Kreis Segeberg. Viele Ereignisse im Kreis Segeberg sind im Laufe der Zeit in Vergessenheit geraten. Das Abendblatt hat sich auf Spurensuche begeben.
Das Gelände ist unwegsam und wildbewuchert. Im Sommer müssten sich Besucher einen Weg freischlagen, in diesen Tagen, vor Beginn der Vegetationsperiode, ist es noch möglich, mit einiger Mühe voranzukommen. Wer sich darauf einlässt, verliert aber schnell die Orientierung und irrt ziellos umher. 1,5 Hektar groß ist das Privatgelände zwischen Kringelkrugweg und Schleswig-Holstein-Straße in Norderstedt – da ist es ohne Weiteres möglich, sich zu verlaufen. Genau an dieser Stelle entstand vor 44 Jahren ein später sehr beliebtes Ausflugsziel für Familien aus Norderstedt und Umgebung: Der Privatzoo des damals 41 Jahre alten Schachtmeisters Hubert Knöpke und seiner Frau Margret war beliebt, aber auch umstritten.
Heute stehen hier noch ein paar eingefallene Hütten und Stallungen, in denen einst Tiere untergebracht waren. Seit mehr als 30 Jahren ist das Gelände sich selbst überlassen und wird, so sieht es aus, nur noch selten von Menschen betreten. Ein kleiner Trampelpfad deutet darauf hin, dass hier gelegentlich Hunde ausgeführt werden. Ein Geheimtipp ist das Gelände für Fotografen, die sich darauf spezialisiert haben, nach „Lost Places“ zu suchen.
1982 ereignete sich ein schreckliches Unglück
Vor 36 Jahren machte der Norderstedter Privatzoo landesweit Schlagzeilen. Der Anlass war ein schreckliches Unglück: Am 27. Februar 1982 besuchte ein Ehepaar aus Ellerau mit seinem vier Jahre alten Sohn den Norderstedter Tierpark. Der kleine Junge war vor allem von zwei Löwen fasziniert, die ohne Auslauf in kleinen Käfig lebten. Die Haltung der Löwen war dem Betreiber-Ehepaar vom Kreis genehmigt worden, die Sicherung des Käfigs durch Baustahlmatten fand die Zustimmung der Behörden. Engmaschiger Draht sicherte die Durchlässe des quadratischen Gitters zusätzlich – aber es gab an der Seite eine kleine Lücke. Und genau durch diese steckte der kleine Junge seinen Kopf, nachdem er durch einen 70 Zentimeter hohen Lattenzaun, der den Käfig umgab, gekrochen war. Der zweijährige Löwe Zimba biss zu und riss dem Kind den Unterkiefer ab. Im Krankenhaus Ochsenzoll, in das der Vater noch vor dem Eintreffen der Rettungsfahrzeuge selbst gefahren war, konnten die Ärzte sein Leben nach einer 14-stündigen Operation retten. Die Familie und der heute 38 Jahre alte Mann wollen jetzt nicht mehr über den tragischen Unfall reden und bitten darum, ihre Namen nicht zu veröffentlichen.
Rund 250.000 Euro kostete der Privatzoo
Der Tierpark musste nach dem tragischen Vorfall vorübergehend geschlossen werden, öffnete aber zwei Wochen später wieder. Im November 1983 wurde der Tierparkbesitzer vom Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung freigesprochen. Die beiden Löwen wurden am 1. März 1982 erschossen. Ein Luchs und zwei Pumas durften im Tierpark bleiben, die Käfige aber mussten zusätzlich gesichert werden. Eine Kommission aus Vertretern der Stadt Norderstedt, des Kreisveterinäramtes und des Landesamtes für Naturschutz und Landschaftspflege hatten den Park nach dem Unglück inspiziert und sich dabei von einem Sicherheitsexperten des Tierparks Hannover beraten lassen. Interessant ist dabei eine Aussage des damaligen wissenschaftlichen Direktors des Dezernats Tierökologie und Tierartenschutz am Landesamt für Naturschutz und Landschaftspflege: Das Halten von Exoten wie Löwen, Pumas oder Affen sei vergleichsweise einfacher als das Halten vieler heimischer Tiere.
Am 18. August 1974 hatten Hubert und Margret Knöpke ihren Privatzoo auf dem 15.000 Quadratmeter großen Gelände, das sie vom Brüderhof des Rauhen Hauses gepachtet hatte, eröffnet. Affen, Waschbären, Zwergziegen, Papageien, einige Raubvögel, Wildschweine und viel Wassergetier bildeten zunächst die Grundlage des Tierbestandes, der vorher auf ihrem Grundstück an der Marommer Straße untergebracht war. Vier Kilometer lange Wanderwege durchzogen den Tierpark, der vor allem an den Wochenenden ein beliebtes Ausflugsziel war.
Rund 250.000 Euro kostete die Einrichtung des privaten Zoos – das Geld stammte zum Teil aus ihrem privaten Besitz, dazu kamen Spenden, später wurde zur Unterstützung ein Förderverein gegründet. Auch die Stadt Norderstedt gab Zuschüsse. Durch das Eintrittsgeld und die Einnahmen aus einem kleinen Café konnten die laufenden Kosten gedeckt werden. Den nötigen Strom produzierten die Knöpkes mit einem eigenen Generator. Das Ende des Tierparks kam schleichend. Die Negativschlagzeilen nach dem Löwenbiss hatten für einen Besucherschwund gesorgt, die Einnahmen blieben aus, der Unterhalt war kaum noch zu finanzieren. 1985 endete das Kapitel „Tierpark Norderstedt“. Die Tiere wurden an andere Zoos vergeben, Hubert Knöpke führte später einen Reitstall.