Norderstedt. Tiere des Zirkus „Las Vegas“ waren wegen angeblicher Tierquälerei beschlagnahmt worden. Gericht stellte keinen Verstoß fest.

Vor dem Amtsgericht Norderstedt endete jetzt ein Tierschutz-Prozess, der 2013 mit der spektakulären Beschlagnahmung der Elefantenkuh Gitana im Zirkus „Las Vegas“ in Norderstedt seinen Anfang genommen hatte. Nun müssen die Gebrüder Weisheit, Eigentümer der Elefantenkuh, entschädigt werden. Das Gericht stellte keinen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz fest. Eine Schlappe für Veterinäramt und Staatsanwaltschaft.

Zufriedene Gesichter: Anwalt Frank Knuth (v.l.), Ronaldo Weisheit, Verteidiger Ernst Fricke und Hardy Weisheit
Zufriedene Gesichter: Anwalt Frank Knuth (v.l.), Ronaldo Weisheit, Verteidiger Ernst Fricke und Hardy Weisheit © HA | Heike Hiltrop

Vor dem Amtsgericht in Norderstedt wurden etliche Zeugen gehört, darunter mehrere Veterinäre. Es wurde Foto- und Videomaterial gesichtet, ein Sachverständiger gab seine Einschätzung ab. Am Ende stand der Freispruch fest. Es habe keine Beweise gegeben, dass Elefantenkuh Gitana gelitten habe, fasste Richter Jan Willem Buchert zusammen. Damit zog er den Schlussstrich unter ein Verfahren, das mit der aufsehenerregenden Beschlagnahme von Gitana sowie von zwei Löwen, zwei Tigern und einem Hund im Mai 2013 in Norderstedt seinen Anfang genommen hatte. Gitana wurde beschlagnahmt, weggeschafft und für 15.000 Euro verkauft. Die anderen Tiere wurden ebenfalls „notveräußert“ (so der Fachbegriff). Deren Dompteure wurden bereits in einem anderen Verfahren freigesprochen, müssen entschädigt werden.

Vier Jahre hat es gedauert, bis das Gericht nun festgestellt hat, dass auch dem Elefanten kein dauerhaftes Leid zugefügt worden ist. Es war der 8. Mai 2013, ein Mittwochmorgen, als ein Großaufgebot von Polizisten sowie Staatsanwaltschaft und Segeberger Veterinäramt beim Zirkus „Las Vegas“, der gerade in Norderstedt gastierte, vorfuhren. Mutmaßlich schlechte Haltungsbedingungen wurden Ronaldo Weisheit, der mit dem Zirkus unterwegs war, vorgeworfen. Der Dickhäuter wurde betäubt, in einen Transportcontainer verfrachtet und nach Belgien in einen Zoo geschafft. Die Elefantenkuh leide nach Auffassung der Tierrechtsorganisation Peta, die unmittelbar darauf in einer Pressemitteilung von einer Befreiungsaktion sprach, unter starken Verhaltensstörungen und Minderwuchs. Das Tier sei von seinen Artgenossen, die bei Hardy Weisheit verblieben waren, getrennt worden. Gitana leide demzufolge, weil sie allein gehalten werde, argumentierten Veterinäramt und Staatsanwaltschaft. Deutlich werde das durch das sogenannte Weben, das stereotype Schaukeln mit dem Kopf. „Es bestehen deutliche Zeichen für einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz“, sagte damals eine Kieler Oberstaatsanwältin.

8. Mai 2013: Die Polizei rückt in Norderstedt mit einem Großaufgebot beim Zirkus „Las Vegas“ an
8. Mai 2013: Die Polizei rückt in Norderstedt mit einem Großaufgebot beim Zirkus „Las Vegas“ an © NDR I Welle Nord

Bereits einige Wochen nach der Notveräußerung durch die Staatsanwaltschaft stellte das Landgericht Kiel in einem Urteil fest, dass das Tier zwar habe beschlagnahmt werden dürfen, aber bis zum Prozess bei seinen Besitzern hätte bleiben müssen. Da war es schon zu spät, rückgängig machen lässt sich eine Notveräußerung nicht.

