Norderstedt. Konflikt um Verhaltensregeln im Park eskaliert, Bürger geraten aneinander. Verwaltung muss reagieren und setzt auf die Moderation.
Diese Geschichte ist so alt wie die moderne Stadtplanung und die Konflikte, die sie mit sich bringt. Sie ist exemplarisch für viele ähnliche Situationen in allen Ecken von Norderstedt – einer wachsenden Stadt, in der sich Wohnflächen zunehmend an den Rand der verbliebenen Grün- und Erholungsbereiche ausbreiten. Konflikte zwischen den Bürgern sind programmiert.
Die Geschichte dreht sich um rücksichtslose Zeitgenossen im öffentlichen Raum und Regeln, an die sich längst nicht jeder hält. Um genervte Bürger, die unter dem Freizeit-Lärm der anderen leiden, die gestresst sind von der Ohnmacht, nichts an ihrer Situation ändern zu können und die sagen, dass sie sich allein gelassen fühlen von Polizei und Behörden.
„Und bitte – das müssen wir klarstellen: Es geht nicht um Kinder, die Fußball spielen oder um Flüchtlinge, die sich – vielleicht aus Unwissenheit – falsch verhalten“, sagt die Norderstedterin. „Wir sind keine Kinder-Hasser oder Ausländerfeinde.“
Die Frau ist Anwohnerin des Moorbekparks, hier spielt die Geschichte. Die Frau und 24 andere Nachbarn aus der seit 2015 bestehenden Wohnanlage am Buckhörner Moor wollen nicht mit Namen oder gar einem Foto in die Zeitung – aus Angst vor möglichen Folgen. „Wir wollen nicht noch angegangen werden oder Graffiti auf dem Haus vorfinden“, sagt die Frau.
Die Wohnanlage bietet einen Premium-Blick auf die Bereiche, um die sich hier alles dreht. Ein staubiger Bolzplatz mit netzlosen Metalltoren und ausgebeulten Ballfangzäunen dahinter. Ein modernes Kunstrasenfeld mit Fußballtoren und einem Basketballkorb, das der benachbarten Heidberg-Grundschule als Schulsportanlage dient und ansonsten jedem offen steht. Und daneben ein Beachvolleyball-Feld mit Metallnetz und goldgelbem Sand.
Der Moorbekpark, die Spielflächen, die Schule – alles war schon da, als die Wohnanlage 2015 vis á vis gebaut wurde. Die neuen Nachbarn wussten, dass sie Schul- und Parklärm erdulden müssen. „2015, 2016 – da war alles gut. Aber das hat sich 2017 geändert. Massiv“, sagt die Anwohnerin. Es gibt Nutzungszeiten für die Anlagen. Sie stehen auf großen Schildern vor der Anlage – auf Deutsch, auf Englisch, sogar in Piktogramme übersetzt. Gespielt werden darf montags bis freitags von 8 bis 20 Uhr und sonn- und feiertags von 9 bis 13 und von 15 bis 20 Uhr. Feuer, Zigaretten, Hunde, Fahrräder, Alkohol und Musik sind verboten. „Im Interesse der Anlieger sind diese Zeiten strikt einzuhalten“, steht da, unterzeichnet mit „Stadt Norderstedt – Der Oberbürgermeister“.
Geschrei und Partys bis spät in die Nacht – und Drohungen
Was die Anwohner aber laut eigenen Aussagen seit Monaten erleben: Erwachsene, die bis weit nach 22 Uhr Fußball oder Beachvolleyball spielen, mit viel Geschrei. Feiernde Jugendliche, die Alkohol trinken und auf koffergroßen Sound-Anlagen Musik plärren lassen. Leute, die grillen und ihren Müll liegen lassen. Trinker, die auf der Parkbank oder der Garageneinfahrt übernachten.
