Henstedt-Ulzburg. Das hat es seit Jahrzehnten nicht gegeben: Die Quelle des Hamburger Wahrzeichens sprudelt nicht mehr. Was Experten befürchten.
Rolf Jungbluth, seit 70 Jahren ein Kenner der Alster, ist entsetzt. Wie schon oft hat der begeisterte Radfahrer sich auf den Weg gemacht, um die Alsterquelle in Henstedt-Rhen zu besuchen. Eine Oase der Ruhe am Rande der Großgemeinde.
Anfang September aber macht er eine seltsame Entdeckung: Die Alsterquelle sprudelt nicht mehr. Die Eisenplatte, mit der die Quelle seit Jahrzehnten eingefasst ist, liegt im Trockenen, rundherum ist kein Tropfen Wasser zu sehen. „So etwas habe ich noch nie erlebt“, sagt der Norderstedter.
Die ersten 150 Meter der Alster sind ausgetrocknet
Rolf Jungbluth hat richtig beobachtet: Nicht nur die Quelle ist versiegt, sondern auch im weiteren Verlauf Richtung Osten ist kein Tropfen Wasser zu sehen. Etwa 150 Meter hinter der Alsterquelle führt eine imposante Holzbrücke über die Alster, die an dieser Stelle durch weitere Zuflüsse eigentlich bereits zu einem ansehnlichen Wasserlauf angeschwollen sein sollte. In diesen Tagen aber herrscht auch hier Trockenheit.
Schon seit Monaten ist Rolf Jungbluth immer wieder zur Alsterquelle gefahren, um die Entwicklung zu beobachten. „Bisher war dort immer noch eine Pfütze zu sehen“, sagt er. „Jetzt aber überhaupt nichts mehr.“ Er fragt sich: „Ist das eine Auswirkung des Klimawandels?“
Der Norderstedter kennt die Alster noch von einer ganz anderen Seite. In seiner Kindheit hat er in Duvenstedt direkt an der Alster gelebt – und sich immer darüber gefreut, wenn das kleine Flüsschen nach heftigen Regenfällen über die Ufer trat. „Bei Überschwemmungen konnten wir mit dem Floß im Garten fahren“, erinnert er sich. „Ein großer Spaß für uns Kinder.“
2014 trocknete der Alster-Zufluss Saselbek aus
Im Jahre 2014 gab es schon einmal Alarm: Die Saselbek, ein Zufluss der Alster, trocknete aus. Bei einem folgenden Extremwetterkongress war dieser Umstand Anlass, eine düstere Fotomontage zu zeigen: Hamburg mit ausgetrockneter Alster...
Kann es tatsächlich soweit kommen? Marianne Baier, Vorsitzende des Hamburger Alstervereins, kann sich das nicht vorstellen. „Natürlich stelle ich fest, dass der Wasserstand der Binnen- und Außenalster schwankend ist, aber ich denke, dass er sich immer wieder reguliert.“
Expertin glaubt an Auswirkung des Klimawandels
Das zeitweise Versiegen der Alsterquelle hält sie aber schon für eine Auswirkung des Klimawandels. Sie verweist an die Gemeinde Henstedt-Ulzburg, die für die Pflege der Alsterquelle zuständig ist.
Gemeindearchivar Volkmar Zelck hat sich mit der Geschichte der Alster sehr eingehend beschäftigt und kennt alle Zuflüsse. „Die Alster wird ja nicht alleine aus der Quelle gespeist.“ Aber auch er hält es für auffällig, dass nicht nur die Quelle trockengelegt ist, sondern auch der mäandernde Alsterlauf dahinter. Die Alster weist vom Quellgebiet bis zur aufgestauten Außenalster 14 linke Nebenflüsse und sieben rechte Nebenflüsse auf. Bis die alle versiegt sind, wird vermutlich viel Zeit vergehen.
Metereologe hofft, dass die Quelle wieder„anspringt“
Metereologe Frank Böttcher, der jetzt in Wiesbaden für wetter.net tätig ist, geht davon aus, dass ein Austrocknen der Alsterquelle noch kein Grund zur Panik ist. „Wenn es längere Zeit regnet, springt die Quelle wohl wieder an“, sagt der Experte.
„Ich gehe davon aus, dass die Alster an dieser Stelle kein Wasser aus großer Tiefe zieht, sondern eher aus den oberen Schichten.“ Erst wenn sämtliche Zuflüsse austrocknen würden, könnte das Wasser aus dem gesamten Oberlauf der Alster verschwinden.
Rechte Nebenflüsse der Alster
- Mühlenau / Mühlenbach
- Diekbek
- Mellingbek
- Minsbek
- Susebek
- Tarpenbek
- Isebek
Tatsächlich sei eine Zunahme der sommerlichen Trockenphasen zu erkennen, auch zu Beginn des Frühjahrs zeichneten sich in den vergangenen Jahren längere Phasen ohne Niederschläge ab. Das ist nach seinen Angaben eine Folge der schnelleren Erwärmung, wodurch sich vermehrt Hochdrucklagen bilden könnten.
„Wenn es dann noch eine längere Trockenphase im Sommer gibt, kann es sein, dass Wasser- und Grundwasserspiegel sinken.“ Die Niederschläge des vergangenen Winters hätten nicht ausgereicht, um den Spiegel wieder ausreichend ansteigen zu lassen.
Linke Nebenflüsse der Alster
- Wöddelbek
- Wischbek
- Höllenbek
- Rönne
- Alte Alster
- Sielbek
- Ammersbek
- Drosselbek
- Bredenbek
- Rodenbek
- Lohbek
- Saselbek
- Osterbek
- Wandse
Faulgeruch könnte sich über der Außenalster ausbreiten
Kann sich das mögliche Versiegen der Alsterquelle und des Alsterlaufs auf die Alsterseen in Hamburg auswirken? Frank Böttcher geht nicht davon aus, befürchtet aber andere Folgen: „Die Außenalster ist ein stehendes, drei Meter tiefes Gewässer. Wenn die Schleusen geschlossen werden, verdunstet das Wasser langsam.“
Sollte es jedoch über längere Zeit kein Frischwasser durch Zufluss oder Regen mehr geben, so würden sich seiner Ansicht nach Blaualgen bilden, das Wasser würde sich eintrüben, Sauerstoff verschwinden und sich durch Schwefelwasserstoff- und Methanbildung ein Faulgeruch ausbreiten.