Norderstedt. Jedes Jahr werden 125 Kinder mehr geboren als vorhergesagt. Stadt versucht Abhilfe zu schaffen, stellt Container auf und baut neu.

Die Situation bei den Kitas ist nach wie vor angespannt. „Wir gehen davon aus, dass rund 50 Kinder, die bis zum 30. September das dritte Lebensjahr vollenden werden, keinen Betreuungsplatz haben“, sagt Norderstedts Sozialdezernentin Anette Reinders. Da viele Eltern sich bei mehreren Einrichtungen anmelden, stehe erst mit Beginn des neuen Kita-Jahres im Oktober fest, wie viele Kinder tatsächlich unversorgt sind. Wenn die Lage nicht dramatisch wäre, und zwar in ganz Schleswig-Holstein, hätte das Land nicht zusätzlich Geld für weitere Plätze bewilligt, sagt die Dezernentin.

Land bezuschusst Kreis mit 24,9 Millionen Euro

Die Landesregierung stellt für 2018 und 2019 höhere Betriebskostenzuschüsse von knapp 110 Millionen Euro zur Verfügung. „Auf den Kreis Segeberg entfällt davon im Jahr 2018 ein Plus von 5,5 Millionen Euro, das sich im nächsten Jahre noch einmal um mehr als zwei Millionen Euro erhöht“, sagt der Segeberger CDU-Landtagsabgeordnete Ole-Christopher Plambeck, finanzpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion. Insgesamt fördere das Land die Kitas im Kreis Segeberg in diesem Jahr mit 24,9 Millionen Euro, im nächsten mit 27 Millionen Euro.

Zusätzlich würden im Investitions-Sofortprogramm landesweit weitere zehn Millionen Euro für den Ausbau von Kita-Plätzen bereitgestellt. „Gerade entlang der Autobahn 7 steigt die Einwohnerzahl, zwischen Norderstedt und Neumünster ist der Bau von zusätzlichen Krippen und Kitas besonders wichtig. Daher ist es ein richtiges Zeichen, dass die erforderlichen Baumaßnahmen auch künftig vom Land bezuschusst werden“, sagt Norderstedts CDU-Landtagsabgeordnete Katja Rathje-Hoffmann.

Ausbildung zum Erzieher soll vergütet werden

„Die Initiative kann ich nur begrüßen, sie ist ja schließlich unser Baby“, sagt Norderstedts Sozialdezernentin Anette Reinders zum Vorstoß von Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien, die sich für eine duale Erzieher-Ausbildung ausgesprochen hatte – und zwar eine bezahlte.

Denn: Jeder Friseurlehrling geht ab dem ersten Ausbildungsmonat mit einem Grundgehalt nach Hause, angehende Erzieher verdienen zunächst keinen Cent, was Ausbildung und Beruf nicht gerade attraktiver machen. Dabei wird Erzieher-Nachwuchs dringend gebraucht, nachdem Städte und Gemeinden viele neue Kita-Plätze geschaffen haben und der Fachkräfte-Markt leergefegt ist.

Allerdings will die Ministerin den Betreibern der Kitas die Finanzierung der dualen Erzieher-Ausbildung aufdrücken, ganz im Gegensatz zu Niedersachsen Ministerpräsident Weil. Er hatte gesagt, die Ausbildung würde aus öffentlichen Mitteln bezahlt.

„Das können wir als Stadt allein nicht finanzieren“, sagt Reinders. Norderstedt wolle sich gern beteiligen, wenn das Land seinen Beitrag leiste. „Welche Vorstellung hat die Bildungsministerin eigentlich, woher die Kita-Träger das Geld nehmen sollen?“, fragt Sönke E. Schulz, Geschäftsführender Vorstand des Schleswig-Holsteinischen Landkreistages.

Der Landkreistag erwarte, dass die Kosten der dualen Ausbildung solidarisch durch das Land mitgetragen werden. Sonst müssten die Kommunen einspringen. Das würde das Ziel der von der Landesregierung angekündigten Kita-Reform, die Kommunen finanziell zu entlasten, konterkarieren.

