Bad Segeberg. Das Vertrauensverhältnis zwischen dem Verbandsvorsteher und den Bürgermeistern in der Region soll irreparabel zerstört sein.

Die Menschen im Kreis Segeberg kennen ihn als Gesicht des Wege-Zweckverbandes, also des kommunalen Unternehmens, das den Müll abholt, Abwasser entsorgt und mittlerweile auch Dörfer ans Breitbandnetz anschließt. Doch die Ära Jens Kretschmer beim WZV ist nach 20 Jahren unrühmlich zu Ende gegangen. Der Hauptausschuss entschied sich, den Verbandsvorsteher mit sofortiger Wirkung freizustellen. Das Vertrauensverhältnis ist nicht mehr zu reparieren, heißt es.

Offiziell wird über die Gründe geschwiegen, doch es soll mehrere Ursachen geben: So hatte Kretschmer sich für den Leiter des Recyclinghofs Norderstedt eingesetzt, als dieser wegen des Vorwurfs des Untreue vor Gericht stand und zu zwei Jahren Bewährung verurteilt wurde. Ein Prozess, der nun wegen Verfahrensfehlern von vorn beginnen wird. Auch die Glasfaser-Finanzierung teils aus eigenen Rücklagen war nicht unumstritten, manch einem Bürgermeister war sie zu riskant.

Dazu kommt der Arbeitskampf Anfang des Jahres, weil Mitarbeiter einer privaten WZV-Tochterfirma mehr Lohngerechtigkeit forderten – und letztlich bekamen. Strafbare Handlungen werden dem 53-Jährigen allerdings nicht vorgeworfen.

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Die Organisation des WZV macht die Personalie kompliziert. So gibt es eine Verbandsversammlung mit 105 Stimmberechtigten, darunter 94 Bürgermeister von Henstedt-Ulzburg (27.000 Einwohner) bis Dreggers (60 Einwohner). Hieraus konstituiert sich ein Hauptausschuss als Führungsgremium, dessen Mitglieder sind auch im Verbandsbeirat vertreten. Diese Organe befassten sich nun mit Kretschmers Demission. Sprich: Der Hauptausschuss – vier von fünf Mitgliedern waren anwesend – beschloss die Abbestellung, dann wurde der Beirat informiert. Kurz darauf traten nicht nur die Bürgermeister Gerd Lentföhr (Seedorf) und Hans-Jürgen Kütbach (Bad Bramstedt) als Vorsitzender und stellvertretender Vorsitzender des Hauptausschusses vor die Medien, sondern auch WZV-Justiziar Nis Nissen – und überraschend sogar Kretschmer persönlich. „Ich hätte gern weitergemacht und bin der Auffassung, dass die gestörte Kommunikation heilbar gewesen wäre“, sagte er. „Insbesondere vor dem Hintergrund, dass in eineinhalb Monaten in Schleswig-Holstein die Kommunalwahl ist.“

Kütbach entgegnete seinem Sitznachbarn: „Es war nicht nur die Art des Kommunizierens. Insbesondere in den letzten zwei Jahren gab es eine gewisse Häufung von Meinungsverschiedenheiten.“ So habe der Hauptausschuss auch über einen kollektiven Rücktritt nachgedacht. Die Entscheidung gegen Kretschmer sei „über Monate gereift“.

Laut Justiziar Nissen gilt die Freistellung „bis auf Weiteres“. Die Zusammenarbeit solle möglichst einvernehmlich beendet werden – das ist ab sofort Sache der jeweiligen Anwälte, die bis zum 9. April Zeit haben, eine etwaige Abfindung zu regeln. Scheitern die Verhandlungen, ist das weitere Verfahren offen. Die Verbandsversammlung könnte Kretschmer mit einer Zweidrittel-Mehrheit abbestellen, das ist aber nicht garantiert.

Solange das nicht geklärt ist – zudem müsste ein potenzieller Nachfolger gefunden werden –, ist Gerd Lentföhr kommissarischer Verbandsvorsteher. Ob er nun jeden Tag im Büro sein müsse, konnte der ehrenamtliche Bürgermeister ad hoc nicht sagen. Die Bevölkerung müsse sich zumindest keine Sorgen machen, so Nis Nissen: „Es geht weiter, die braune Tonne in Klein Gladebrügge wird geleert.“