Zirkusleute fühlten sich zu Unrecht an den Pranger gestellt

Immer wieder wehrten sich die Zirkusleute gegen die Vorwürfe, fühlten sich zu unrecht an den Pranger gestellt. Sie sprachen von Staatswillkür, zogen sogar vor das Landeshaus, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Und sie beteuerten, keine Tierquäler seien.

Das Gutachten von Fachmann Dr. Stephan Hering-Hagenbeck stützte jetzt im Amtsgericht Norderstedt genau das in vielen Teilen. In seinen sehr detaillierten Ausführungen kam er zu dem Ergebnis, dass das ihm vorliegende Material nicht zeige, dass das Tier gelitten habe. „Elefanten sind Individuen, sie können wie Menschen groß oder klein, dick oder schlanker sein.“ Damit entkräftete er beispielsweise den Vorwurf, das Tier sei durch schlechte Haltung „minderwüchsig“. Gitana sei zwar nicht übermäßig bemuskelt, aber auch nicht zu dünn. Auch sei er sicher, die gehörten Zeugen hätten sich nicht ausreichend lange mit dem Tier beschäftigt, um daraus schlechte Haltung schließen zu können. Außerdem hätten sich ihre Wahrnehmungen teilweise unterschieden. Das den Stress abbauende Weben, Hauptargument für mutmaßlich schlechte Haltung, sei aus seiner Sicht eher ein etabliertes Verhalten aus der Jugend des Tieres. Denn die wild geborene Elefantenkuh habe bereits durch den Verlust der Herde in Afrika ein Trauma erlebt. Das Weben sei ritualisiert und „schwer abstellbar“. So ein Elefant webe, wenn er nicht beschäftigt oder aufgeregt sei.

Anklage gegen Kieler Staatsanwältin

Eine Kieler Staatsanwältin hatte die Notveräußerung von Elefantenkuh Gitana angeordnet. Sie ist nun selbst angeklagt. Die Staatsanwaltschaft Itzehoe wirft der Juristin, die bei der Staatsanwaltschaft Kiel ein Sonderdezernat für Tierschutzsachen bearbeitete, Rechtsbeugung und Verfolgung Unschuldiger in mehreren Fällen vor.

Sie habe Tiere beschlagnahmen lassen, ohne die Besitzer zu benachrichtigen, wie das gesetzlich vorgeschrieben sei. Dazu zählen auch die 155 Rinder, die vor fast vier Jahren in Todesfelde wegen angeblich nicht tiergerechter Haltung beschlagnahmt worden waren.

Noch ist allerdings unklar, ob und wann es zum Verfahren gegen die Kieler Staatsanwältin kommt. „Wir müssen zunächst die Strafsachen abarbeiten“, sagte Gerichtssprecher Sebastian Pammler auf Anfrage. Er geht davon aus, dass das Gericht die Anklage nicht vor Ende Januar prüfen wird.

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Auch führte Hering-Hagenbeck aus, dass er zwar grundsätzlich nicht für die Einzelhaltung von Elefanten sei, es aber durchaus Elefanten gebe, die nicht sozialisierbar seien. „Ich würde es grundsätzlich für einen Fehler halten, einen Elefanten einfach mit einem anderen zusammenzustellen – das kann sehr gefährlich werden.“ Ein Elefant mache sehr deutlich klar, was er nicht wolle. Und offenbar gab es sogar während der Beschlagnahme einen Zwischenfall: Im Beweisvideo habe Gitana einem der fremden Männer gedroht. Stephan Hering-Hagenbeck: „Der Mann hat ein Schweineglück gehabt, dass der das überlebt hat.“

Staatsanwaltschaft und Verteidigung waren sich am Ende einig und plädierten für Freispruch. Dem folgte Richter Jan Willem Buchert: Es sei „ein Verfahren, das unschön anfing, viel zu lange gedauert hat und nun endlich zu Ende geht“. Zwar halte er die Haltung im Zirkus für suboptimal, aber es gebe keinen Beweis dafür, dass das Tier gelitten habe. Die damalige Situation, in der Gitana gelebt habe, sei „nicht tierschutzrelevant schlecht“. Darum seien die Weisheits auf Kosten der Landeskasse freizusprechen, zu entschädigen und erhalten die 15.000 Euro aus der Notveräußerung.