Nahe. Rund um das derzeitige Gebetshaus der Ahmadiyya-Gemeinde entsteht zudem eine Siedlung mit dreizehn Einfamilienhäusern.

Der Teppich im Gebetssaal gibt die Richtung nach Mekka vor. Die Streifen laufen nicht parallel zur Wand, sondern schräg. Wer im ehemaligen Pferdestall des alten Bauernhauses an der Wakendorfer Straße in Nahe zu Allah beten will, der kann sich also nach den Streifen auf dem Teppich richten. So wie Habib Ullah Tariq aus Itzstedt. Der ehemalige Präsident der Ahmadiyya-Gemeinschaft in Nahe ist jetzt für diejenigen zuständig, die über 40 Jahre alt sind. Er spricht ein paar kurze Worte, verneigt sich, betet im Stillen, spricht wieder ein paar Worte, kniet sich nieder und betet erneut. Die anderen vier Männer im Raum tun es ihm nach – zwei ältere müssen sich nicht hinknien, sondern sitzen auf einem Stuhl. Nach etwa einer Viertelstunde ist das Gebet zu Ende. Einer der jüngeren Männer liest noch aus den Werken des Begründers der Ahmadiyya Muslim Jamaat vor, der Ende des 19. Jahrhunderts die Bewegung im heutigen Pakistan ins Leben gerufen hat.

Die Moschee wird auf Mekka, schräg zur Straße ausgerichtet

In Pakistan wird die Glaubensgemeinschaft verfolgt, weswegen viele Flüchtlinge bereits Mitte der 1970er-Jahre nach Deutschland kamen. Insgesamt leben in Deutschland zwischen 35.000 und 40.000. In Nahe gehören etwa 400 Mitglieder zur Gemeinschaft und hier werden die Männer demnächst nicht mehr im umgebauten Pferdestall und die Frauen in der benachbarten ehemaligen Diele beten. Denn die Bauarbeiten für die Moschee haben begonnen. Sie wird schräg zur Straße stehen und ist auf Mekka ausgerichtet. Zudem entsteht rund um den ehemaligen Bauernhof eine kleine Siedlung mit 13 Einfamilienhäusern, von denen eines bereits steht.

Moscheebau in Nahe Seitenansicht der geplanten Moschee
Moscheebau in Nahe Seitenansicht der geplanten Moschee © Repro: Helge Buttkereit

Den Bauernhof in Nahe, in dem sich derzeit die Gebetsräume sowie ein großer Versammlungssaal befinden, kaufte Tariq bereits 1989. Den Plan, eine Moschee zu bauen, gibt es seit über zehn Jahren. Der fünfte Kalif als Oberhaupt der Ahmadis legte 2011 den Grundstein. „Wir sind sehr gesegnet von seiner Heiligkeit, dass er zweimal hier war“, sagt Tariq. Sechs Jahre nach der symbolischen Grundsteinlegung sind nun die Rahmenbedingungen für den Bau an der Wakendorfer Straße geklärt. Bauherr ist die deutsche Zentrale der Gemeinschaft in Frankfurt. „Das ist auch richtig so, die haben dort die Fachleute“, sagt Columbus Khan.

