Norderstedt . Weil die Grenzwerte für Stickstoffdioxid knapp eingehalten werden, droht vorerst kein Fahrverbot. Doch das kann sich ändern.

Vielleicht konnte man auf den Rathausgängen in Norderstedt aus dem Büro der Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder ein erleichtertes Durchatmen vernehmen, als die Deutsche Umwelthilfe (DUH) Norderstedt von der Liste der deutschen Städte mit Überschreitung der Jahresdurchschnittswerte von Stickstoffdioxid strich und dafür auf die Städteliste „Sichere Unterschreitung 2017“ setzte. Entsprechend unbeteiligt und entspannt kann die Stadtverwaltung nun der aufgeregten Debatte um das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes in Leipzig über die Rechtmäßigkeit von durch Städte erlassene Diesel-Fahrverbote verfolgen.

Im Nadelöhr auf der Ohechaussee zwischen der Einmündung der Ochsenzoller Straße und dem Kreisverkehr am Ochsenzoll ist das gefährliche Stickstoffdioxid-Jahresmittel nach Jahren der Überschreitung des Grenzwertes von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft endlich bei 39 Mikrogramm und damit im grünen Bereich gelandet. Der schon weit gediehene und durch die Überschreitungen gesetzlich vorgeschriebene Luftreinhalteplan, an dem die Stadt mit dem Kieler Umweltministerium gearbeitet hatte, ist zumindest für dieses Jahr obsolet. Die Dieselfahrer der Region – die Handwerker mit ihren Diesel-Firmenfahrzeugen, der regionale und überregionale Diesel-Schwerlastverkehr und der Privatmann mit dem betagten Alt-Diesel –, sie alle können beruhigt und unbeschränkt über die Bundesstraße 432 durch Garstedt gen Osten oder Westen dieseln.

Doch was, wenn das Klima – wie 2017 – nicht so Grenzwerte-freundlich ist und die Messungen am Jahresende 2018 ergeben, dass Norderstedts Ohechaussee doch wieder zu den Schmuddelkindern unter den Verkehrswegen in Schleswig-Holstein zählt – so wie etwa der Theodor-Heuss-Ring in Kiel?

Stadt kooperiert eng mit dem Umweltministerium

„Wir werden in der Zukunft, wie bereits in den vergangenen Jahren, intensiv daran arbeiten, dass die Grenzwerte dauerhaft unterschritten werden – und bleiben in dieser Hinsicht im engen Kontakt mit dem Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung in Kiel“, sagt Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder. „Mithin spekulieren wir derzeit nicht darüber, was anderenfalls passieren könnte oder sollte.“

Der Stadt ist es also wichtig, dass die Luft an der Ohechaussee generell besser wird. Nur weil der Grenzwert mit 39 Mikrogramm Stickstoffdioxid knapp in Ordnung ist, bleibt schließlich das ausgiebige Durchatmen entlang der Straßenschlucht weiterhin nicht angeraten. Dieselfahrverbote sah und sieht die Stadtverwaltung dabei allerdings nicht als allein zielführend. Und auch wenn das Bundesverwaltungsgericht es Städten nun erlaubt, Fahrverbote zu erlassen, wird Norderstedt das sicher nicht im Alleingang ohne Rücksprache mit dem Land tun. „Das Fahrverbot kann immer nur im Zusammenhang mit dem Luftreinhalteplan ausgesprochen werden, den wir in enger Abstimmung mit den Kommunen erstellen. Keine Stadt wird so ein Fahrverbot im Alleingang einführen wollen“, sagt Jana Ohlhoff im Kieler Umweltministerium. „Und für Norderstedt ist die Diskussion derzeit aufgrund der Grenzwerte sowieso hypothetisch.“

Bleiben wir hypothetisch: Wenn ein Bürger, der an der Ohechaussee wohnt, nicht mehr einsehen will, dass er dauerhaft schlechte Luft mit Stickstoffdioxid-Tageshöchstwerten mit zum Beispiel von an die 100 Mikrogramm einatmen soll (wie am Dienstag gegen 9 Uhr), dann könnte er mit Blick auf das Urteil aus Leipzig doch versuchen, per Klage die Stadt zur Einführung von Dieselfahrverboten zu zwingen. Dabei ist es dem Bürger vielleicht auch egal, dass diese Fahrverbote laut Einschätzung der Stadt nur zu einem Verdrängen der Dieselfahrzeuge in andere Straßen führen würde – der Kläger würde vielleicht nach dem St.-Florians-Prinzip denken: Hauptsache nicht bei mir vor der Tür!

Die Luftverschmutzung soll weiter reduziert werden

„Im Moment gehen wir nicht von solchen Klagen aus – eben weil die Grenzwerte aktuell nicht überschritten werden“, sagt Oberbürgermeisterin Roeder. Und so sei man auch nicht mehr auf dem Radar der Deutschen Umwelthilfe, der „treibenden Kraft in dieser Sache“. Jana Ohlhoff sagt, dass bei einer Klage im Sinne des Leipziger Urteils abgewogen werden müsste, ob ein Fahrverbot in der speziellen Straßensituation das einzige Instrument zur dauerhaften Senkung der Grenzwerte darstelle und ob es in seinen Auswirkungen verhältnismäßig ist. Ohlhoff: „Auch ein einzelner Bürger kann nicht so einfach dafür sorgen, dass ein Dieselfahrverbot umgesetzt werden muss.“

Und überhaupt: Wie könnte ein Fahrverbot auf der Ohechaussee überhaupt durchgesetzt werden? Reichen die diskutierte Blaue Plakette und Stichproben-Kontrollen, oder müssten nicht Überwachungssysteme installiert werden, wie etwa im europäischen Ausland, etwa den Niederlanden? „Das sind alles Fragen, die zunächst von Expertinnen und Experten auf Bundesebene oder sogar auf europäischer Ebene gestellt und beantwortet werden müssen“, sagt Roeder.

Die Stadt Norderstedt ist überzeugt, dass die Messwerte letztes Jahr gesunken sind, weil „eine ganze Reihe von Maßnahmen zur Reduzierung von Luftverschmutzung und Lärmbelästigung durch den motorisierten Verkehr“ ergriffen wurden – und weiterhin umgesetzt werden sollen: Ausbau des Radverkehrs, Ausbau der E-Mobilität, Ausbau des ÖPNV und die Verflüssigung des Verkehrs durch Abbiegespuren und Ampelschaltungen.

Man kann nur hoffen, dass die Grenzwerte dadurch weiter unten bleiben – für die Stadt, die Umwelt und die Anwohner der Ohechaussee. Sonst: siehe oben.