Norderstedt. Oberbürgermeisterin Roeder soll Mitarbeiter angewiesen haben, einen Verlag von städtischen Projekten auszuschließen.
Norderstedts neue Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder ist noch keine zwei Monate Chefin im Rathaus, da steht ihr schon die erste harte Bewährungsprobe bevor. Wie Oberstaatsanwalt Henning Hadeler von der Kieler Staatsanwaltschaft bestätigte, gibt es eine Vorprüfung wegen des Tatverdachts der Nötigung im Amt gegen Oberbürgermeisterin Roeder. „Viel kann ich dazu nicht sagen. Die Sache kam ganz frisch auf meinen Tisch, sie hat noch kein Aktenzeichen. Wir werden prüfen und über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens entscheiden.“
Falls sich die Vorwürfe gegen Roeder bestätigen, handelt es sich nicht um Petitessen. Vielmehr wäre es ein satter Amtsmissbrauch, mit Verstößen gegen das Vergabe- und das Presserecht. Wie das Abendblatt aus gut unterrichteten Quellen erfuhr, soll die Oberbürgermeisterin Mitarbeiter in den Fachabteilungen angewiesen haben, den ihr unliebsamen Medienunternehmer Sven Boysen und seinen Regenta-Verlag von allen städtischen Projekten auszuschließen. Die Stadt hatte bislang bei Messen und anderen Veranstaltungen mit Boysen Kooperationen gepflegt. Laut der Quelle soll die SPD-Politikerin von Mitarbeitern des Rathauses darauf hingewiesen worden sein, dass solch ein Ausschluss eines einzelnen Anbieters ein Verstoß gegen die gebotene Neutralität bei der Vergabe öffentlicher Aufträge sei – und trotzdem habe Roeder auf ihrer Anweisung bestanden. Diese soll sich als Vermerk im Protokoll einer Sitzung von den für städtische Veranstaltungen zuständigen Gremien befinden.
Damit nicht genug: Oberbürgermeisterin Roeder soll auch dafür gesorgt haben, dass der Presseverteiler der Stadt derart abgeändert wurde, dass die im Regenta-Verlag erscheinenden Publikationen („Stadtmagazin“) keine Pressemitteilungen und Einladungen zu städtischen Pressekonferenzen oder Vor-Ort-Terminen mehr bekamen. Das wäre ein klarer Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Landespressegesetzes, das Kommunen, die aktiv Öffentlichkeitsarbeit betreiben, dazu verpflichtet, alle Medien des Verbreitungsgebietes in den Verteiler aufzunehmen.
Die Beteiligten der Affäre geben sich wortkarg. Unternehmer Sven Boysen bestätigt lediglich, die Anzeige bei der Staatsanwaltschaft eingereicht zu haben. „Wir sind schließlich die Geschädigten in dieser Angelegenheit“, sagt Boysen. Zu den Vorwürfen selbst will er sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht äußern. Er will in den kommenden Tagen eine Eingabe im Hauptausschuss der Norderstedter Stadtvertretung machen und dabei unter anderem das fragliche Protokoll mit dem Vermerk der Oberbürgermeisterin veröffentlichen. Der Vorsitzende des Gremiums, der CDU-Fraktionschef Gert Leiteritz, bestätigt den Vorgang. „Der Hauptausschuss ist Dienstvorgesetzter der Oberbürgermeisterin. Wenn sich die Vorwürfe erhärten, müsste ich als Vorsitzender ein entsprechendes Verfahren zur Prüfung einleiten.“
Im Rathaus lässt Oberbürgermeisterin Roeder auf die Abendblatt-Anfrage ihren Pressesprecher Bernd-Olaf Struppek ein „Wording“ formulieren: „Uns liegt zu dieser Angelegenheit noch kein offizieller Eingang vor. Deswegen können wir zum jetzigen Zeitpunkt nichts dazu sagen.“
Pikant an der Affäre ist ihr Ursprung. Nach dem Abgang des langjährigen Norderstedter Oberbürgermeisters Hans-Joachim Grote ins Innenministerium in Kiel wurde der Chefsessel des Norderstedter Rathauses in zwei Wahlgängen am 5. und 26. November 2017 neu besetzt. In der entscheidenden Stichwahl setzte sich Elke Christina Roeder als SPD-Kandidatin gegen den Herausforderer David Hirsch von der CDU klar durch.
Eine Niederlage war dies auch für Sven Boysen: Er hatte sich als Wahlkampfmanager für Hirsch engagiert. Laut der Abendblatt-Quelle soll Roeder schon während des Wahlkampfes sinngemäß gesagt haben, dass Boysen nach der Wahl schon sehen werde, was er davon hat. Handelt es sich bei Roeders mutmaßlichem Vorgehen also um eine politische Retourkutsche?