Norderstedt . Die Türkisch-Islamische Gemeinde investiert vier Millionen Euro in den Neubau – in Form und Ausstattung spektakulär.

Sichtbar zu sein. Selbstbewusst zu zeigen, dass man angekommen ist in der deutschen Gesellschaft, als Mensch und Muslim. Im Kern geht es darum, wenn die Türkisch-Islamische Gemeinde in Norderstedt nun den vielleicht spektakulärsten Moschee-Neubau Deutschlands in einem Gewerbegebiet an der Grenze zwischen Norderstedt und Hamburg Realität werden lässt.

Spektakulär zum einen, weil der Entwurf für die Moschee des Hamburger Architekten Selçuk Ünyılmaz sowohl in seiner Architektursprache als auch in seiner technischen Ausstattung einzigartig ist. Ein kubisches, transparentes Gebetshaus mit einer gläsernen Kuppel, das seinen Temperatur-Haushalt winters wie sommers über einen Eisspeicher und über die Kristallisationsenergie aus seiner gläsernen Fassade regelt und seinen Strom über Windenergieanlagen in den beiden 21 Meter hohen Minaretten gewinnt.

Spektakulär zum anderen, weil der etwa 4 Millionen Euro teure Neubau komplett über Spenden von den etwa 300 Gemeindemitgliedern finanziert wird. Und deswegen, weil das gesamte Vorhaben von einer breiten Mehrheit der Norderstedter Kommunalpolitik getragen wird. Zwar diskutierten die Politiker die 21 Meter hohen Minarette – aber nur, weil diese die vorgeschriebenen Traufhöhen von 15 Metern überschreiten, was laut Stadtverwaltung städtebaulich vertretbar sei.

Keine Diskussionen gab es etwa darüber, dass die Türkisch-Islamische Gemeinde zum Islamverband DITIB Nord zählt. DITIB steht derzeit stark in der Kritik aufgrund seiner Nähe zur umstrittenen türkischen Führung um Präsident Erdogan. Die Bundesregierung will für 2018 die Fördermittel von DITIB um 80 Prozent kürzen. Auch der Norderstedter Imam der Eyup Sultan Moschee wird von Ankara entsendet.

Geld für den Rohbau kam durch Spenden zusammen

Wer sich mit Architekt Selçuk Ünyılmaz und anderen Mitgliedern der Norderstedter Gemeinde im Garten der seit 1984 bestehenden Eyup Sultan Camii an der Straße In de Tarpen trifft und schwarzen Tee trinkt, der lernt Gläubige kennen, die es einfach satt haben, in einem über 100 Jahre alten und ein wenig windschief wirkenden Haus, eingeklemmt zwischen Autowerkstatt, Gartenmöbelhandel und Kreisverkehr zu beten. Zwar birgt das Haus im ersten Stock einen hübschen, mit Teppich ausgelegten Gebetsraum. Aber beim Freitagsgebet oder zu den großen Feierlichkeiten des Islam platzt die Moschee aus allen Nähten und viele der bis zu 400 Gläubigen müssen ihre Gebetsteppiche dann im Garten auslegen.

„Das ist eine unwürdige Situation“, sagt Gemeindemitglied Yener Cevikol. „Wir sind Norderstedter. Ich bin hier aufgewachsen. Hier lebe ich meinen Glauben in meiner Gemeinde. Und mit dieser Moschee wollen wir ein Zeichen setzen, der Stadt in Form eines wunderschönen Gebäudes auch etwas zurückgeben.“ Architekt Ünyilmaz sagt, die Transparenz des Gebäudes sei auch inhaltlich gemeint. „Es soll ein Treffpunkt für alle Menschen, alle Religionen und alle Nationalitäten in Norderstedt entstehen.“

In den Nebengebäuden der Moschee kommen Räume für die Frauen- und Jugendarbeit, die Wohnung des Imam, aber auch – wie bisher – ein Lebensmittelgeschäft, ein Friseur, ein Reisebüro und ein Café unter. „Wir stehen in Kontakt zu einer Hamburger Café-Kette als Betreiber“, sagt Ünyilmaz. Das Café soll den Menschen die Schwellenangst nehmen. Wer wolle, könne bei Kaffee und Kuchen die Moschee und die Gemeinde kennenlernen – oder einfach nur in Ruhe genießen. „Das Energiekonzept der Moschee ist von größter Bedeutung. Eine Moschee mit dieser Architektur und Technik ist sicherlich weltweit einzigartig“, sagt Architekt Ünyılmaz.

Das Geld für den Rohbau habe die Gemeinde seit 2008 über Spenden und bei Aktionen gesammelt. „Im Moscheebau ist das in Deutschland so üblich“ sagt Ünyılmaz. Vom Dachverband DITIB Deutschland oder gar aus der Türkei gebe es keinen einzigen Euro für die Norderstedter Gemeinde. „Die Gemeinde hätte lieber heute als morgen einen Imam, der der deutschen Sprache und Kultur mächtig ist. Die werden derzeit ausgebildet. In zehn Jahren wird die Türkei keine Imame mehr nach Deutschland schicken müssen.“

Im zuständigen Norderstedter Bauamt wird das Projekt seit 2009 mit Begeisterung begleitet. „Die ersten Pläne für die Moschee waren deutlich bescheidener als der jetzige Entwurf“, erinnert sich Stadtplaner Thomas Röll. Die Moschee habe da eher den Charakter einer simplen Halle gehabt. „Wir haben die Bauherren ermuntert, an dieser Stelle etwas mutiger zu sein, eher in Richtung der klassischen Moschee aus Tausendundeiner Nacht.“ Für die Stadtplaner ist sie ein Aushängeschild für Norderstedt, ein selbstbewusstes Signal einer multikulturellen Stadtgesellschaft. Röll erhofft sich Effekte für die Bemühungen der Stadt, das umliegende Gewerbegebiet Nettelkrögen neu zu aktivieren.

Für die Baugenehmigung des Projektes müssen noch Fragen des Brandschutzes geklärt werden. Baudezernent Thomas Bosse rechnet mit einer Erteilung der Genehmigung im Februar. „Etwa nur einer von 25 Bauanträgen, die bei uns gestellt werden, ist fachlich so fundiert und gut in geltendes Baurecht eingepasst. Dieser Antrag ist einer davon.“ Die Gemeinde hofft, spätestens im August mit dem Bau der Moschee beginnen zu können.