem Vertrag mit den USA habe sich Dänemark 2018 verpflichtet, 26 Millionen Euro für die Sanierung der Fläche bereitzustellen, schreibt Steiner. Inwieweit der Boden durch Öl und Diesel vergiftet ist, sei ungeklärt. tz