Norderstedt. Im ersten Durchgang der Oberbürgermeisterwahl in Norderstedt holt die SPD-Kandidatin knapp vor dem CDU-Bewerber die meisten Stimmen

Christopher Herbst und
Michael Schick

Aus dem Achtkampf ist ein Duell geworden: Elke Christina Roeder und David Hirsch, also die beiden externen Kandidaten, haben es in die Stichwahl am 26. November geschafft. Die Sozialdemokratin oder der Christdemokrat werden Norderstedts neue Oberbürgermeisterin oder neuer Oberbürgermeister. Roeder holte bei der Wahl am Sonntag 24,17 Prozent der Stimmen, Hirsch lag knapp dahinter mit 22,9 Prozent. „Ich freue mich, dass sich die Mühe und der ganze Aufwand der letzten Wochen gelohnt und zum Erfolg geführt haben“, sagte die Siegerin, die jede Menge Hände schütteln musste.

Nun heißt es für sie und die SPD: Noch drei Wochen Wahlkampf, Infotische besetzen, mit den Bürgern reden, wo es nur geht, für sich und die Partei werben. „Darauf sind wir vorbereitet, wir haben noch Energiereserven“, sagte Norderstedts SPD-Chefin Katrin Fedrowitz. Sie gab sich kämpferisch: „Wir holen uns Norderstedt zurück.“ Der Chefsessel war immer mit einem Sozialdemokraten besetzt, bis Hans-Joachim Grote die Tradition durchbrach und 18 Jahre lang der CDU zum Spitzenamt verhalf.

David Hirsch will jetzt die Unterschiede herausarbeiten

„Die Stimmungen in Norderstedt konnte ich als Externer nicht einschätzen“, sagte David Hirsch. Die Christdemokraten feierten in der Kneipe im Feuerwehrmuseum – Hirsch machte sich erst auf den Weg in das Fernsehstudio von Noa4, als 39 der 40 Bezirke ausgezählt waren. Der 44-Jährige bedankte sich für das Vertrauen, schließlich sei er bis vor drei Monaten in der Stadt noch „gänzlich unbekannt“ gewesen. Genauso wenig wie die anderen Bewerber gelang es ihm allerdings, die Mehrheit der Wahlberechtigten von der Bedeutung einer Abstimmung über das Stadtoberhaupt zu überzeugen. „Das ist bitter für mich. Offensichtlich ist es nicht gelungen, die Bevölkerung zu mobilisieren. Dabei hat sie bei einer Oberbürgermeisterwahl direkten Einfluss. Das ist für mich ein Stück weit unverständlich, man musste schon Augen und Ohren zu haben, um nichts mitzubekommen. Aber ich will nicht den Bürgern die Schuld in die Schuhe schieben.“

Hirsch will in den nächsten drei Wochen daran arbeiten, die Unterschiede zu Elke Christina Roeder herauszuarbeiten. „Die Unterschiede sind da – vielleicht nicht inhaltlich, aber an Erfahrung.“ Die Vermutung, dass die Wähler von Anette Reinders, also der Grünen-Kandidatin, automatisch zur SPD überlaufen, teilt er nicht. „20 Prozent spiegeln ja nicht die Anhängerschaft der Grünen wieder. Frau Reinders ist bekannt, eine profilierte Persönlichkeit.“

Dennoch brachte es die Sozialdezernentin nur auf 20,68 Prozent, das bedeutet Platz drei. Sie wirkte zerknirscht, als sie gegen 19 Uhr das Foyer der „TriBühne“ betrat. „Ich bin geschockt“, sagte sie. „Nicht von meinem Ergebnis – aber von der Wahlbeteiligung.“ Die steht gerade mal bei 30 Prozent, als sie auf den Bildschirm mit den Wahlergebnissen blickte. „Bei der letzten Wahl, als Grote alleine zur Wahl stand, waren es nur fünf Prozent weniger, und nun hatten wir so viele Kandidaten.“ Am Ende lag die Wahlbeteiligung dann bei 38,2 Prozent.

Dass es nichts mit dem Chefsessel im Rathaus wird – noch nicht mal mit der Stichwahl – ist eine dicke Enttäuschung für Reinders. Doch sie gibt sich gelassen. „Ich werde als Dezernentin ja weiter an der Spitze der Verwaltung mit mischen. Egal, wie das hier ausgeht.“ Der Sprecher der Norderstedter Grünen, Marc Muckelberg, gab sich kämpferisch: „Über 20 Prozent der Stimmen für unsere Kandidatin – das gibt uns Rückenwind für die Kommunalwahl im kommenden Jahr.“

Reimer Rathje von der WiN (Wir in Norderstedt) haderte mit dem Ergebnis – trotz der knapp 14 Prozent, die bei einer Kommunalwahl für die Wählergemeinschaft herausragend wären. Nicht nur er selbst, sondern auch Beobachter hatten ihm eine Außenseiterchance eingeräumt. „Am Herold-Center war bei uns am Stand immer am meisten los. Die Leute wollten Flyer, sie wollten immer wieder etwas fragen.“ Denjenigen Bürgern, die ihn jetzt gewählt haben, will er keine Empfehlung geben für die Stichwahl. Die Zukunft der WiN stellte Rathje als Reaktion auf die schlechte Wahlbeteiligung sogar infrage. „Wir müssen uns zusammensetzen, ob wir als WiN weitermachen.“

Reimer Rathje ist trotz Platz vier enttäuscht

Weiter hinten im Foyer standen zwei Kandidaten, die nur geringe Chancen auf eine Wahl-Überraschung hatten: Thomas Thedens von den Freien Wählern und Christian Waldheim von der AfD. Thedens mochte seine Kandidatur nicht als olympisch sehen. „Dabei sein war beileibe nicht alles. Über drei Prozent ist ordentlich. Darauf können wir aufbauen.“ Die Freien Wähler wollen bei der Kommunalwahl weiter angreifen. „Mein Gesicht kennen die Leute jetzt ja“, sagte Thedens. Ein Effekt, auf den auch Waldheim setzt. „Wir wollen in der Kommunalpolitik in Norderstedt mitwirken und in die Stadtvertretung einziehen“, sagte Waldheim. Dass er knapp zwei Prozent der Stimmen geholt hat, überraschte ihn nicht. „Wir haben nur wenige Plakate in der Stadt gehabt und viele Norderstedter kannten mich noch nicht.“

Enttäuscht zeigt sich Sven Wojtkowiak, der für die FDP ins Rennen gegangen war. „Ein paar Prozent mehr und ein zweistelliges Ergebnis hätten es schon sein dürfen“, sagte der 48-Jährige, der dennoch von den Liberalen im Restaurant Alberto mit Applaus empfangen wurde. Seine Erklärung, die von vielen geteilt wird: Die Bürger haben nach Parteibuch und nicht nach Persönlichkeit entschieden. Der parteilose Jens Kahlsdorf hat das regnerische Wetter als Ursache für die niedrige Wahlbeteiligung ausgemacht. „Fünf Prozent aus dem Stand zu holen, und das ohne die Unterstützung, wie sie die großen Parteien haben, ist doch beachtlich.“

Die Einzelergebnisse der 40 Stimmbezirke können Sie in der gedruckten Ausgabe des Abendblatts nachlesen.