Norderstedt. Und kann Neumünster bald als viertgrößte Stadt in Schleswig-Holstein überholen. Aber: Flächen für Wohnungsbau werden knapp.
Der Kreis Segeberg wächst, 272.235 Einwohner waren es am 31. Dezember 2016, 4732 mehr als ein Jahr zuvor. Damit hat der Kreis am kräftigsten unter den elf schleswig-holsteinischen Landkreisen zugelegt.
Das ergibt sich aus den Zahlen des Statistikamtes Nord, für 2017 liegen noch keine Daten vor. Der Zuwachs spiegelt sich in der Einwohnerentwicklung der Städte und Gemeinden wider.
Die Zahl der Norderstedter ist von Ende 2015 auf 2016 von 76.712 auf 77.996 gestiegen. Inzwischen hat die Stadt nach ihren eigenen Zahlen, die immer höher sind als die des Statistikamtes, eine Schallgrenze durchbrochen, die die Landesplanung vor Jahrzehnten als Zielzahl ausgegeben hatte: 80.000. Die Landesplaner gingen davon aus, dass in Norderstedt deutlich früher mehr als 80.000 Menschen leben werden. 80.090 waren es Ende 2017.
Und die Wachstumsspirale dreht sich weiter. Bis zu 1300 Menschen sollen ins Öko-Neubaugebiet Grüne Heyde ziehen, am Glashütter Damm sind rund 600 Wohnungen geplant, hinzu kommen kleinere Baugebiete. Norderstedts Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder hält es für falsch, die Stadtentwicklung nur an Zahlen zu koppeln. „Es kommt doch vielmehr darauf an, dass das Wachstum des Wirtschaftsstandortes und des Wohnortes immer mit dem Erhalt, oder besser noch, mit dem Wachstum von Lebensqualität korrespondiert.“
Daher wolle und könne sie keine Zielzahl vorgeben, aber: Realistisch seien „83.000 + x Einwohnerinnen und Einwohner“ bis zum Jahr 2030.
Das Problem: Viele Menschen drängen vornehmlich aus Hamburg in die Stadt – der Druck, Wohnraum zu schaffen, ist groß, doch die „Grüne Heyde“ und der Bereich am Glashütter Damm sind die letzten großen Wohnbauflächen in der Stadt.
Bürger protestieren gegen zu dichte Bebauung
Viele Bürger fürchten den Verlust an Grünflächen, Widerstand regt sich. So hatte sich die Bürgerinitiative „Rettet den Moorbekpark!“ gegen eine zu dichte Bebauung am Buckhörner Moor stark gemacht, die Mieterinitiative am Friedrichsgaber Weg protestiert dagegen, dass „auch das letzte Stückchen Grün“ bebaut werden soll. Bisher verhindert die Landesplanung, dass Norderstedt in die Feldmark hineinwächst. Die Achse Niendorfer Straße/Friedrichsgaber Weg im Westen und die Schleswig-Holstein-Straße im Osten fungieren als Siedlungsgrenzen, eine Bebauung außerhalb ist tabu.
Die CDU wollte vor gut zwei Jahren beim Land beantragen, diese Grenzen aufzuheben. Nur so könnten ausreichend Wohnungen entstehen. Doch im Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr scheiterte der Antrag. Abzuwarten bleibt, was das Land künftig vorgeben wird, die Regionalpläne werden überarbeitet.
Dass Norderstedt die 80.000-Einwohner-Marke geknackt hat, schlägt auch auf die Rangliste der größten Städte in Schleswig-Holstein durch: Da könnte die Stadt Neumünster schon bald von Platz vier verdrängen. In Neumünster leben laut dortigem Einwohnermeldeamt 80.367 Menschen, nur noch 277 mehr als in der bisher fünftgrößten Stadt im Norden. Werden die Zweitwohnungen addiert, ist Norderstedt sogar schon vorbeigezogen. Dann kommt Neumünster auf 80.759 Einwohner, Norderstedt auf 82.805.