„Wenn man die Leute anspricht, wird man bedroht“, sagt eine Anwohnerin. Ein Mann, den sie auf die Mittagsruhe auf dem Kunstrasenplatz am Wochenende ansprach, habe geantwortet: „Halte mal schön das Maul, sonst bekommst du eine drauf!“ Aggressive Jugendliche wiesen eine Anwohnerin zurecht. „Wir sind in der Überzahl, sei mal schön ruhig!“
Zuletzt hätten Jugendliche bis nachts um 2 Uhr gefeiert. „Dann rufst du die Polizei. Und kaum hält der Peterwagen an der Straße, sind sie alle weg.“ Ein Anwohner führt – auf Anraten der Polizei – seit einem Jahr ein Lärmprotokoll. Und obwohl er sich dabei selbst schon blöd vorkommt – das Protokoll ist das einzige Dokument, das die Lärmbelästigung nachweist. Dazu hat er dutzende Aufnahme der Lärmkulisse und Fotos von vermüllten Flächen und umgetretenen Mülleimern. „Wir haben hier jeden Tag Stadtfest“, sagt seine Frau. „Wir haben uns hier unsere Traumwohnung gekauft und können sie kaum noch genießen. Die permanente Beschallung macht das Sitzen auf der Terrasse unmöglich.“ Eine Nachbarin erzählt, dass der Lärm selbst beim Fernsehen im Wohnzimmer nicht zu überhören ist. „Wir setzen uns schon ins Schlafzimmer vor den Fernseher, wenn wir unsere Ruhe wollen.“
Es gebe auch andere Mieter im Haus, sagt einer der Anwohner. „Die sagen: Lärm ist Leben! Oder: Ich bin Fußballfan und habe mal an der lauten Ulzburger Straße gewohnt – mir macht das nichts. Aber wir haben auch die Unterschriften von 25 Nachbarn, die alle unter dem Lärm leiden.“
Dutzende Anrufe und Einsätze der Polizei seien letztlich folgenlos geblieben. Die Bürger haben beim Ordnungsamt der Stadt vorgesprochen – die Lage blieb unverändert. Auch an die Politik haben sie sich gewandt, ernteten Verständnis – aber auch nicht mehr. „Wenn nichts passiert, streben wir eine einstweilige Verfügung vor Gericht an“, sagt einer der Anwohner. Am liebsten würde er die Nutzung der Anlagen nach 18 Uhr und am Wochenende verbieten lassen. Die anderen Anwohner würden sich schon freuen, wenn wenigstens die auf den Schildern angegebenen Zeiten eingehalten würden.
Anwohner und Parknutzer müssen Recht bekommen
In dem eskalierenden Konflikt geht es am Ende um die Frage, wie die Interessen und Rechte aller Beteiligten gewahrt werden können. Das Bedürfnis der Anwohner nach Ruhe ebenso wie das Bedürfnis der Allgemeinheit, sich im Park zu erholen, zu spielen, sich zu bewegen und ab und an auch ausgelassen zu feiern – etwa im Sommer.
Das Ordnungsamt bestätigt auf Anfrage, dass die Situation bekannt sei. Allerdings eine ganz andere Situation. Zwischen Bolzplatz und Wohnanlage bestehe „immerhin ein räumlicher Abstand von annähernd 100 Metern Luftlinie“. Der Kommunale Ordnungsdienst habe wiederholt zu verschiedenen Zeiten kontrolliert und „keine gravierenden Feststellungen gemacht“. Es habe keine auffälligen Vermüllungen gegeben, die Polizei bewerte das Gebiet nicht als Brennpunkt. Es gebe keinen Anlass, die Nutzungsregeln zu ändern. Es sei wohl der ausgesprochen guten Witterung geschuldet, dass es „die Menschen in größerer Zahl und bisweilen auch zu späterer Stunde als gewohnt ins Freie und in Grünanlagen und Parks“ ziehe. Das berge generell ein bestimmtes Konfliktpotenzial.
„Das heißt nicht, dass wir die Beschwerden der Bürger nicht ernst nehmen – ganz im Gegenteil“, sagt Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder. „Es gibt klare Regeln für die Nutzung der Sportflächen. Und wir sind dafür zuständig, dass sie eingehalten werden. Und das werden wir tun. Wir haben derzeit schon verstärkt ein Augenmerk darauf.“ Die Schwierigkeit sei, immer dann vor Ort zu sein, wenn die von den Anwohnern beschriebenen Verstöße geschehen. „Bisher haben wir eben nichts festgestellt. Aber 365 Tage im Jahr können wir nicht vor Ort sein“, sagt Roeder.
Den Konflikt überschneidender Interessen will Roeder nicht nur mit dem Durchsetzen von Regeln und Verboten in den Griff bekommen. „Die Ansprache aller Beteiligten sollte das erste Mittel, das Verbot das letzte Mittel sein.“ Spielflächen einzuzäunen und außerhalb von Nutzungszeiten abzuschließen, davon hält sie nichts. Roeder: „Wollen wir das wirklich? Ist das ein schöner Anblick – auch für Anwohner? Und sollte es nicht auch okay sein, wenn man mal eine halbe Stunde länger spielt als erlaubt?“ Die Lösung derartiger Interessenkonflikte ließe sich nur im Miteinander erreichen.
„Regeln funktionieren nur bei gegenseitigem Verständnis“, sagt Roeder. Eine Idee wäre es, einen Quartiersmanager einzusetzen, der sich genau um diese Moderation zwischen den Parteien kümmert. „Meine Überlegungen dazu sind noch nicht abgeschlossen“, sagt die Oberbürgermeisterin.