Norderstedt. Ungewöhnliche Schadenswiedergutmachung während des Prozesses löste bei den betrogenen Senioren Freude und Erleichterung aus.

Für mehrere Minuten glich der nüchterne Verhandlungssaal C im Amtsgericht Norderstedt einem orientalischen Basar. Dreimal holte ein Verteidiger 500-Euro-Noten aus einem Briefumschlag, zählte die Beträge sorgfältig ab und übergab die Scheine an die betagten Empfänger.

Es waren Senioren im Alter zwischen 81 und 89 Jahren. Sie waren Opfer eines Betrugsfalles und traten vor dem Jugendgericht Norderstedt als Betrogene auf. Weil die zwei Angeklagten Geständnisse ablegten und die sofortige Rückzahlung der widerrechtlich kassierten Summen anboten, ließ diese ungewöhnliche Szene im Norderstedter Gerichtssaal staunen. Insgesamt 7500 Euro wechselten die Besitzer.

Diese Schadenswiedergutmachung, wie die Juristen sagen, löste bei den überraschten Empfängern verständlicherweise Freude und Erleichterung aus. Damit hatte offenbar keiner von ihnen gerechnet. Umso mehr, weil die Senioren jetzt ihr damals leichtfertig gegebenes Geld nicht mehr zivilrechtlich einklagen müssen.

Das Geständnis der 21 und 40 Jahre alten Angeklagten verkürzte den auf drei Verhandlungstage angesetzten Prozess auf wenige Stunden. Deshalb setzten sich die Prozessparteien inklusive der Jugendgerichtshilfe zusammen, um das Verfahren juristisch abzuschließen. Beim 21-Jährigen wurde das Verfahren nach dem Jugendrecht eingestellt. Er kam bei der resoluten Jugendrichterin Claudia Naumann mit einer Verwarnung davon. Außerdem hat er 800 Euro an sein Opfer zurückzuzahlen. Nicht in bar, sondern per Ratenzahlung.

Die Männer hatten sich als Dachdecker ausgegeben

Sein 40 Jahre alter Komplize erhielt wegen gewerbsmäßigen Betrugs in zwei Fällen eine achtmonatige Bewährungsstrafe. Der nach eigenen Angaben staatenlose Mann hatte sich laut Anklageschrift zusammen mit seinem Komplizen bei mehreren älteren Hausbesitzern in Norderstedt als Dachdecker ausgegeben und angeboten, die angeblich gravierenden Schäden an den Dächern zu reparieren.

Ihre Zielgruppe waren ausnahmslos Senioren in Norderstedt. Ihnen boten sie an, das angeblich marode Dach ihrer Häuser zu sanieren. Ein schneller Einsatz sei nötig, um Schlimmeres zu verhüten, da es sonst durchregnen würde. Einem Paar wurde Wasser in den Wänden bescheinigt. Dafür hatten die Angeklagten die Wände laut Anklageschrift sogar vorher heimlich mit Wasser bespritzt. Mehrere Senioren fühlten sich von den „Katastrophennachrichten“ überrumpelt. Für ihren Einsatz forderten die Angeklagten weit überhöhte Vorschüsse, in einem Fall gleich 4000 Euro in bar.

Warum mehrere der betagten Hausbesitzer nicht stutzig oder misstrauisch wurden, kam nicht mehr zur Sprache. Statt der angebotenen Grundsanierung wechselten die angeblichen Experten aber nur ein paar Dachpfannen aus, oder sie reinigten das Dach mit einem Hochdruckreiniger. Viel mehr hätte der Angeklagte handwerklich sowieso nicht richten können. Der 40-Jährige kann keinen regulären Schulabschluss vorweisen und hatte bei einem Dachdeckerbetrieb ein Jahr lang als Handlanger gearbeitet.

Der einschlägig vorbestrafte Vater von vier Kindern ist wegen eines Bandscheibenschadens auf Dauer arbeitsunfähig. Wer dem ALG-II-Bezieher die Rückzahlungen an die Opfer finanzierte, kam nicht zur Sprache. In einer Gruppe von Familienmitgliedern verließ er das Gerichtsgebäude.