Kreis Segeberg. Mit den Erinnerungen ist es so eine Sache – festhalten oder loslassen? Diese Frage stellt sich Kolumnist Jan Schröter diese Woche.
Diese Woche las man in der Zeitung Ihres Vertrauens (bitte jetzt nicht diese Lektüre aus der Hand legen und nach einem anderen Presseerzeugnis greifen!) den Beitrag über einen Mann, der alte Privatfilme digitalisiert. Man las auch den Bericht über eine Lesung der Autorengruppe Friedrichsgaber Schreibstifte, deren Mitglieder Geschichten erzählten, in denen gar nicht mal selten eigene Erfahrungen und Erinnerungen steckten. „Ich will das, was ich erlebe, festhalten“, gab einer der Friedrichsgaber Autoren zu Protokoll.
Der Mann mit dem Digitalisierungsgerät wird von seinen Kunden persönlich aufgesucht oder kommt zu ihnen ins Haus, weil die Leute ihre Filme ungern verschicken. Kämen die dabei weg, empfänden sie es wie einen Gedächtnisverlust. Dabei ist das, worum es eigentlich geht, schon längst weg. Es sei denn, es existierte irgendwo ein Paralleluniversum, in dem die Vergangenheit in Dauerschleife liefe – das gibt es jedoch nur in Hollywood-Blockbustern. „Einszweidrei im Sauseschritt eilt die Zeit, wir eilen mit“ dichtete Wilhelm Busch. Das Heute ist prall und bunt und überschüttet uns mit neuen Reizen und Informationen. Warum ans Gestern Zeit und Gedanken verschwenden? „Beim Schreiben erinnere ich mich, das befreit“, sagte eine andere Autorin des Schreibkreises. Und trifft es auf den Punkt. Es befreit, weil man die Chance erhält, eigene Erlebnisse mit Abstand zu betrachten. Sozusagen vom sicheren Ufer der Gegenwart aus und ausgestattet mit mehr Lebensweisheit als damals. Man kann keinen Frieden mit sich und dem Dasein machen, wenn man sich nicht regelmäßig seiner Erinnerung stellt – in vergilbten Fotos, bejahrten Filmen oder indem man sie aufschreibt. Lasst die Zeit doch eilen. Das macht sie auch ohne uns. Wir treten inzwischen auf die Bremse, schauen zurück und verstehen vielleicht endlich, was uns früher unbegreiflich war.