Kaltenkirchen. Gerhard Braas aus Kaltenkirchen hat Fundstücke aus dem Lager Springhirsch nach aufwendiger Recherche in Hannover entdeckt.

Die Fotos aus dem Jahr 1997 gingen Gerhard Braas nicht aus dem Kopf. Immer wieder ging der Historiker in der KZ-Gedenkstätte Kaltenkirchen-Springhirsch zu den Fotos von den Ausgrabungen im Jahr 1997 und hat sich gefragt, wo die Objekte geblieben sind, die damals gefunden wurden. Auf den Schwarzweißfotos sind ein Schuh und mehrere Gefäße zu sehen. Studenten und Wissenschaftler hatten damals auf dem einstigen KZ-Gelände gegraben. Doch viele Ergebnisse dieser Arbeit sind in Vergessenheit geraten. Jetzt sind diese Artefakte wieder auf das Gelände zurückgekehrt. Braas hat sie nach aufwendiger Recherche gefunden.

Auch Stacheldraht gehört zu den Funden aus Kaltenkirchen
Auch Stacheldraht gehört zu den Funden aus Kaltenkirchen © Wolfgang Klietz | Wolfgang Klietz

Für die regionale Geschichtsschreibung ist dieser Fund eine Sensation. Bisher fürchteten die Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats der Gedenkstätte, dass außer dem freigelegten Fundament des Latrinenhauses nichts von dem Lager erhalten ist. Ab 1944 wurden in dem KZ Häftlinge einquartiert und gequält. Mehrere 100 Männer starben. Die genaue Zahl ist unklar.

Zwölf Fundstücke zählen jetzt zum Bestand der Gedenkstätte. Dazu gehören ein Teekessel, ein Feuerlöscheimer, Kannen und ein Schuh.

Dass diese Gegenstände zum KZ gehörten und nicht erst nach dem Krieg dorthin gelangten, als die Baracken von Flüchtlingen bewohnt wurden, halten Braas und Hans-Werner Berens für sicher. Berens ist ebenfalls Vorstandsmitglied des Trägervereins der Gedenkstätte und arbeitet schon seit Jahren dort. Beide Männer sind überzeugt, dass die Fundstücke 1997 in einem kleinen Abschnitt des Splitterschutzgrabens gefunden wurden, der sofort nach dem Krieg zugeschüttet wurde. Sollte ihre Theorie stimmen, wären in dem Graben vermutlich noch mehr Überbleibsel zu finden. Der Verein will demnächst mit dem Archäologischen Landesamt über weitere Untersuchungen beraten.

Diesen Schuh fanden die Archäologen bei den Grabungen auf dem ehemaligen KZ-Gelände im Jahr 1997
Diesen Schuh fanden die Archäologen bei den Grabungen auf dem ehemaligen KZ-Gelände im Jahr 1997 © Wolfgang Klietz | Wolfgang Klietz

Doch wie kamen die Artefakte zurück nach Kaltenkirchen? „Das war Detektivarbeit“, sagt Braas. Als er sich an die Recherche machte, stellte er fest, dass Grabungsprotokolle nicht aufzufinden waren. Braas erinnerte sich an die Tagebücher des verstorbenen Gerhard Hoch, der die Geschichte des Lagers als erster erforschte, und wurde fündig. Braas fand Namen, die in Zusammenhang mit den Arbeiten im Jahr 1997 genannt wurden.

Einer von ihnen war Dietrich Alsdorf, Archäologe aus Niedersachsen. Der erinnerte sich, vor etwa 20 Jahren die Kaltenkirchener Fundstücke dem damaligen Grabungsleiter Hans-Jürgen Häßler überlassen zu haben. Häßler hatte stets den Plan gehabt, in Hannover ein Holocaust-Museum zu gründen, doch er starb 2011, bevor er seine Pläne verwirklichen konnte.

Braas verfolgte die Spur weiter und machte die Kinder des Archäologen in Bayern ausfindig, die den Kontakt zu ihrer Mutter in Hannover herstellten. Cornelia Häßler war sofort hilfsbereit, ging in ihre Garage und berichtete Braas, was dort seit 20 Jahren in alten Koffern und Kartons lag: die Artefakte aus Kaltenkirchen. Außerdem hatte Häßler dort Fundstücke aus dem KZ Bergen-Belsen und anderen Lagern aufbewahrt. Irgendwann waren die Kisten und Koffer offenbar in Vergessenheit geraten.

Bis zum Ende des Jahres soll das Konzept vorliegen

Der Feuerlöscheimer, die Kohlenschütte und die Kanne lagen 20 Jahre vergessen in einer Garage in Hannover
Der Feuerlöscheimer, die Kohlenschütte und die Kanne lagen 20 Jahre vergessen in einer Garage in Hannover © Wolfgang Klietz | Wolfgang Klietz

Kurz darauf klingelte ein Paketbote in Kaltenkirchen bei Braas an der Haustür und lieferte die zwölf Gegenstände, die einst zum Alltag von KZ-Häftlingen im Lager Springhirsch gehörten. „Ich bin froh, dass sie an einen Ort kommen, um über eine Zeit Zeugnis abzulegen“, stand in dem Brief, den Cornelia Häßler zu den Fundstücken gelegt hatte. Nach der Präsentation der Teile im wissenschaftlichen Beirat entschied der Trägerverein der Gedenkstätte, das Konzept für die Ausstellung von Schülern des Kaltenkirchener Gymnasiums erarbeiten zu lassen. Beraten werden die Oberstufenschüler von einer Expertin des Jüdischen Museums in Rendsburg. Braas hofft, dass das Konzept bis zum Ende des Jahres fertig ist.

Vorher müssen jedoch weitere Fragen geklärt werden. Wo werden die Artefakte ausgestellt? Schon jetzt ist der Platz in der Gedenkstätte knapp. „Wir brauchen einen weiteren Raum“, sagt Hans-Werner Berens. Zumindest ein Teil der Finanzierung der Ausstellung ist vermutlich gesichert. Kaltenkirchens Bürgermeister Hanno Krause habe Unterstützung signalisiert, berichtet Berens.