Die Ahmadis sind mit den Vorgaben der Gemeinde Nahe einverstanden, auch wenn sie gerne ein Minarett und eine Kuppel gebaut hätten. Doch die strikten Vorgaben für die 13 Wohnhäuser auf dem Gelände wie die klar vorgegebene Dachneigung oder das Verbot, eine Einliegerwohnung zu bauen, ärgern Habib Ullah Tariq ein wenig: „Kein anderes Baugebiet im Kreis hat solche Vorgaben. Aber wir haben die Auflagen akzeptiert.“ Gleichwohl würde er sich darüber freuen, wenn die Gemeinde sich weltoffener zeigen würde. Finanziert werde der Moscheebau, der zwischen 400.000 und 450.000 Euro kosten soll, ausschließlich aus Spenden der Mitglieder. „Wir haben keine Ölquellen und hinter uns stehen keine Regierungen“, sagt Tariq. Deswegen werden die Mitglieder der Gemeinschaft auch viel in Eigenleistung bauen. In der Gemeinde Nahe gibt es nach den Worten von Bürgermeister Holger Fischer bislang nur gute Erfahrungen mit den Ahmadis. „Es gibt keine Punkte, wo wir miteinander anecken“, sagt er. Mit dem Zusammenleben sei man zufrieden, die Ahmadis nähmen am Dorfleben teil. Er habe bislang noch keine negativen Stimmen gehört. Auch Pastorin Susanne Hahn von der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde spricht von einem „friedlichen und freundlichen“ Miteinander ihrer christlichen Gemeinde mit der der Ahmadis.

Gemeinde betont die Loyalität zur staatlichen Ordnung

Die Ahmadiyya sehen sich als Reformbewegung des Islam und berufen sich auf Ghulam Ahmad, werden aber von den meisten anderen Muslimen genau deshalb nicht als Muslime anerkannt. Die Gemeinschaft wird von Friedemann Eißler von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW) als „muslimische Sondergemeinschaft“ beschrieben. Sie falle mit ihrem missionarischen Engagement auf, betone gleichzeitig aber immer wieder die friedliche Zielsetzung und die Loyalität zur staatlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland. Das Motto lautet „Liebe für Alle, Hass für Keinen“.

Die Imame werden seit 2008 in Deutschland ausgebildet

Die Gemeinschaft der Ahmadis mit Hauptsitz in Frankfurt am Main ist seit 2013 in Hessen als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt. Öffentlich treten die Ahmadis zum Beispiel in Bad Segeberg – dort gibt es neben Nahe die zweite kleinere Gemeinschaft im Kreis – mit Baumpflanzaktionen oder am 1. Januar durch Säuberungen nach der Silvesternacht auf, die dieses Jahr sowohl in der Kreisstadt als auch in Henstedt-Ulzburg stattgefunden haben.

Habib Ullah Tariq (rechts) als Vorbeter im Gebetssaal der Ahmadis in Nahe
Habib Ullah Tariq (rechts) als Vorbeter im Gebetssaal der Ahmadis in Nahe © Helge Buttkereit

Habib Ullah Tariq bezeichnet es als eine Aufgabe seiner muslimischen Gemeinschaft, Gott den Menschen näherzubringen, die sich von ihm entfernt haben. Der Gründer der Ahmadiyya Muslim Jamaat habe keine neue Lehre gebracht, auch für seine Gemeinschaft sei der Prophet Mohammed der wichtigste Bezugspunkt im Glauben an den einen Gott Allah. Dabei gehe es nicht um blinden Gehorsam. „Wir betrachten auch die anderen Religionen, lesen die Bibel und lernen, lernen, lernen“, sagt Tariq. Bildung sei ohnehin das Wichtigste – für Männer und Frauen. Die Gemeinschaft sei dabei von unten nach oben demokratisch aufgebaut, in der Gemeinde vor Ort, im Bundesland und auf Bundesebene würden alle Vertreter der verschiedenen Ämter demokratisch gewählt. Dies gilt sowohl für die Organisationen der Männer wie auch die der Frauen.

„Die Imame sind bei uns für die Lehre und die Spiritualität verantwortlich“, erläutert Columbus Khan aus Norderstedt, der derzeit für die Bildung der Ahmadiyya-Gemeinschaft in Nahe verantwortlich ist. „Der Präsident spricht sich, wo es notwendig ist, mit dem Imam ab.“ Die Imame werden von den Ahmadis seit 2008 in Deutschland ausgebildet. Für Nahe ist der Imam Adeel Ahmad Shad aus Kiel zuständig, der in Deutschland aufgewachsen ist.