Allerdings spielt der Tabellenplatz höchstens aus sportlicher Sicht eine Rolle. Die Oberbürgermeisterin bekommt nicht mehr Geld dafür, dass sie die viertgrößte statt die fünftgrößte Stadt lenkt. Auch auf die Finanzausgleichsumlage, die Norderstedt ans Land zahlt, und auf die Kreisumlage hat die Tabellenposition keinen Einfluss: „Diese Zahlungen richten sich nach der finanziellen Leistungsfähigkeit einer Kommune, nicht vordergründig nach ihrer Größe. Allerdings würde eine steigende Einwohnerzahl voraussichtlich den Anteil der Stadt an der Einkommensteuer erhöhen“, sagt die Oberbürgermeisterin, für die das Rennen um Platz vier keine Rolle spielt.
Norderstedt befinde sich nicht in „irgendeiner Art von Wettkampf mit Neumünster“. Im Gegenteil: Als Partner im Verbund Nordgate vertreten und vermarkten Norderstedt und Neumünster erfolgreich die Wirtschaftszone entlang der A 7. Roeder hat lange in Neumünster gelebt, wohnt nun in Norderstedt. „Der Vergleich der Einwohnerzahlen hat keinerlei Auswirkungen auf mein berufliches und privates Leben“, sagt sie.
Das Kennzeichen NO ist zurzeit kein Thema
Auch Amtskollege Olaf Tauras ist kein Fan von Zahlenspielen: „Wir sehen uns in keiner Weise im Wettbewerb mit der Stadt Norderstedt, sondern pflegen einen engen Austausch und Kooperationen“, sagt der Oberbürgermeister von Neumünster. Entgegen früherer Prognosen habe Neumünster wieder steigende Einwohnerzahlen und entwickele sich positiv als Wirtschaftsstandort und Einkaufsstadt mit vielen zusätzlich geschaffenen Arbeitsplätzen. „Zudem freuen wir uns über den hohen Gestaltungsspielraum als kreisfreie Stadt.“
Der bleibt Norderstedt mit dem Sonderstatus als „Große kreisangehörige Stadt“ verwehrt. Doch aus dem Kreisverband auszuscheiden, das Kennzeichen SE womöglich durch NO zu ersetzen, sei kein Thema, sagt die Verwaltungschefin.
„Entscheidender als die Gesamtzahl oder die Platzierung im Vergleich zu anderen ist das Verhältnis zwischen Einwohnern und Arbeitsplätzen. Da stehen wir in Norderstedt sehr gut da“, sagt Marc-Mario Bertermann, Geschäftsführer der Entwicklungsgesellschaft Norderstedt. Auf 31.000 Norderstedter Arbeitnehmer kommen mehr als 33.000 Arbeitsplätze. Das sei ein Pluspunkt für den Wirtschaftsstandort.
In Henstedt-Ulzburg stagniert die Zahl der Einwohner
Auch Kaltenkirchen wächst, von 20.998 Bürgern mit Hauptwohnsitz Ende 2016 auf 21.584 am 31. Dezember 2017. In Henstedt-Ulzburg, bisher immer auf Wachstumskurs, hingegen stagnieren die Zahlen. 28.472 lebten Ende 2017 in der Gemeinde, exakt so viele wie im Jahr zuvor.
„In den vorigen Jahren haben wir keine größeren Bauvorhaben realisiert“, sagt Bürgermeister Stefan Bauer. Hinzu komme, dass viele Senioren allein in ihren Häusern wohnen blieben, obwohl die Kinder ausgezogen, Partner oder Partnerin gestorben seien. Dadurch verknappe sich der Wohnraum zusätzlich. „Der grundsätzliche Trend ist aber ungebrochen, die Gemeinde wird weiter wachsen“, sagt Bauer. Wohnraum werde mit den neueren größeren Bauvorhaben Am Bahnbogen/Kirchweg, Schulstraße, Alter Burgwall, dem Wagenhuber-Gelände sowie der Beckersbergring-Siedlung geschaffen. Bauer geht davon aus, dass die Gemeinde in sechs bis sieben Jahren die 30.000-Einwohner-Marke knacken wird.