Norderstedt. Häuser und Wohnungen für 500 bis 1000 Menschen geplant, 2020 sollten sie fertig sein. Streitobjekt ist die sogenannte Kuhle.

Fast genau zehn Jahre ist es her, da präsentierte Norderstedts Baudezernent Thomas Bosse die Pläne für die Stadtentwicklung in Fried­richsgabe. Ein Großprojekt: Nördlich, rund um den Autoverwerter Kiesow und das Umspannwerk, sollte Gewerbe Platz finden, im Rücken des denkmalgeschützten Ellerbrocks Gasthof sollte ein Nahversorgungszentrum mit Gastronomie entstehen. Rund um den alten Ortskern der ehemaligen „Armensiedlung“ Friedrichsgabe sollten südlich der Quickborner Straße 500 bis 1000 Bürger ihr Zuhause in Einzel-, Doppel- oder Reihenhäusern finden und spätestens 2020 einziehen.

Einkaufszentrum mit Gastronomie sind realisiert, auch rund um Kiesow stehen neue Gebäude, dort hat die psychiatrische Tagesklinik eröffnet, hat das Technische Hilfswerk eine neues Zuhause gefunden, baut der Fleischgroßhändler Delta ein Logistik- und Verarbeitungszentrum. Nur vom neuen Wohngebiet ist bisher nichts zu sehen, eine Normenkontrollklage blockiert das geplante Wachstum im Norderstedter Norden. „Das Verfahren läuft seit acht Jahren. Wir sind nach wie vor in Verhandlungen“, sagt Bosse.

Es geht um drei Flächen zwischen der Quickborner Straße und der La­waetzstraße, zwei Felder und die sogenannte Kuhle – ein ehemaliges kleines Gewerbegebiet, das mehrere Meter unter Straßenniveau liegt (s. Karte). Auf den drei Flächen zusammen sollen knapp 350 Wohnungen und Häuser für 550 bis 600 Menschen entstehen.

Nach Informationen des Abendblatts muss die Stadt ein Entwässerungssiel bauen, damit die beiden Brachflächen östlich der Kuhle bebaut werden können. Dieses Siel liegt auf dem Gelände, das dem langjährigen Eigentümer der Kuhle gehört. Der wiederum, so heißt es, verweigere die Genehmigung, weil er auf dem Kuhlenareal mehr Häuser bauen lassen wolle, als bisher von der Stadt genehmigt. Denn inzwischen hat der Norderstedter das ehemalige Gewerbegelände verkauft, die Firma Manke wolle dort gut 40 Reihenhäuser bauen. In der Kuhle sei eine Tiefgarage geplant, zu ebener Erde sollen die Häuser hochgezogen werden. Der ehemalige Besitzer will das Flächenpotenzial aus seiner Sicht offenbar optimal ausschöpfen und so viele Bauplätze zur Verfügung stellen wie möglich. Je mehr Wohnraum, desto höher der Verdienst des Flächenverkäufers.

Und da kommt einer zweiter Streit ins Spiel: Der frühere Grundeigentümer der Kuhle hatte den Brüdern Siemsen ein lebenslanges Nutzungsrecht für zwei Doppelgaragen am äußersten nördlichen Rand der Kuhle eingeräumt, der direkt südlich an das Grundstück der Brüder anschließt. Auf den rund 60 Quadratmetern lagerten Knut und Holger Siemsen, was sich so ansammelt: ein altes motorisiertes Dreirad aus der früheren DDR, einen Bootstrailer, Ersatzteile für Oldtimer, Werkzeug, Rasenmäher und Gartengeräte.

„Irgendwann kam der Eigentümer auf uns zu und sagte, er wolle die Fläche verkaufen und die Garagen abreißen, weil er dann drei Reihenhäuser mehr auf dem Kuhlengelände unterbringen könne“, sagt Knut Siemsen. Er habe 15.000 Euro Entschädigung geboten – eine Summe, die die Nutzer ablehnten. Für eine vergleichbare Lagerfläche hätten sie, so Siemsen, mindestens 200 Euro Miete im Monat zahlen müssen. Das Angebot hätte folglich gerade einmal gereicht, um einen Lagerraum für gut sechs Jahre zu mieten.

Auf weitere Verhandlungen habe sich der Grundeigentümer nicht eingelassen. Anfang April seien dann Arbeiter angerückt, der Trupp habe das Eternit-Dach der Garagen abgerissen. „Ein Bekannter hat mich angerufen, ich bin sofort von der Arbeit nach Hause gefahren und habe die Polizei gerufen, als ich gesehen habe, was da abgeht“, sagt Siemsen. Die Beamten hätten ein Abriss-Verbot ausgesprochen, die Arbeiter seien verschwunden. Am 20. April sei ein Baggerfahrer aufgetaucht. Er habe den Auftrag, die Lagerräume abzureißen.

„Den Hinweis, dass darin noch Gegenstände gelagert seien, hat der Mann ignoriert“, sagt der 57 Jahre alte Ex-Nutzer der Garagen. Mit Hilfe der Polizei sei es gelungen, alles was angemeldet war wie das Dreirad und der Bootsanhänger vor der Zerstörung zu retten. Der Grundstückseigentümer habe den Abriss damit begründet, dass die Garagen marode seien, was aber, so Siemsen, nicht stimme.

Nun haben er und sein Bruder einen Anwalt eingeschaltet, um Schadenersatz zu bekommen. Der ehemalige Besitzer der Kuhle war am Dienstag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.