Norderstedt. Quietscheenten, Lampen und Bettwäsche – Sigrid und Ewald Holtz haben nahezu alles gesammelt, was das Rautenherz begehrt.

Wer Sigrid und Ewald Holtz in ihrem Haus in Norderstedt besucht, wird von Dennis Diekmeier begrüßt. Eine lebensgroße und täuschend echt aussehende Pappfigur des ehemaligen HSV-Fußballprofis steht im Wohnzimmerfenster neben dem Eingang – und lächelt die Gäste an. „Den haben wir auf dem Schnäppchenmarkt ergattert“, sagt Ewald Holtz. Obwohl er die Figur schon vor Monaten gekauft hat, freut sich der 67-Jährige immer noch über seine Errungenschaft. „Dafür haben wir gerade einmal 30 Euro bezahlt“, sagt er triumphierend.

Das Ehepaar Holtz hat sich in den vergangenen 17 Jahren das Paradies eines jeden HSV-Fans erschaffen. Jeder Raum des Hauses ist mit blau-weiß-schwarzen Fanartikeln geschmückt – die Sammlung besteht aus mehreren Tausend Teilen. Allein im Flur hängen zig Fahnen von der Decke herab, im Schlafzimmer haben die Rauten-Liebhaber ihre Trikots feinsäuberlich in Kisten sortiert. Rund 200 Stück besitzen sie. Jede Saison kaufen sie sich ein neues. Vor ungefähr vier Jahren, Ewald Holtz erinnert sich nicht mehr an den genauen Zeitpunkt, hat er sich Trikots mit nahezu jedem Spielernamen der Mannschaft bedrucken lassen. „Damals habe ich noch gearbeitet, heute wäre mir das zu teuer.“

Auch die Gartenzwerge tragen Trikots des Lieblingsvereins.
Auch die Gartenzwerge tragen Trikots des Lieblingsvereins. © Annabell Behrmann | Annabell Behrmann

Inzwischen ist er Rentner. Genau wie seine Frau. Früher hat Ewald als Automateneinrichter gearbeitet, Sigrid als Verkäuferin in der Süßwarenabteilung. Vor 18 Jahren haben sich die beiden kennengelernt, wenig später begann ihre Sammelleidenschaft. „Ich war schon immer HSV-Fan, aber habe mich lieber zurückgehalten. Bis mich Sigrid einmal mit ins Stadion genommen hat. Seitdem haben wir Dauerkarten und angefangen zu sammeln“, sagt Ewald Holtz.

Ewald Holtz tippt auf einen 2:1-Derbysieg für den HSV

Die Norderstedter haben sich zunächst einzelne Fanartikel gekauft, dann kamen im Laufe der Jahre immer mehr dazu. Heute stehen Gläser, Uhren und Lastwagen in Vitrinen. Hinzu kommen Gartenzwerge, Quietscheenten, Lampen, Golfbälle, Telefone und Sparschweine in den Schränken. An den Wänden hängen Bilder, Mützen und die ersten Schuhe des heute 15 Jahre alten Enkelkindes. Überall ist die Raute drauf. Man bräuchte Tage, wenn nicht sogar Wochen, um jedes einzelne Detail im Haus zu entdecken. Viele Stücke sind nicht mehr in Geschäften erhältlich, das Ehepaar hat sie auf Flohmärkten oder im Internet gefunden. Manches sind Spezialanfertigungen, etwa wie der Strandkorb im Garten. „Am schönsten finden wir die Sachen, die nicht jeder hat“, sagt Sigrid Holtz.

Im Wohnzimmer steht eine zwei Meter große Statue eines Fußballers. Die 63-Jährige hat sie von Freunden zum Geburtstag geschenkt bekommen. „Ursprünglich stand die Figur mal im Garten, aber hier drinnen kann ich sie besser sehen“, sagt sie. Auf dem Rücken trägt die Statue die Nummer fünf, die einst Joris Mathijsen gehörte, Sigrids Lieblingsspieler – auch wenn der Niederländer schon längst nicht mehr beim HSV spielt. Selbst ihren Kater hat sie nach Mathijsen benannt. „Leider wurde er überfahren.“ Die neue Katze heißt Jarolim. Wie Vereinslegende David Jarolim.

Die ersten Schuhe des Enkelkindes – natürlich vom HSV.
Die ersten Schuhe des Enkelkindes – natürlich vom HSV. © Annabell Behrmann | Annabell Behrmann

Das Ehepaar, das wenig überraschend in HSV-Bettwäsche schläft, lebt seine Liebe zum Verein offen aus. Mehrere Hundert Euro im Monat investiert es in neue Liebhaberstücke. Das kann nicht jeder nachvollziehen. „Hier sind schon Leute mit dem Fahrrad an unserem Haus vorbeigefahren und haben den Stinkefinger gezeigt“, sagt Ewald Holtz. Und einmal habe jemand einen St.-Pauli-Sticker an ihr Auto geklebt, erinnert sich Sigrid Holtz. „Ansonsten erleben wir keine Anfeindungen.“ Ein Großteil des Freundeskreises hat Verständnis für die Sammelleidenschaft der Fußballfans, einige finden es zu übertrieben. „Uns macht es Spaß – besonders weil wir es gemeinsam machen“, sagen die beiden.

Holtz kann nur unter Schmerzen ins Stadion

Schwer fällt es Ewald Holtz, dass er derzeit nicht ins Volksparkstadion gehen kann. „Ich hatte einen schweren Motorradunfall vor zwei Jahren und habe mir das Sprunggelenk zertrümmert“, berichtet er. Vorerst läuft er an Krücken oder sitzt im Rollstuhl. Vor ziemlich genau einem Jahr hat er sich unter großen Schmerzen ins Stadion gequält. „Aber ich konnte keine drei Schritte aushalten.“ Seitdem schaut er sich die Spiele zu Hause vor dem Fernseher an.

Hier guckt er auch am heutigen Montagabend mit seiner Frau und Freunden das Stadtderby zwischen dem FC St. Pauli und dem HSV. Anders als andere Fans verabscheut er den Hamburger Rivalen nicht. „Wir sind für unseren Verein, aber nicht gegen den anderen“, sagt er. Ewald Holtz tippt auf einen knappen 2:1-Sieg für seine Mannschaft.

Außerdem hat er einem befreundeten St.-Pauli-Fan eine weitere Errungenschaft in seiner Sammlung zu verdanken – eine Pappfigur von Rafael van der Vaart. „Unser Bekannter hat sie im Knick gefunden“, sagt Holtz. Inzwischen steht der Aufsteller neben seinem alten Teamkollegen Dennis Diekmeier im Wohnzimmerfenster und begrüßt die Gäste.