Norderstedt. Viele Ereignisse wurden im Laufe der Zeit vergessen. Das Abendblatt geht in der Serie „Segeberger Geheimnisse“ auf Spurensuche.

Die Brücke liegt nur wenige Meter abseits der Dorfstraße. Für den Durchgangsverkehr ist sie nicht mehr passierbar, für Fußgänger, Radfahrer und einzelne Pkw schon. Die Schmalfelder Königsbrücke ist für die Einwohner des Dorfes allgegenwärtig – aber Vorsicht: Tagsüber ist das Passieren der Brücke ungefährlich, nachts hingegen sollte lieber niemand dort spazieren gehen. Denn der Sage nach darf niemand nach Mitternacht über die Königsbrücke spazieren, da sonst ein schwarzer Pudel zubeißt...

Das ist natürlich nur eine von mehreren Geschichten, die sich um diese Brücke ranken. Ob dort jemals die eine oder andere Person von einem schwarzen Pudel gebissen wurde, ist unbekannt. Tatsache hingegen ist, dass diese Brücke in der Denkmalliste des Landes Schleswig-Holstein steht. Und das völlig zu Recht: Sie ist die älteste und größte Steinbrücke Schleswig-Holsteins. Und dazu ist sie noch eine sehr geschichtsträchtige, die einst eine wichtige Aufgabe zu erfüllen hatte.

1785 wurde die Steinbrücke über die Schmalfelder Au gebaut, weil eine Holzbrücke, die 82 Jahre zuvor genau an dieser Stelle über den kleinen Fluss gespannt wurde, zu reparaturanfällig war. Sie hatte ständig repariert und alle 20 Jahre neu gebaut werden müssen, um den ansteigenden Verkehr auszuhalten. Verkehr – das waren zur damaligen Zeit vor allem Pferdefuhrwerke, Postkutschen und Fußgänger. Vor allem aber Ochsen, Ochsen und nochmals Ochsen.

Ochsen wurden von Jütland bis zur Elbe getrieben

Für den Durchgangsverkehr ist die Brücke nicht mehr passierbar
Für den Durchgangsverkehr ist die Brücke nicht mehr passierbar © HA | Frank Knittermeier

Denn über Jahrhunderte wurden Ochsen von Jütland bis zur Elbe über eine uralte Handelsstraße, dem Ochsenweg, getrieben. Die Hauptstrecke in Mittelholstein verlief von Rendsburg über Neumünster, Bramstedt, Kaltenkirchen. Der Ochsenzoll an der Stadtgrenze von Norderstedt und Hamburg ist ein fester Begriff. Weniger bekannt ist jedoch, dass es eine Ausweichstrecke gab: Südlich von Neumünster verließen viele Ochsentreiber die Hauptstrecke und marschierten nicht weiter in Richtung (Bad) Bramstedt, sondern in Richtung Heidmühlen, Fuhlenrüe und Schmalfeld. Über Kisdorferfeld ging es dann kurz vor Ulzburg wieder zurück auf die Hauptstrecke. Auf diese Weise umgingen die Ochsenbesitzer ganz geschickt den Zolleintreibern in Bramstedt. Kein Wegezoll, sondern freier Durchmarsch bis zum Ochsenzoll, wo dann tatsächlich zur Kasse „gebeten“ wurde. Ein weiterer Grund für den kleinen Umweg war der Kauf von Viehfutter. Das Futter war entlang des Hauptweges offenbar zur Mangelware geworden.

Ein nicht unerhebliches Verkehrshindernis allerdings brachte die Ochsentreiber hin und wieder in eine missliche Lage: Die Schmalfelder Au musste in einer Furt überquert werden. Eigentlich kein Problem, wegen des häufigen Hochwassers jedoch war das schmale Bächlein häufig auch unpassierbar. Deshalb wurde im Jahr 1703 etwa 50 Meter weiter in Richtung Westen eine Holzbrücke errichtet, die 1785 wiederum der jetzigen Brücke aus Granitquadersteinen weichen musste. Damit hatten endlich auch die immer häufiger eingesetzten Postkutschen die Möglichkeit einer sicheren Überquerung der Au.

Brücke sollte zum Bauwerk für Ewigkeit werden

Diese historische Aufnahme zeigt die Ochsentreiber bei ihrer Arbeit. Durch die Ausweichstrecke sparten die Arbeiter Zoll, der in Bramstedt erhoben wurde
Diese historische Aufnahme zeigt die Ochsentreiber bei ihrer Arbeit. Durch die Ausweichstrecke sparten die Arbeiter Zoll, der in Bramstedt erhoben wurde © HA | Frank Knittermeier

21 Meter lang, 5,50 Meter breit, getragen von 136 Buchenpfählen, drei Bögen mit Durchlässen von 2,88 Metern: Ein Bauwerk für die Ewigkeit. So dachte man damals. Niemand konnte ahnen, dass PS-Kutschen eines Tages von PS-starken Fahrzeugen abgelöst werden. In den 60er-Jahren – als schon längst keine Ochsen mehr über die Brücke getrieben wurden - traten durch den Schwerlastverkehr und die Regulierung der Schmalfelder Au erstmals ernsthafte Schäden an der Brücke auf. Die Holzpfähle begannen zu verrotten, weil sie durch die Absenkung des Wasserspiegels Kontakt mit der Luft bekamen. 1983 wurde die Brücke wegen Einsturzgefahr stillgelegt und der Verkehr über die direkt daneben liegende Betonbrücke geleitet. Von 1985 bis 1987 wurde die älteste Steinbrücke Schleswig-Holsteins aufwendig restauriert und damit vermutlich für die Ewigkeit erhalten.

Eine Legende sorgte für den Namen der Brücke

Der Name der Brücke ist übrigens auf eine Legende zurückzuführen. „Die ist ja wohl aus Gold gebaut“, soll der damalige Landesherr, König Christian VII. von Dänemark, gesagt haben, als er die Rechnung vorgelegt bekam. 1769 Mark soll sie gekostet haben, obwohl viele Schmalfelder unentgeltlich beim Bau mithalfen. Etwa zehnmal so viel wie der hölzerne Vorgängerbau. Später soll sich der König die „Goldbrücke“ selbst angesehen haben und dabei zu dem Schluss gekommen sein: „Die besteht ja doch nur aus Stein.“ Wenn von dieser Brücke die Rede war, hieß sie nur noch „Königsbrücke“ – und jeder wusste Bescheid.