Kreis Segeberg. Vieles is im Laufe der Zeit in Vergessenheit geraten. Das Hamburger Abendblatt hat sich auf Spurensuche begeben.

Die Akropolis in Athen: Ein Ort, der viele Menschen zum Träumen inspiriert. Auf einem flachen, 156 Meter hohen Felsen stehen die zwischen 467 v. Chr. und 406 v. Chr. erbauten Propy­läen, das Erechtheion, der Niketempel und der Parthenon. Wer das wohl bekannteste Bauensemble des antiken Griechenlands nicht selbst gesehen hat, kennt zumindest Bilder und Fotos. Auch im deutschen Schlager fand es seinen Niederschlag: „Akropolis, adieu“ sang einst Mireille Mathieu...

Nahezu unbekannt ist aber, dass ein deutscher Archäologe dafür gesorgt hat, dass dieses markante Gebäudeensemble sich heute so strahlend über die griechische Hauptstadt erhebt: Ludwig Ross aus Bornhöved war einer der ersten Archäologen in Griechenland. Obwohl er viele Jahre in seiner griechischen Wahlheimat lebte und dort erstaunliche Werke vollbrachte, zog es ihn an seinem Lebensende wieder in die Heimat zurück: Er wurde nicht nur in Bornhöved geboren (1806), sondern ist hier auch begraben.

Heute spricht kaum noch jemand von Ludwig Ross, wenn von der Akropolis, also der Stadtfestung von Athen, die Rede ist. Nur in Fachkreisen ist sein Name bekannt. So wurde zum Beispiel in der schleswig-holsteinischen Landesbibliothek in Kiel im Jahre 2006 die Ausstellung „Ludwig Ross, holsteinischer Patriot. Wegbereiter der Archäologie in Griechenland. Unangepasster Gelehrter an der Universität Halle“ gezeigt.

Ross studierte zunächst Medizin, dann Philologie

Wer also war jener Mann, der sich zum Retter eines der bedeutendsten Alter­tümer aufschwang? Geboren in Bornhöved, konnte er schon im Alter von vier Jahren ganze Bücher lesen. Er begann, Medizin zu studieren, musste aber aufgeben, nachdem er bei der ersten Leichensezierung ohnmächtig vom Stuhl gekippt war. Dann verschrieb er sich der Philologie, studierte in Kiel, schrieb seine Doktorarbeit und ging als Privatlehrer nach Kopenhagen. Als Philologe zog es ihn über Triest nach Griechenland, wo er zunächst „Jagd auf Inschriften“, so steht es in seinen Tagebüchern, machte. Athen war 1830 nicht mehr als ein Dorf mit etwa 2500 Einwohnern, geprägt von den Spuren des zehnjährigen Befreiungskrieges.

„Das ist nicht das glänzende veilchenumkränzte Athen“, schrieb er. „Es ist ein einziger ungeheurer Trümmerhaufen, eine gestaltlose, einförmige graubraune Masse von Schutt und Staub...“ Er begann, sich systematisch archäologisch-philologischer Arbeit zu widmen.

Das Grab von Ludwig Ross befindet sich in Bornhöved
Das Grab von Ludwig Ross befindet sich in Bornhöved © HA | Archiv

1833 ernannte der junge griechische König Otto I. Ludwig Ross zum Aufseher über die Antiken. Seine Aufgabe bestand zunächst darin, die Altertümer auf der Halbinsel Peloponnes ausfindig zu machen, zu erhalten und zu sammeln. Zwei Jahre noch wollte Ludwig Ross in Griechenland bleiben, am Ende wurden es 13 Jahre. Er und sein „Kollege“ Leo von Klenze, der aus Bayern nach Griechenland entsandt worden war, um die Pläne für die neue Hauptstadt Athen zu bewerten, widmeten sich schließlich der symbolträchtigen Akropolis. Ross wurde zum „Oberconservator der Alter­thümer“ ernannt und erhielt damit die Oberleitung der schon geplanten Ausgrabungen auf der Akropolis. Im Alter von 28 Jahren hatte er also die Leitung des griechischen Antikendienstes übernommen.

Innerhalb weniger Monate gelang es unter seiner Leitung, den Tempel der Nike Apteros aus den Trümmern zu graben. Gemeinsam mit zwei Architekten richtete Ross diesen Tempel wieder auf. Damit war erstmals ein antikes Gebäude unter Verwendung der originalen Bausubstanz wieder aufgebaut worden.

Die türkische Moschee, die mitten im Parthenon stand, wurde abgebrochen und die ganze Akropolis von ungeheuren Mengen Schutt der vielen nachgriechischen Bauwerke gesäubert. „Ich bin jetzt alleiniger Herr auf meiner theuren Akropolis“, schrieb Ross 1835 an seine Eltern in Bornhöved.

Er ließ teilweise bis zum natürlichen Felsboden graben und betrieb damit die erste bekannte und belegbare Schichtgrabung in der klassischen Archäologie.

Archäologe war in Athen bekannt

Den Gipfel seiner akademischen Laufbahn erreiche Ludwig Ross 1837, als er zum Professor für Archäologie an der im Gründungsstadium befindlichen Universität in Athen berufen wurde. Der „Mann im weißen Leinenanzug“ zählte jetzt im ganzen Königreich zu den angesehensten und bekanntesten Persönlichkeiten.

Die Revolution im September 1843 beendete seine Tätigkeiten in Griechenland: König Otto wurde gezwungen, Ludwig Ross, wie auch alle anderen Fremden im Staatsdienst, zu entlassen. Da er inzwischen auch in Deutschland ein bekannter Mann war, fiel es ihm nicht schwer, beruflich schnell wieder Fuß zu fassen. Durch die Vermittlung von Alexander von Humboldt wurde Ross eine Professur an der Universität Halle übertragen. Im Sommer 1845 kehrte er nach Deutschland zurück, wo ihm bald ein Rückenmarksleiden das Leben schwer machte. Obwohl er teilweise gelähmt war, nutzte er aber weiterhin jeden Augenblick für seine, in Deutschland nicht unumstrittene, wissenschaftliche Tätigkeit.

Am 6. August 1859 machte er seinem Leben und damit seinem Leiden ein Ende: Er schnitt sich in der Badewanne die Schlagader auf. Seinem Wunsche gemäß wurde er auf dem Friedhof in Bornhöved begraben. Noch wenige Wochen vor einem Tod schrieb er: „Hätten nur alle Deutschen, wie ich, dreizehn Jahre im Auslande gelebt, sie würden den Partikularismus längst überwunden haben.“

Neben seinen Büchern über die Ausgrabungsarbeiten der Akropolis veröffentlichte Ludwig Ross auch vier Bände über seine Reisen auf den griechischen Inseln des Ägäischen Meeres sowie zahlreiche archäologische Aufsätze.

100 Originalbriefe wurden 2008 gefunden und mit Unterstützung der Fielmann AG erworben. Bornhöveds Bürgermeisterin übergab sie der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek, wo sie jederzeit eingesehen werden können.