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Zudem wolle die Kieler Koalition die Finanzierung der Kitas grundlegend reformieren. „Mit einem mittleren dreistelligen Millionenbetrag werden wir ab 2020 dafür sorgen, dass die Elternbeiträge landesweit vereinheitlich und auf niedrigerem Niveau gedeckelt werden“, sagen Plambeck und Rathje-Hoffmann. Und da belegt Norderstedt einen Spitzenplatz: 230 Euro kostet hier der Ganztagsplatz gleichermaßen für Krippen- wie Elementarkinder. In den Nachbarstädten und -Gemeinden sind zumindest die Krippenplätze zu Teil deutlich teurer, so verlangt Tangstedt für die ganztägige Betreuung in der Krippe 535 Euro. Darüber hinaus sollen die Städte und Gemeinden, die derzeit rund die Hälfte der Kinderbetreuungskosten tragen würden, entlastet und die Qualität verbessert werden – beispielsweise durch mehr Erzieher und Erzieherinnen, erweiterte Öffnungszeiten und zusätzliche Betreuung während der Ferien.

Mehr Plätze sind nötig, weil es mehr Kinder gibt als von den Statistikern vorhergesagt. „Die Prognose nennt für das Jahr 2016 eine Geburtenzahl von 630 Kindern, laut unserem Einwohnermeldeamt wurden in Norderstedt 755 Jungen und Mädchen geboren“, sagt Reinders. 125 Kinder mehr pro Jahrgang seien eine erhebliche Herausforderung, die nicht kurzfristig zu bewältigen sei. Jeder Kitabau brauche mindestens zwei Jahren Vorlaufzeit, deswegen fährt die Stadt eine Doppelstrategie: In der ersten Stufe stellt sie Container auf. Gleichzeitig wird ein fester Neubau vorbereitet, in den die Kinder dann umziehen.

Neun von zehn älteren Kindern haben einen Platz

Seit Anfang August gibt es 99 neue Plätze für Kinder ab drei Jahren in den Kitas Sternschnuppe (20 Plätze), im Hort Pellwormstraße (19), neuer Container des Vereins „der Kinder wegen gGmbH“ an der Lawaetzstraße (60). Im Dezember sollen die neuen Kitas am Stadtmuseum und am Stadtpark mit jeweils 60 Plätzen öffnen.

„Schon in letzten Jahren haben wir erhebliche Anstrengungen unternommen, um mehr Plätze zu schaffen“, sagt Reinders. Seit 2011 wurden rund 400 Krippenplätze und 360 Elementarplätze in Norderstedt in Neubauten oder durch Umstrukturierungen neu geschaffen. Aktuell gibt es in der Stadt 638 Plätze für Kinder unter drei Jahren und 2138 für Elementarkinder. 211 Krippenkinder werden von Tagesmüttern betreut. Für 90 Prozent der Älteren gebe es einen Kita-Platz. 100 Kinder sind in anderen Gemeinden und Städten untergebracht. Die Stadt Norderstedt zahlt in diesen Fällen die Differenz zwischen den dort anfallenden Kosten und den Norderstedter Kita-Gebühren.

Bisher konnte die Stadt Klagen vermeiden

Inzwischen versuchen Eltern, auch juristisch ihren Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz durchzusetzen – bisher vergeblich. „Wir konnten beispielsweise einen Platz bei einer Tagesmutter zur Verfügung stellen und so das Problem lösen“, sagt Reinders. Allerdings wollten die Eltern zunehmend einen Kita-Platz, darauf müsse und werde die Stadt reagieren.

Das Kita-Werk Niendorf-Norderstedt im Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein, das in Norderstedt neun Kitas betreibt, bestätigt die angespannte Lage: „Auch wir haben 43 Anmeldungen mehr als Plätze. Wir versuchen, den Überhang auszugleichen, indem wir die Gruppen von 20 auf 22 Kinder vergrößern, was das Kita-Gesetz erlaubt“, sagt Stefanie Sillus, stellvertretende Geschäftsführerin des Kita-Werkes. In diesem Jahr wurde keine weitere Kita gebaut oder erweitert. „Wir haben in den letzten Jahren von acht Kitas fünf erweitert oder neu gebaut“, sagt Sillus. Im nächsten Jahr werde die Kita der Johanneskirche in Friedrichsgabe durch einen Neubau von vier auf sieben Gruppen erweiter, die Zahl der Plätze steige von 70 auf 120.