Norderstedt. Eltern, die keinen Betreuungsplatz in Norderstedt bekommen und auf der Warteliste landen, verzweifeln oftmals an der Vergabepraxis.

Sie wollten auf Nummer sicher gehen, besser zu früh als zu spät sein. „Ich war im dritten Monat schwanger“, sagt Merle Willam (30) – und beschreibt damit den Zeitpunkt, als sie und ihr Lebensgefährte Christian März (34) sich 2016 bereits um einen Krippenplatz für ihren ungeborenen Sohn bemühten. „Bei uns in der Ecke ist die Kita Lila Löwe des Vereins ,Der Kinder wegen’, da haben Nachbarn und Freunde ihre Kinder. Wir haben uns dort im Februar 2016 gemeldet und wollten, dass unser Sohn im August 2018 in die Krippe kommt“, sagt der Vater, der bei Jungheinrich als Industriemechaniker tätig ist.

Sechs Monate darauf reichten sie Geburtsdatum, Geschlecht und Namen nach. Und dachten, alles würde klappen nach dem Ende der Elternzeit. Merle Willam, die als Krankenschwester arbeitet, wollte diese für zwei Jahre nehmen, solange würden die finanziellen Reserven ausreichen.

Doch dann die böse Überraschung: Die junge Familie ist in diesem Frühjahr leer ausgegangen, landete auf einer Warteliste, als die Krippenplätze in städtischen Kitas und Einrichtungen freier Träger vergeben wurden. Ein frustrierendes Gefühl, denn die Absage kommt unerwartet. Sie hatten sich auf die Nachbarschaft beschränkt, eine Alternative war neben Lila Löwe auch die nahe Kita Fredrikspark. „Wir bekamen die Auskunft: Es werden keine Kinder genommen, die zwei Jahre alt sind. Das hätten sie uns ja auch im Sommer 2017 schon sagen können“, so März.

Merle Willam wandte sich per Mail an Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder und Sozialdezernentin Anette Reinders. „Die Stadt sagt, sie hat nicht mit so geburtenstarken Jahrgängen gerechnet.“ Parallel telefonierte sie die Kindergärten ab. „Da wurde uns gesagt: Wir nehmen keinen mehr auf die Warteliste. Oder: Es wird schwer werden.“

Im Rathaus hörte sie: „Alle Plätze sind in erster Instanz vergeben. Wir sollten uns bis Ende Mai gedulden.“ Denn es könnte nachträglich freie Plätze geben. „Ab August will ich wieder in Vollzeit in Hamburg arbeiten“, sagt Merle Willam. „Mein Arbeitgeber muss ja auch Bescheid wissen.“ Oder ein drittes Jahr Elternzeit? „Das wäre schmerzhaft. Das Thema belastet auch finanziell. Ich hätte ja auch nur ein Jahr Elternzeit machen können.“ Christian März wird deutlicher: „Da ist man gezwungen, das Kind im Alter von einem Jahr in den Kindergarten zu geben.“ Auch die Option, den Sohn in die Obhut einer Tagesmutter zu geben, haben sie erwogen. Theoretisch gibt es mehr als 100 solcher Angebote über den Verein Tagespflege. Aber, so Willam, „wir brauchen Ganztagsbetreuung“.

Vier Vorschläge erhielten sie – eine Tagesmutter hatte keine Kapazitäten mehr, die anderen drei hätten nur an vier Tagen in der Woche von 8 bis 14 Uhr betreut. Längst stellt sich die Frage, welche Einschränkungen sich die beiden jungen Eltern zumuten könnten. „Uns wurde gesagt, wir sollten uns einen Platz in Hamburg suchen. Norderstedt würde sich an den Kosten mit 60 Prozent beteiligen. Oder die Kita Wilstedt, die könnten Plätze abgeben.“ März findet das nicht passend. „Wir haben uns vor fünf Jahren ein Haus gekauft. Das ist eigentlich keine Lösung, woanders einen Platz zu suchen.“

Zuständig für die Tangstedter Kitas ist das Amt Itzstedt. Dort hörten sie: „Das ist mit Norderstedt noch nicht abschließend geklärt.“ Willam und März, die auch eine Schadenersatzklage erwägen, versuchen nun, als Härtefall berücksichtigt zu werden. „Wir haben Belege unserer Arbeitgeber über den Schichtdienst vorgelegt.“

Kitaträger empfiehlt Eltern, mehrgleisig zu planen

Ulf Bünning, Geschäftsführer des Vereins „Der Kinder wegen“, kennt derartige Fälle. „Ich empfehle Eltern, mehrgleisig zu fahren. Solange ich dabei bin, konnten wir nie alle Wünsche befolgen. Es ist aber auch so, dass sich Eltern bei jedem Träger erst einmal anmelden – und wenn sie dann einen Platz bekommen, die anderen Anmeldungen nicht stornieren.“ Wichtig sei eine harmonische Altersstruktur, jeder Jahrgang müsse gleich stark sein. Der Verein betreibt derzeit vier Kitas. An der Lawaetzstraße kommen drei weitere Elementargruppen in Containern hinzu – eine Übergangslösung, an gleicher Stelle wird 2019 eine neue Einrichtung gebaut. „Wir sind gerade dabei, Personal zu suchen. Auf einen Schlag brauchen wir neun Mitarbeiter.“

Fehlende Kitaplätze haben auch Auswirkungen auf andere Branchen. Das berichtet Matthias Preuß, Immobilienmakler bei Engel & Völkers, der von einem „Riesenproblem“ spricht. „Ein Ehepaar mit einer Tochter wollte von Hamburg nach Norderstedt ziehen. Und da stellte sich die Frage nach einem Kitaplatz.“ Für 2018 gab es keine Chance. „Und 2019 war ungewiss. Die Finanzierung würde aber nur mit beiden Gehältern funktionieren. Aufgrund dessen wurde der Hauskauf abgesagt.“