Viele kleine und große Ereignisse sind im Laufe der Zeit in Vergessenheit geraten. Das Abendblatt geht auf Spurensuche.

Dieses historische Looff-Karussell hat die Zeit überdauert und dreht nach wie vor seine Runden
Dieses historische Looff-Karussell hat die Zeit überdauert und dreht nach wie vor seine Runden © HA | Archiv

Der Traum von einem besseren Leben, der Traum, alles hinter sich zu lassen und irgendwo in der Welt völlig neu anzufangen – viele Menschen träumen davon. Heute ist es nicht mehr so leicht, sich in einem anderen Land anzusiedeln, Auswanderer müssen enorme Hürden überwinden, um in einem anderen Land sesshaft werden zu können. Aber vor anderthalb Jahrhunderten sah es anders aus: 1870 zum Beispiel wanderten rund 70.000 Deutsche in die USA aus. In der Zeit von 1865 bis 1895 waren es vor allem Angehörige unterer Schichten, die ihr Glück in dem Land der damals unbegrenzten Möglichkeiten suchten. Einer von ihnen war Carl Jürgen Detlev Looff aus Bramstedt: Mit seiner Erfindungsgabe und seinem handwerklichen Geschick entzückte und verblüffte er viele Generationen von US-Bürgern. Bis heute gibt es Spuren seiner Arbeiten in den amerikanischen Vergnügungsparks, aber auch in großen Museen.

Aus Carl Jürgen Detlev Looff wurde Charles I. D. Looff

Gerade mal 18 Jahre alt war Carl Jürgen Detlev Looff, als er 1870 beschloss, sein Glück in den USA zu suchen. Sein Vater war in Bramstedt (damals noch ohne Bad) Schmied und Wagenbauer. Der junge Mann selbst konnte geschickt mit Metall und Holz umgehen. Am 14. August 1870 traf er mit dem Schiff in Castle Garden, New York City, ein und änderte zunächst seinen Vornamen: Statt Carl nannte er sich fortan Charles, die weiteren Vornamen kürzte er ab , verwendete aber für das J von Jürgen ein I, weil es amerikanischer klang. Charles I. D. Looff lautete jetzt der Name, der vielen Amerikanern auch heute noch bekannt ist.

In Brooklyn eröffnete der Bramstedter eine Fabrik

Zunächst fand er Arbeit als Schnitzer in einer Möbelfabrik in Brooklyn, aber in seiner Freizeit begann der gebürtige Bramstedter, aus Holzstücken, die er aus der Möbelfabrik mit nach Hause genommen hatte, Karusselltiere zu schnitzen. Daraus entstand nach etwa fünf Jahren sein erstes Karussell (merry-go-round), das er schließlich in Coney Island aufstellen konnte. Der Erfolg ermutigte den jungen Looff: In Brooklyn eröffnete er eine Karussell-Fabrik, stellte begabte Holzschnitzer ein und expandierte, weil er ein Gespür für den Geschmack der vergnügungssüchtigen Amerikaner hatte. Die Fabrik blieb dort in Betrieb, bis Looff um 1904/05

Der Familienname des Bramstedter Erfinders auf einem seiner Karussells
Der Familienname des Bramstedter Erfinders auf einem seiner Karussells © HA | Jan-Uwe Schadendorf

sein Hauptquartier zum Crescent Park Hippodrome in Riverside, Rhode Island, verlegte. Etwa 40 Looff-Karussells wurden im Laufe der kommenden Jahrzehnte gebaut. Es gibt eine detaillierte Liste, wo sie aufgebaut wurden. Staten Island (1886), Asbury Park, New Jersey (1888), Atlantic City, New Jersey (1892), Darthmouhth, Massachusetts (1895), Salem, New Hampshire (1898), Dallas, Texas (1904), Fort Worth, Texas (1905), Oklahoma Coty Oklahoma (1909) – um nur einige zu nennen. Im Jahr 1910 dann der Sprung an die Westküste nach Kalifornien. Tochter Helen und Sohn Charles jr. führten zusammen mit ihren Ehepartnern die Geschäfte an der Ostküste weiter. In Santa Monica (1910), Long Beach (1911), Santa Cruz (1911), Venice (1911) und San Francisco (1915) entstanden neue Karussells. Auch der Sprung nach Kanada gelang Charles I. D. Looff, der das Unternehmen an der Westküste mit seinem Sohn Arthur führte.

Das Museum of Fine Art besitzt eine Looff-Figur

Schließlich begründeten die Looffs sogar ganze Vergnügungsparks. Einer der bekanntesten ist der auf der Santa Monica Pier, den Looff und sein Sohn Arthur 1916 eröffneten. Der Bad Bramstedter Jan-Uwe Schadendorff war kürzlich dort und fotografierte Looff-Karussells.

Dieser Hund ist im Museum of fine Arts in Boston zu sehen
Dieser Hund ist im Museum of fine Arts in Boston zu sehen © HA | Archiv

Heute sollen noch etwa zehn Karussells in den Vereinigten Staaten stehen, die von Looff geschaffen wurden. Viele sind zerstört worden (etwa 1943 in Long Beach durch Feuer), andere wurden abgerissen. Einige wurden aber auch unter Einsatz öffentlicher Mittel erhalten. Einzelne Figuren von Looff erzielen hohe Preise auf Auktionen und gelten als Kunstgegenstände. Das Museum of Fine Arts in Boston hat eine Figur (einen Windhund) in seine Bestände aufgenommen. Dieser Windhund ist mit „Riverside“ gekennzeichnet und wurde so zwischen 1905 und 1910 hergestellt, als Looff seine Fabrik nach Kalifornien verlegte. Der Greyhound wurde, nachdem er vom Museum erworben worden war, dunkelbraun bemalt und mit einer dicken Lackschicht überzogen. Ein sorgfältiger Konservierungsprozess entfernte ungefähr vierzehn Farbschichten (Karussellfiguren wurden dem Wetter ausgesetzt und somit häufig neu gestrichen), wobei die ursprünglich polychrom bemalte Oberfläche und andere Details sichtbar wurden. Diese Exponat und einige andere Windhunde aus den Looff-Fabriken sollen dem Familienhund nachempfunden worden sein. Selten kommen noch ganze Karussells zum Verkauf, 2008 wurde eines zur Auktion freigegeben.

Charles I. D. Looff gehört also zu den Auswanderern, die in den USA ihr Glück fanden und eine Karriere machten. Er heiratete die ebenfalls deutschstämmige Anna Dolle und bekam mit ihr sechs Kinder. Ob der gebürtige Bramstedter je wieder zu Besuch in seine Heimat zurückkehrte, ist nicht überliefert. Verstorben ist er im Alter von 66 Jahren am 1. Juli 1918 in Long Beach.