Norderstedt. In drei Wochen entscheidet sich, wer Oberbürgermeister wird. Elke Christina Roeder (SPD) und David Hirsch (CDU) werben um jede Stimme.

Ausschlafen, Erholen, Energie tanken, kein Handy, das klingelt – wie haben die Männer und Frauen, die den Chefsessel im Norderstedter Rathaus erobern wollten, den Tag nach der Wahl verbracht? Wahlgewinnerin Elke Christina Roeder frühstückt gemütlich mit ihrer Familie. Doch das ist dann auch schon die einzige Dosis Ruhe, danach setzt sich die SPD-Frau sofort wieder an den Schreibtisch, schreibt und beantwortet E-Mails, telefoniert. Nach dem Wahlkampf ist vor dem Wahlkampf – nachdem die Neumünsteranerin es in die Stichwahl am 26. November geschafft hat, will sie nun auch Oberbürgermeisterin werden. Und das heißt: „Wir müssen knapp drei Wochen lang nochmal richtig Gas geben“, sagt die 50-Jährige.

Sie lag nur hauchdünn vor Konkurrent David Hirsch von der CDU, gerade mal 1,27 Prozent trennten die beiden Kandidaten. Der 44 Jahre alte Christdemokrat startet den Montag zu einer Zeit, als die meisten Menschen in Norderstedt noch schlafen. „Ich habe um 4.47 Uhr die U-Bahn nach Hamburg-Hauptbahnhof genommen und dann den ICE ins Ruhrgebiet.“ Was er dort gemacht hat? Hirsch war bis Ende Oktober Interimsmanager der Kindergartengemeinschaft des Evangelischen Kirchenkreises Gelsenkirchen und Wattenscheid mit 17 Einrichtungen und 250 Fachkräften. „Das war weniger eine finanzielle Sanierung, eher personell-organisatorisch. Das habe ich seit Ende März gemacht – und jetzt meinen Nachfolger begrüßt.“ Nach einem langen Arbeitstag in Gelsenkirchen kommt Hirsch spätabends zurück. Derzeit lebt er in Norderstedt bei seinen Schwiegereltern, während seine Frau mit den drei Kindern, die zur Schule und in die Kita müssen, vor allem im Jena ist.

Roeder laboriert noch an den Folgen eines Autounfalls

Roeder war schon am Montagnachmittag wieder in Norderstedt, um mit ihrem Team die Strategie festzulegen. Eine Handvoll Sozialdemokraten opfert viel Zeit, um die Kandidatin an die Spitze der Verwaltung zu hieven. „Und ich bekomme alle nur erdenkliche Unterstützung durch meine Eltern und Freunde“, sagt die Bewerberin, die auch weiterhin mit bewährten Mitteln für sich und ihre Ideen werben will. An der Haustür klingeln, an Info-Tischen an zentralen Punkten stundenlang stehen, Kilometer um Kilometer zurücklegen – und das mit gebrochenem Fuß und lädiertem Rücken. Die Folgen eines Autounfalls im Oktober. Doch da beißt sie sich durch, eine Spezialeinlage im Schuh hilft, „es wird immer besser“, sagt sie und trägt wie zum Beweis ihr Fahrrad die paar Stufen aus der Wohnung auf den Weg.

David Hirsch
David Hirsch © HA | Michael Schick

Die Menschen sind ihr wichtig, die Bürger mitnehmen, ihre Meinung hören, wenn es um wichtige Projekte geht – wie ihr Konkurrent David Hirsch, der auch immer wieder betont, dass er die Bürger einbeziehen will. Wo unterscheiden sich die Finalisten? Roeder sieht inhaltlich keine entscheidenden Unterschiede, aber: „Ich setze auf meine Verwaltungserfahrung, ich habe schon bewiesen, dass ich Menschen führen und Impulse für die Stadtentwicklung setzen kann.“

Die Wahlverlierer lecken ihre Wunden. Reimer Rathje stellte am Wahlabend angesichts von 38,2 Prozent Wahlbeteiligung noch die Sinnfrage, was das ganze kommunalpolitische Engagement noch bringe, wenn der Bürger sich einfach nicht interessiere. Am Tag danach stellt er klar, dass er „Politiker mit Leib und Seele“ sei und selbstredend nicht daran denke, die Arbeit in der Stadtvertretung und in seiner Wählervereinigung Wir in Norderstedt (WiN) einzustellen. Er nimmt es dem Norderstedter Bürger nur einfach sehr übel, dass er mehrheitlich nicht zur Wahl gegangen ist. „Das ist sehr demotivierend für alle Politiker in der Stadtvertretung. So wird es bei der Kommunalwahl 2018 für alle Parteien schwierig, fähige Kandidaten zu finden, die bereit sind, sich für 25 Euro Sitzungsgeld an vielen Abenden im Monat in die Ausschüsse zu setzen.“ Für die nun anstehende Stichwahl gibt Rathje keine Empfehlung ab. „Das müssen wir parteiintern noch besprechen. Aber ich denke, dass bei dieser Stichwahl nicht mehr als 25 Prozent wählen gehen werden.“

In einer Wahlnachlese immer interessant ist der nähere Blick auf das Stimmverhalten der Bürger. Wahlsiegerin Elke Christina Roeder (SPD) hatte ihre Hochburg im Wahlkreis 41, Grundschule Pellwormstraße (35,78). Auch in den Wahlkreisbüros in der Grundschule Glashütte Süd (33,7) und Haus am Kielort (30,8) gab es viele SPD-Stimmen. In der Grundschule Harksheide-Nord stimmten hingegen nur 17,6 Prozent oder 125 der 711 Wähler für sie.

David Hirsch (CDU) holte seine Spitzenergebnisse gleichmäßig über die Stadt verteilt: In den Wahlkreisbüros in der Regionalschule Friedrichsgabe (28,9 Prozent), im Festsaal am Falkenberg (29,29) und vor allem im Schulzentrum Süd (32,4). Keine Lobby hat Hirsch im Wahlkreis 111: In der Grundschule Gottfried-Keller-Straße stimmten von 519 Wählern nur 81 für ihn (15,76).

Lokalmatador Reimer Rathje gewinnt in Garstedt

Die Norderstedter Sozialdezernentin und grüne Kandidatin Anette Reinders holte neben Hirsch und Roeder als einzige Kandidatin im Feld in allen Wahlbüros zweistellige Prozentergebnisse. Die meisten Stimmen im Wahlkreis 31 und im Büro der Grundschule Pellwormstraße (25,31). Kurios: Im Wahlkreis 41, ebenfalls Pellwormstraße, holte sie ihr schlechtestes Ergebnis mit (16,42). Mit die höchsten Werte holte sie in der Hauptbücherei am Rathaus (24,53) und in der Horst-Embacher-Schule (24,93).

Wenig überraschend ist Reimer Rathje, der Lokalmatador in Garstedt. Mit den 32,80 Prozent, die er im Wahlkreis 101 in der Grundschule Niendorfer Straße geholt hat, ist er neben Roeder und Hirsch der einzige Kandidat, der in einem Wahlkreis über der 30-Prozent-Marke liegt. Fast ebenso stark war Rathje im Wahlkreis 102 in der Grundschule Gottfried-Keller-Straße (28,79). Rathje-Ödland hingegen ist der Wahlkreis 191, Wahlbüro Schulzentrum Süd: Acht Prozent bekam der Garstedter hier nur.

In unserer aktuellen Wahlberichterstattung vom Montag ist uns ein Fehler unterlaufen: Leider haben wir den Wahlkreis 192 (Grundschule Glashütte) vergessen.