Norderstedt. Auf der Ohechaussee sind die Stickstoffdioxid-Werte zu hoch. Sinken sie nicht, drohen Fahrverbote in der Innenstadt.

Bis zu 40.000 Autos am Tag drängeln sich durch das enge Nadelöhr Ohechaussee, Ecke Ulzburger Straße. Der Abgas-Cocktail in der Luft über der kleinen, lückenlosen und schlecht durchlüfteten Häuserschlucht gefährdet in den Stoßzeiten die Gesundheit der Menschen, die hier leben und arbeiten. Der Stickstoffdioxid-Wert steigt zum Beispiel am Mittwochabend, 29. November, gegen 17 Uhr über die Grenze von 180 Mikrogramm pro Kubikmeter. Im Jahresmittel liegt der Wert seit Jahren konstant über 40 Mikrogramm – das ist der vertretbare Grenzwert, den einzuhalten die Stadt Norderstedt und das Land Schleswig-Holstein seit 2010 durch die EU-Gesetzgebung verpflichtet sind.

Jetzt verklagt die EU-Kommission Deutschland, weil in Norderstedt und Dutzenden weiteren Städten und Regionen des Landes nichts Effektives unternommen wird gegen die dicke Luft. Und die Deutsche Umwelthilfe verklagt Norderstedt und 90 weitere Städte im Februar vor dem Bundesverwaltungsgericht. Fahrverbote für alte Diesel-Fahrzeuge drohen – auch in Norderstedt auf der Ohechaussee.

Es muss jetzt also schnell noch mehr passieren auf der Ohechaussee, damit die Stickstoffdioxid-Grenzwerte im Jahresmittel unter die Grenze von 40 Mikrogramm sinken. „Wir sind da im engen Schulterschluss mit dem Land und prüfen gemeinsam weitere Maßnahmen“, sagt Bernd-Olaf Struppek, Sprecher der Stadt Norderstedt. „Wir arbeiten an einem Luftreinhalteplan, um die Grenzwertüberschreitungen zu vermeiden.“

Dass sich Kanzlerin Angela Merkel in Berlin mit den Bürgermeistern deutscher Kommunen endlich auf ein konkretes Verfahren für die Vergabe von etwa einer Milliarde Euro zur Finanzierung von Maßnahmen zur Verbesserung der Luft verständigt hat, eröffnet auch Norderstedt neue Möglichkeiten. „Wir prüfen, ob wir aus dem Topf Mittel anfordern, um unsere städtische Flotte an größeren Nutzfahrzeugen auf Elektro-Fahrzeuge umzustellen.“

Im Gegensatz zu anderen Städten im Land, die jetzt erst hektisch beginnen, Radverleihstationen aufzubauen, Car-Sharing zu entdecken und das eine oder andere E-Mobil anzuschaffen, um Fahrverbote zu vermeiden, hat die Stadt Norderstedt seine Hausaufgaben bislang ganz gut gemacht. „90 Prozent unserer Dienstfahrzeuge im Rathaus sind Stromer“, sagt Struppek. Das Radverleihsystem ist gut ausgebaut, es gibt das Transportrad-Pilotprojekt Tink, die Car-Sharing-Anbieter Green Wheels und Car2Go sowie viele auch ausgezeichnete städtische Initiativen zur Reduzierung von Schadstoffen in der Luft. Allerdings wird all das kurzfristig nichts daran ändern, dass die Werte im Nadelöhr Ohechaussee dauerhaft sinken.

Das geschieht nur, wenn hier weniger Autos fahren – oder weniger schmutzige Autos. Einig sind sich Politik und Verwaltung, dass dabei Fahrverbote nicht zum Ziel führen. Die würden nur dafür sorgen, dass sich die Stinker im Verkehr einen anderen Weg durch die Stadt suchen und dort die Luft verpesten. Norderstedt setzt eher auf die Verstetigung der Verkehrsmassen, dass die Autos also kontinuierlicher und flüssiger das Nadelöhr passieren. Zunächst hoffte man, die Fertigstellung des Kreisels am Ochsenzoll würde dafür sorgen. Doch auch seit sich der Verkehr hier dreht, bleiben die schlechten Stickstoffdoxid-Werte bestehen. Nun hofft man, dass die Fertigstellung der sechsspurigen A 7 mittelfristig für weniger Verkehr auf der Ohechaussee sorgen wird. Außerdem wird geprüft, ob die Einführung von Tempo-30-Zonen auf der Ohechaussee die Werte sinken lassen könnte. „Hinter dem Kreisel Ochsenzoll gab es häufig einen Rückstau durch wartende Fahrzeuge, die in die Straße Wilhelm-Busch-Platz nach links abbiegen wollten“, sagt Struppek. Nun habe die Stadt dort eine Linksabbiegerspur eingerichtet, der Verkehr fließe besser.

„Die EU-Grenzwerte müssen selbstverständlich eingehalten werden. Darauf haben die Anwohnerinnen und Anwohner einen Anspruch“, sagt Nicola Kabel, Sprecherin des Umweltministeriums in Kiel. Für die Ohechaussee ist Kabel guter Hoffnung. Momentan, also ohne den Monat Dezember, lägen die Jahresmittelwerte für Stickstoffdioxid ganz knapp unter dem Richtwert von 40 Mikrogramm. „Wodurch diese erfreuliche Minderung hervorgerufen wurde – ob durch Änderungen in den Ampelschaltungen oder andere Faktoren –, ist noch nicht geklärt“, sagt Kabel. Doch egal ob knapp über oder unter dem Richtwert: Die Belastung auf der Ohechaussee ist zu hoch. Mehr ÖPNV, mehr Fahrrad, mehr Elektromobilität seien jetzt wichtig.