Bad Segeberg. Tierschutz-Prozess geht nach drei Jahren zu Ende. Landwirt muss 17.500 Euro Strafe zahlen, darf aber wieder Tiere halten.
Nach fast drei Jahren und 29 Verhandlungstagen ist am Dienstag vor dem Segeberger Schöffengericht ein Tierschutz-Prozess zu Ende gegangen, der für Aufsehen im ganzen Land gesorgt hat. Landwirt Horst Pommerenke (58) aus Todesfelde wurde wegen mangelhafter Rinderhaltung und Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz zu 17.500 Euro Geldstrafe (250 Tagessätze à 70 Euro) verurteilt. 50 Tagessätze gelten bereits als vollstreckt. Außerdem wurde das gegen ihn verhängte Tierhalteverbot aufgehoben. Der Landwirt und seine drei Verteidiger überlegen, ob sie in die Revision gehen.
Der Prozess gegen Horst Pommerenke war der Auftakt zu einer Reihe kommender Prozesse gegen Landwirte aus dem Kreis Segeberg, denen Verstöße gegen das Tierschutzgesetz vorgeworfen wird. Bei den meisten wurden von der Staatsanwaltschaft in den vergangenen drei bis fünf Jahren Hunderte von Rindern beschlagnahmt und notveräußert. Der Todesfelder Landwirt Pommerenke war einer Beschlagnahmung entgangen, weil er seine Rinder wenige Tage vor dem Anrücken der Viehtransporter verkauft hatte. Wer ihn gewarnt hatte, wurde während des Prozesses nicht bekannt.
Tatsächlich stellte sich im Laufe des Prozesses heraus, dass viele Vorwürfe gegen Horst Pommerenke nicht aufrecht erhalten werden konnten. Ursprünglich war ihm zur Last gelegt worden, er habe 39 Rinder nicht vom Tierarzt behandeln lassen, habe Schweine und Katzen tierquälerisch behandelt und mehrere Kälber ohne Betäubung enthornt. In 17 Punkten habe der Angeklagte gegen das Tierschutzgesetz verstoßen, sagte Richterin Sabine Roggendorf gestern in ihrer zweieinhalbstündigen Urteilsbegründung – vor allem deshalb, weil er es versäumt habe, einen Tierarzt anzufordern. Die Vorwürfe, auch Katzen und Schweine gequält zu haben, wurden fallen gelassen.
Kreistierärztin hatte das Verfahren ins Rollen gebracht
Die Richterin bettete in ihrer Urteilsbegründung auch allgemeine Kritik an der Massentierhaltung ein. Das sei ein globales Problem, mit dem „der kleine Bauer“ zurecht kommen müsse. „Da liegt einiges im Argen“, sagte Sabine Roggendorf. In Schutz nahm sie die zuständige Kreisveterinärin, deren Verhalten immer wieder Anlass zur Kritik unter den Landwirten gegeben hatte. Von ihr aus habe es keinen Privatkrieg gegeben. „Sie hat sorgfältig gearbeitet, nichts übertrieben oder dramatisiert und wollte Herrn Pommerenke sicher nichts ans Zeug flicken.“ Es sei unter den Landwirten ein falsches Feindbild entstanden. Die Kreistierärztin hatte im Oktober 2012 mit einer Anzeige das Verfahren ins Rollen gebracht.
Einige Prozesstage fanden unter Polizeiaufsicht statt
Tatsächlich mussten die ersten Prozesstage im Jahr 2015 unter Polizeiaufsicht stattfinden, da die Kreisveterinärin tätliche Angriffe befürchtete. Der langwierige Prozess fiel durch weitere Besonderheiten aus dem Rahmen des Üblichen. So hatte Horst Pommerenke mehrere Verteidiger verpflichtet, die teilweise von weit her anreisten. Zwei ständig anwesende Verteidiger waren zwar wortführend, hatten aus unterschiedlichen Gründen aber keine offizielle Zulassung vor Gericht. Ein Rechtsanwalt aus Bayern legte kurzfristig sein Mandat nieder, sagte aber trotzdem als Zeuge vor Gericht aus.
Außerdem mussten Sachverständige auf Wunsch der Verteidigung ausgetauscht werden – was ebenso zu weiteren Verzögerungen des Prozesses führte wie das Einsetzen eines falschen Schöffen. Die Anklage wurde zeitweise von zwei Vertretern der Staatsanwaltschaft geführt.
Staatsanwältin ist vom Dienst suspendiert
Der Prozess gegen Horst Pommerenke und alle weiteren anstehenden Verfahren gegen Landwirte aus dem Kreis Segeberg haben aber noch eine andere Dimension: Eine Staatsanwältin aus der Landeshauptstadt Kiel soll in sechs Fällen beschlagnahmte Tiere notveräußert haben, ohne die jeweiligen Besitzer zuvor angehört zu haben. Deswegen ermittelt die Staatsanwaltschaft Itzehoe wegen des Verdachts auf Rechtsbeugung. Die unter Verdacht geratene Staatsanwältin ist vom Dienst suspendiert. Auch im Fall des Landwirts Pommerenke hatte die betreffende Staatsanwältin die Beschlagnahme der Tiere angeordnet – in diesem Fall allerdings vergeblich.
Horst Pommerenke erklärte nach der Urteilsverkündung, er behalte sich vor, den Kreis Segeberg auf Schadensersatz zu verklagen, da gegen ihn im Jahr 2014 ein Tierhalteverbot ausgesprochen worden sei, was nach dem Urteil des Segeberger Schöffengerichts kein Bestand mehr habe.