Högersdorf. Viele Ereignisse sind im Laufe der Zeit in Vergessenheit geraten. Das Hamburger Abendblatthat sich auf Spurensuche begeben.

Ein Hügelgrab oder ein Grabhügel ist eine gestreckte, runde oder ovale Erdaufschüttung, in der sich menschliche Leichen oder andere Vorzeitmonumente der Vergangenheit befinden. So werden Anlagen dieser Art bei Wikipedia im Internet beschrieben. Davon gibt es in Schleswig-Holstein und auch im Kreis Segeberg einige – rund 300 sind es landesweit, genau acht sind es im Kreis Segeberg. Das geht aus der Liste der schleswig-holsteinischen Großsteingräber, zu denen auch die Hügelgräber gehörten, hervor.

Der Kreis Segeberg ist auf einem anderen Gebiet auffällig: Nirgends sonst gibt es so viele zerstörte Grabanlagen. 30 Gräber wurden im Laufe der Jahrhunderte auf vielfältige Weise demoliert und im wahrsten Sinne des Wortes dem Erdboden gleichgemacht. Vermutlich durch Grabräuber oder übereifrige Lehrer, die ihren Schülern etwas besonderes bieten wollten. Davon geht jedenfalls das Archäologische Landesamt aus.

Im Kreis Segeberg liegt aber auch ein Hügelgrab, das ganz besonders geheimnisumwittert ist: Es ist das einzige Grab, das nicht der öffentlichen Hand, also dem Bund, gehört. Ein Privatmann oder eine Privatfrau hat die 3700 Jahre alte, denkmalgeschützte Ruhestätte in Högersdorf ersteigert. Weder die Archäologen im Landesamt, noch die Gemeinde Högersdorf weiß, wer das Grab erworben hat.

Selbst die Bürgermeisterin kennt den Eigentümer nicht

Wer ersteigert einen 341 Quadratmeter großen Grabhügel, der sich zwei Meter hoch in den Himmel des 410-Einwohner-Dorfes Högersdorf bei Bad Segeberg erhebt? Bürgermeisterin Renate Wieck ist immer noch ratlos. Denn aus Gründen des Datenschutzes hat sie nie erfahren, wie die Internetversteigerung des Grabes im Jahre 2011 ausgegangen ist. Mindestens 1100 Euro – wahrscheinlich mehr – musste der Käufer ausgeben. Denn bekannt ist, dass damals einer der Bieter bei diesem Betrag ausgestiegen ist. „Es hat sich mir niemals jemand als Eigentümer des Hügelgrabs zu erkennen gegeben“, sagt die Bürgermeisterin. An dem „unscheinbaren Grab“, das etwas außerhalb der kleinen Gemeinde, im Ortsteil Rotenhahn, liegt, sei in den vergangenen Jahren nicht erkennbar etwas verändert worden. Ein Hinweisschild an der B 206 weist in die Richtung der seit 1967 denkmalgeschützten Grabstätte eines Unbekannten hin. Über den sterblichen Überresten wölbt sich eine Erdschicht mit einem Durchmesser von elf Metern. Eine Treppe führt auf die Spitze des Hügels.

Auf einer Tafel werden Besucher über die Bedeutung des seit 1967 denkmalgeschützten Grabhügels informiert
Auf einer Tafel werden Besucher über die Bedeutung des seit 1967 denkmalgeschützten Grabhügels informiert © HA | Archiv

Die 341 Quadratmeter große Fläche war bis zu der Versteigerung über ein Internetportal öffentliches Eigentum und wurde von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) verwaltet. Irgendwann fiel auf, dass der Nutzen des Grabhügels für den Staat kaum messbar ist. Die Anstalt entschied sich für eine Versteigerung im Internet. Das ist bis heute eine große Ausnahme geblieben. „Ich kann mich nicht erinnern, dass so etwas sonst noch vorgekommen ist“, sagt Hermann-Josef Huber, zuständig für den Immobilienverkauf der
BImA in Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern.

Vor sieben Jahren jedenfalls erschien die Immobilie als „zu kleinteilig und zu unwirtschaftlich“. Für manche scheint der Besitz eines Hügelgrabes aber von großem Interesse zu sein. Bundesweit gab es damals eine Reihe von Bietern, die den vorgeschichtlichen Grabhügel südlich der B 206 erwerben wollten.

Egal, wer die Fläche erworben hat, wirtschaftlich nutzen darf sie niemand. Die strengen Richtlinien verbieten zum Beispiel jegliche Grabungen, um im Innern des Hügels Ruhestörungen des ersten „Nutzers“ zu vermeiden. „Wer dagegen verstößt, begeht eine Straftat“, sagt Eicke Siegloff vom Archäologischen Landesamt. Er weiß allerdings, dass der neue Eigentümer oder die Eigentümerin am Zustand des Hügelgrabs tatsächlich nichts geändert hat. Er vermutet daher, dass hinter dem Kauf eine gehörige Portion Enthusiasmus steckt, denn immerhin ist der Besitz auch mit Auflagen verbunden: Ein solcher Hügel muss gepflegt werden. „Geld ist damit auf keinen Fall zu verdienen“, sagt Eicke Siegloff.

Das Landesamt geht davon aus, dass sich tief in dem Hügel ein Baumsarg mit einem Toten und jede Mengen Beigaben befindet. Wer dort seit Jahrtausenden liegt, ist nicht überliefert.