Garstedt. Viele Ereignisse sind im Laufe der Zeit in Vergessenheit geraten. Das Hamburger Abendblatthat sich auf Spurensuche begeben.
Tausende von Fahrzeugen passieren täglich dieses Gebäude. Es fällt nicht besonders auf: Im ehemaligen Garstedter Warenhaus werden heute mediterrane Speisen serviert. Es ist eins von vielen Speiselokalen in Norderstedt, aber es gab Zeiten, da hatte dieses Haus an der Niendorfer Straße 12 in Norderstedt einen ganz besonderen Stellenwert in der damaligen Gemeinde Garstedt.
Zunächst als Warenhaus, in dem Haushaltswaren aller Art verkauft wurden, vor allem aber auch als Postagentur und als erste Fernsprechvermittlung, in der das „Frollein vom Amt“ den kleinen Ort im Kreis Pinneberg per Hand mit dem Rest der Welt verband. Hätte es die Postagentur in diesem auch heute noch architektonisch interessanten Gebäude nicht gegeben, wäre Garstedt noch eine Weile länger vom öffentlichen Personenverkehr abgeschnitten gewesen. So aber steuerte der zwölfsitzige Postbus ungefähr 1910 – das genaue Datum ist nicht bekannt – erstmals das Garstedter Warenhaus mit der darin befindlichen Postagentur an. Denn damals hielt die „Kraftpost“ nur dort, wo es Postagenturen oder Posthilfsstellen gab. In der Regel waren es Gaststätten. Für Garstedt war es der Beginn einer neuen Zeit.
Im Jahr 1777 wurde „fahrende Post“ eingerichtet
Der Beginn des öffentlichen Personenverkehrs reicht in Norderstedt knapp 300 Jahre zurück. Von 1720 an fuhr eine Postkutsche zweimal pro Woche von Hamburg durch die Harksheide über Ulzburg nach Kiel. Vier Personen, so ist es überliefert, konnten in der Kutsche „ganz gemächlich“ sitzen. 57 Jahre lang änderte sich nichts oder nur sehr wenig am Fahrplan, denn das Reisen mit einer Postkutsche konnten sich damals nur wenige Personen leisten, und überdies gab es für die meisten auch keinen wirklichen Grund, eine lange Strecke zurückzulegen.
Erst 1777 tat sich etwas: Es wurde eine „fahrende Post“ zwischen Hamburg und Hardersleben im damaligen Herzogtum Schleswig eingerichtet. Sie fuhr über die heutige Ulzburger Straße (damals der Ochsenweg) und passierte so auch den „Ossenkrog“, wo die Zollstation (Ochsenzoll) untergebracht war. Wer sich auf diese Weise kutschieren lassen wollten, musste acht Schilling pro Meile zahlen. Das konnten sich nur begüterte Menschen leisten.
Fünfmal in der Woche startet der Pferde-Omnibus
Eine entscheidende Änderung im Personennahverkehr trat 1902 für die Bewohner des Norderstedter Gebietes ein, als der „Wachtmannsche Pferde-Omnibus“ Personen, Güter und Post von Garstedt-Ochsenzoll zunächst bis Eppendorf und von 1906 an bis Ohlsdorf beförderte. Das Fuhrunternehmen Wachtmann betrieb dieses Strecke und erhielt dafür einen Zuschuss von der Gemeindeverwaltung Langenhorn. Zwar war schon 1844 die Eisenbahnstrecke Hamburg–Kiel eröffnet worden, doch davon spürten die Garstedter wenig. Fünfmal in der Woche rumpelte der Pferde-Omnibus über die Strecke. Der Grund für die Eröffnung dieser Poststrecke war der Bau der „Irren-Colonie“ oder „Irrenanstalt Langenhorn“. Besucher und Personal hatten eine Verbindung von Ohlsdorf nach Langenhorn gefordert und bekamen sie schließlich auch. Etwa 80 Minuten dauerte die Kutschfahrt zwischen den beiden Endhaltestellen.
Die sechsstündige Fahrt kostete 3,20 Goldmark
Die Pferdekutsche wurde 1907 durch die „Kraftpost“ ersetzt. Die Linie fuhr vom Hauptpostamt Hamburg-Hühnerposten über Lokstedt, Schnelsen, Ochsenzoll, Glashütte, Tangstedt, Duvenstedt, Wohldorf, Sasel, Grüner Jäger und Hellbrook nach Hamburg zurück. Sechs Stunden Fahrt, 3,20 Goldmark betrugen die Fahrkosten für die gesamte Strecke.
Auf Norderstedter Gebiet hielt der Bus zunächst beim Post-Restaurant Heinicke an der Ecke Ohechaussee/Aspelohe und bei der Gaststätte Zur Glashütte, die es heute noch an der Segeberger Chaussee gibt. Dann allerdings kam das Garstedter Warenhaus ins Spiel.
Die Ochsenzoller Straße, die bis dahin ein mehr oder weniger gut passierbarer Grandweg gewesen war, wurde gegen Ende des ersten Jahrzehnts des vergangenen Jahrhunderts gepflastert, sodass der motorbetriebene Omnibus dort fahren konnte. Der Postbus fuhr also nicht mehr auf der Ohechaussee, sondern auf der Ochsenzoller Straße bis zum Garstedter Warenhaus mit der darin befindlichen Postagentur.
Das ging bis 1918. Dann wurde die Wachtmannsche Linie eingestellt, weil die Firma Berger aus Berlin eine Dampflokomotive von Ohlsdorf nach Ochsenzoll fahren ließ. 1921 übernahm die Hochbahn diese Strecke und damit auch die Postbeförderung.